Biodiversitätsforscher warnen: Heimische Wildbienen und Blütenpflanzen stark bedroht

Politik muss jetzt Verantwortung für EU-Naturschutzpaket übernehmen

Renommierte österreichische Biodiversitätsforscher:innen warnen bei einem Pressegespräch der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Österreich (ZooBot) vor einem Rückgang der biologischen Vielfalt, der bei der UN-Biodiversitätskonferenz (COP 15) als “das größte Artensterben seit dem Aussterben der Dinosaurier” bezeichnet wurde. Auch die Vielfalt der heimischen Wildbienen sowie Farn- und Blütenpflanzen nimmt stetig ab – mit dramatischen Folgen für das Leben auf unserem Planeten. _“_Mit dem EU-Naturschutzpaket liegen zwei konkrete Gesetzesentwürfe zur Pestizidreduktion in der Landwirtschaft und zur Wiederherstellung der Biodiversität auf dem Tisch. Nun ist die Politik gefordert, die vorgeschlagenen Maßnahmen rasch und entschlossen umzusetzen und das rasante Artensterben zu bremsen_“_, fordern der Wissenschafter des Jahres 2022 und Ökologe Franz Essl, die Botanikerin Luise Schratt-Ehrendorfer, der Wildbienenforscher Heinz Wiesbauer, der GLOBAL 2000 Umweltchemiker Helmut Burtscher-Schaden und die Evolutionsbiologin Elisabeth Haring von ZooBot.

ARTENSTERBEN BESCHLEUNIGT SICH

Weitreichende globale Maßnahmen zum Schutz der Natur wurden bei der UN-Biodiversitätskonferenz im Dezember 2022 beschlossen. _“Diese Maßnahmen haben das Potential, eine echte Trendwende einzuleiten. Doch Bekenntnisse alleine genügen nicht. Um das vom Menschen verursachte Artensterben einzudämmen, braucht es Taten”_, so FRANZ ESSL, ÖKOLOGE AN DER UNIVERSITÄT WIEN. _“_Der rasante Rückgang der Arten zeigt, dass wir unsere Ökosysteme übernutzen und zerstören. Dabei brauchen wir, nicht zuletzt um für alle Menschen Nahrungsmitteln erzeugen zu können, intakte Böden und ausreichende biologische Vielfalt._“_

37 % DER HEIMISCHEN FARN- UND BLÜTENPFLANZEN GEFÄHRDET

Dass das Artensterben vor Österreich nicht Halt macht, erklärt die BOTANIKERIN LUISE SCHRATT-EHRENDORFER, Herausgeberin der Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen, anhand konkreter Zahlen: Von den 3.462 heimischen Arten stehen 1.274 (das sind 37 %) auf der Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen Österreichs. 66 Arten sind ausgestorben bzw. verschollen, 235 vom Aussterben bedroht, 369 stark gefährdet, 488 gefährdet und 116 Arten in unbekanntem Ausmaß gefährdet. Weitere 304 Arten befinden sich in der Vorwarnstufe, bei anhaltendem Rückgangstrend müssen auch sie in naher Zukunft als gefährdet eingestuft werden. _“_Hauptverursacher des Biodiversitätsverlusts der österreichischen Farn- und Blütenpflanzen ist die Landwirtschaft, da die ‘zeitgemäße land- und forstwirtschaftliche Nutzung’ von den artenschutzrechtlichen Bestimmungen ausgenommen ist_“_, erläutert die Botanikerin und weist auf die notwendige Ökologisierung der Landwirtschaft hin.

FEHLENDE NISTPLÄTZE UND FUTTERPFLANZEN BEDROHEN WILDBIENEN-VIELFALT 

In Österreich wurden bislang 707 Wildbienen-Arten nachgewiesen. Doch diese Vielfalt ist aufgrund von Lebensraumveränderungen massiv bedroht. Damit eine bestimmte Bienenart an einem Standort existieren kann, müssen zum einen die spezifischen Nistplatzansprüche erfüllt sein, zum anderen brauchen die Bienen je nach Art ein entsprechendes Blütenangebot in erreichbarer Distanz. _“Von den nestbauenden Wildbienenarten sind 34 % beim Blütenbesuch spezialisiert und sammeln Pollen ausschließlich oder stark bevorzugt auf einer einzigen Pflanzengattung oder -familie. Dies birgt Gefahren: Wird eine Wiese mit einer seltenen Pflanzenart zu einem ungünstigen Zeitpunkt gemäht, kann dies zum Aussterben einer darauf spezialisierten Biene führen”_, erklärt WILDBIENENFORSCHER UND BUCHAUTOR HEINZ WIESBAUER und warnt vor weiteren Rückgängen der Biodiversität. Eine arten- und individuenreiche Wildbienenpopulation ist die beste Voraussetzung für die künftige Bestäubungssicherheit und somit auch für die Landwirtschaft und den Gartenbau von unschätzbarem Wert. _“Die Lebensraumverluste, der Pestizid- und Düngemitteleinsatz, der Rückgang bunter Wiesen und die Klimaerhitzung machen den Wildbienen aber extrem zu schaffen. Würde man die Kriterien der Roten Liste heranziehen, wären rund die Hälfte aller heimischen Wildbienen-Arten in irgendeiner Art gefährdet“_, stellt Wiesbauer fest.

VERBINDLICHER SCHUTZ DER ARTENVIELFALT IN REICHWEITE

GLOBAL 2000-UMWELTCHEMIKER HELMUT BURTSCHER-SCHADEN verweist auf den Europäischen Green Deal, der ein Bündel an Maßnahmen zur Eindämmung des Biodiversitätsverlustes beinhaltet. Dazu zählen zwei Gesetzesvorschläge zur Pestizidreduktion (SUR) und zur Wiederherstellung der Natur (NRL), die derzeit im EU-Parlament und im Rat verhandelt werden. _„Mit diesen Gesetzen will die EU-Kommission die dringend notwendigen Maßnahmen zur Rettung der biologischen Vielfalt gesetzlich verankern und für alle Mitgliedsstaaten verbindlich machen“_, sagt Burtscher-Schaden: _„Leider zählt Österreich zu einer Gruppe von fast ausschließlich osteuropäischen Staaten, die den Gesetzgebungsprozess zu verzögern und zu verwässern versuchen. Angesichts eines beschleunigten Artensterbens appellieren wir an das politische Gewissen von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, Umweltministerin Leonore Gewessler und Gesundheitsminister Johannes Rauch sowie an alle österreichischen Abgeordneten im EU-Parlament: Stellen Sie sicher, dass Österreich seine Blockadehaltung beendet und tragen Sie zu einer raschen Umsetzung des EU-Naturschutzpakets bei!“_, so Burtscher-Schaden abschließend.

Elisabeth Haring (ZooBot): +43 01 52 177 332; elisabeth.haring@nhm-wien.ac.at
Selina Englmayer (GLOBAL 2000 Pressesprecherin): +43 699 14 2000 26; selina.englmayer@global2000.at

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