
37. Wiener Gemeinderat (11)
Dringliche Anfrage der ÖVP an Stadtrat Hacker
GR Dr. Michael Gorlitzer, MBA (ÖVP) sagte, die Dringliche Anfrage diene dazu, Lösungen im Rahmen eines Krisengipfels zu finden und nicht einen Arbeitskreis zu bilden. Die Wiener Regierungskoalition beschäftige sich mit allerlei „Problemtöpfen“, sie sei keine Fortschrittskoalition, sondern in seinen Augen eine „Versagerkoalition“. Ironisch meinte Gorlitzer, der größte gesundheitspolitische Wurf der Stadt sei die Umbenennung von Krankenhäusern in Kliniken gewesen, „das hat aber an der gegenwärtigen Situation nichts geändert“. Die sogenannten Gefährdungsanzeigen in den Spitälern hätten sich in den letzten Jahren „mehr als verdoppelt“, was aber nur die Spitze des Eisbergs darstelle. Eine Schreckensnachricht jage in Wien die nächste, meinte Gorlitzer. Gefährdungsanzeigen seien kein Managementinstrument, wie von Stadtrat Hacker bezeichnet, „sondern ein Aufschrei der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kliniken“. Das zentrale Problem sei von Stadtrat Hacker in seiner Rede nicht angesprochen worden: Wie wird der Gesundheitsbereich in Wien wieder gut aufgestellt? Beim Personal sei nicht das Gehalt das größte Problem, sondern vielmehr die Planungsunsicherheit bei den Dienstplänen. Die Idee von Pool-Diensten, also Lücken in Stationen mit Mitarbeiter*innen von anderen Stationen zu besetzen, sei beim Personal höchst unbeliebt, sagte Gorlitzer. Auch das Unterbringen von Patient*innen auf fachfremden Spitalsstationen sei „nicht zielführend“. Die sechs angeschafften OP-Roboter seien aufgrund des fehlenden Fachpersonals nicht einsetzbar, prophezeite Gorlitzer – „und das bei Anschaffungskosten von insgesamt zwölf Millionen Euro“. Die Kündigungswelle in den Spitälern sei bereits größer in als die Pensionierungswelle. „Besonders abstrus ist die Kündigungswelle von Primarärzten, die keine Perspektive mehr bei der Versorgung von Patienten sehen. Wir brauchen einen Krisengipfel für die Wiener Pleiten-, Pech- und Pannenpolitik, um auch in Zukunft die Versorgung der Wienerinnen und Wiener zu gewährleisten“, verlangte Gorlitzer.
StR Dominik Nepp, MA (FPÖ) meinte, „die Unfähigkeit des Gesundheitsstadtrats ist amtsbekannt: Eine Horrormeldung in den Medien jagt die andere“. Doch seine Hauptkritik richte sich heute nicht an Stadtrat Hacker, sondern diesmal an die ÖVP. Diese müsse endlich den Mut aufbringen, das schärfste Instrument der Opposition zu ziehen – nämlich einen Misstrauensantrag gegen Stadtrat Hacker zu stellen. „Was soll denn noch passieren? Notfallpatienten der Urologie werden mit dem Taxi quer durch Wien geschickt.“ Spitalsärzte und -ärztinnen würden wegen vermehrten Notdiensten aus den Krankenhäusern „flüchten“, und anschließend in Privatordinationen arbeiten, um dort genauso viel oder mehr zu verdienen. Die zahlreichen Gefährdungsanzeigen in den Spitälern seien ein Hilfeschrei der Ärzteschaft, doch dieser sei von Stadtrat Hacker „weggedodelt“ worden. „Ich weiß nicht, wieso Sie uns bei der Stellung eines Misstrauensantrags nicht unterstützten“, frage Nepp in Richtung ÖVP-Fraktion.
GR Dipl.-Ing. Dr. Stefan Gara (NEOS) sagte, die Anspannung im Gesundheitssystem sei österreichweit immens groß. Dafür gebe es nach seiner Ansicht viele Ursachen. Zu sehen seien die Symptome mangelnder Strukturreformen im niedergelassenen und Spitalsbereich in der Vergangenheit sowie die Folgen einer „absurden Finanzierungsstruktur“. Trotzdem sei die akutmedizinische Versorgung in Wien immer noch sichergestellt – „eigentlich die ureigenste Aufgabe der Spitäler“, meinte Gara. Neue Strukturen seien österreichweit dringend notwendig, etwa beim Zugang von Pflegekräften zur elektronischen Gesundheitsakte. Leistungen, die bisher stationär erbracht worden seien, müssten in Zukunft ambulant erbracht werden, um diese Strukturen aufzubrechen. Wien habe die spezielle Situation, dass hier auch Leistungen übernommen würden, die im Rest von Österreich nicht erbracht würden. Neue Spitalsprojekte würden bereits mit multifunktionalen Stationen geplant werden, was zu einer Verbesserung führen werde – „das kann aber nur erreicht werden, wenn die Rahmenbedingungen stimmen“. Der Ausbau des ambulanten Bereichs hinke weit hinter den Versprechen hinterher – das ist aber nicht automatisch die alleinige Schuld von Wien, so Gara. „Wirklich stolz“ sei er darauf, dass es nach Verhandlungen zwischen Stadt, Österreichischer Gesundheitskasse und die Wiener Ärztekammer neun Kindergesundheitszentren in Wien geben werde. Eine weitere wichtige Schnittstelle und Bindeglied zwischen niedergelassenem und Spitalsbereich sei das neu eröffnete Diabeteszentrum Wienerberg als zusätzliche Einrichtung. Erstversorgungsambulanzen würden zur Entlastung für die Spitäler dienen und seien ein wichtiger Baustein im Wiener Gesundheitssystem. „Die vielen konkreten Projekte werden auch konkret umgesetzt, aber es gibt weitere notwendige Ansätze etwa in der Ausbildung von Pflegekräften“, meinte Gara. Eine Reihe von Maßnahmen seien bereits getroffen worden, die Situation sei zwar weiterhin angespannt, aber die Akutversorgung sei weiter gewährleistet. In Richtung Bund sagte Gara: „Statt eines Gesundheitsgipfels macht Kanzler Nehammer einen Autogipfel. Wie gehen Sie damit um? Und wo bleibt die Entschuldigung bei den Pflegefachkräften, die von Querdenkern bedroht worden sind.“ Er hoffe auf eine parteiübergreifende, österreichweite Lösung, um die anstehenden Strukturreformen umsetzen zu können.
GRin Mag.a Barbara Huemer (GRÜNE) stellte das Thema der Gesundheitsversorgung durch die Wiener Spitäler wieder in den Mittelpunkt der Debatte. Die gegenwärtigen Probleme in den Kliniken sowie die Hilferufe des Personals würden immer „lauter und größer“ werden. Es sei Gefahr in Verzug, denn das Klinikpersonal fühle sich von der Stadt „total im Stich“ gelassen. Die Stimmung bei den Beschäftigten sei im Keller, darunter leide nicht nur das Personal, sondern in Folge auch die Patientinnen und Patienten. Diese „Negativspirale“ müsse gestoppt werden, denn alle Wienerinnen und Wiener hätten sich eine gute medizinische Versorgung verdient. Besonders betroffen von den Missständen seien armutsgefährdete Personen in Wien: 21,4 Prozent der Bevölkerung zählten zu dieser Gruppe, eine Untersuchung habe gezeigt, dass ein Drittel chronisch krank sei, die Hälfte gehe etwa gar nicht mehr zum Zahnarzt. Das von der Stadt postulierte Ziel der gesundheitlichen Chancengerechtigkeit sei ein gutes Ziel, „doch wir entfernen uns immer weiter davon“. Die Krankenhäuser seien selbst Notfallpatienten geworden und jetzt „kranke Häuser“. Das fehlende Spitalspersonal und die hohe Anzahl von Gefährdungsanzeigen seien nicht „normal und ehrlich gesagt ein Wahnsinn“. Dass die Versorgung perfekt funktioniere, sei in ihren Augen Realitätsverweigerung – dafür verantwortlich seien in erster Linie die Vertreter*innen der SPÖ. „Das Spitalswesen arm sparen und das Personal ausdünnen – das haben Sie, die Sie immer die Stadträt*innen gestellt haben, zu verantworten“, sagte Huemer in Richtung Sozialdemokratie. „Logisch“ sei für sie, dass die Probleme im Klinikbereich sich auf den niedergelassenen Bereich durchschlagen würden, etwa bei der Versorgung von Kindern – „das tut wirklich weh“, sagte Huemer, die sich beim Spitalspersonal bedankte: „Nur wegen euch rennt das Werk’l.“ Die geplante Anwerbung von Pflegefachkräften aus Drittstaaten könne zu einem Teil zur Lösung des Personalproblems beitragen, aber das grundlegende Problem im Spitalsbereich nicht lösen. Huemer brachte einen Antrag betreffend „Maßnahmenplan gegen den drohenden Kollaps der Gesundheitsversorgung an den Spitälern der Stadt Wien“ ein. Ein Gesundheitsgipfel mit allen Verantwortlichen und Reformen bei Einkommen des Personals, Planungssicherheit und Arbeitszeitverkürzung seien nach Ansicht Huemers dringend notwendig. Gesundheitsminister Rauch habe seine Hand für eine Gesundheitsreform ausgestreckt – „kein längeres Zuwarten, ergreifen Sie diese Chance“, forderte Huemer. (Forts.) nic
PID-Rathauskorrespondenz
Stadt Wien Presse- und Informationsdienst, Diensthabende*r Redakteur*in
Service für Journalist*innen, Stadtredaktion
01 4000-81081
dr@ma53.wien.gv.at
presse.wien.gv.at
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender