Österreich erreicht Platz 29 und ist mit einem Plus von 0,56 Punkten praktisch gleichgeblieben

Der Absturz vom Vorjahr hat sich „verfestigt“.

Grund zur Freude über zwei Plätze Gewinn kann nicht aufkommen:  würde nur der rechtliche Rahmen gezählt, wären wir heuer auf PLATZ 33 (-1,63Punkte), beim politischen Rahmen sogar nur PLATZ 39 (3,81 P. nur Platz 39).

Auch im zweiten Jahr nach Einführung des neuen RSF- Bewertungssystem schafft es Österreich nicht, einen Sprung in Richtung Spitzenplatzierungen zu machen. „Die Sanierung der gefährdeten Pressefreiheit in Österreich ist 2022 der heimischen Medienpolitik nicht gelungen.“ FRITZ HAUSJELL, PRÄSIDENT REPORTER OHNE GRENZEN (RSF) ÖSTERREICH

Nur Verbesserungen anzukündigen, wie es 2022 der Fall war, verhindert allenfalls ein weiteres Abstürzen, ändert allerdings nichts an der Lage der Pressefreiheit zum Positiven hin. Das Informationsfreiheitsgesetz wurde immer noch nicht verabschiedet, Österreich bleibt somit einziges EU-Land ohne eines solchen. Der Gesetzesentwurf zur Journalismusförderung ist halbherzig und ignoriert Diversität, Inklusion, Innovation und die für eine vitale Demokratie ebenso wichtigen kleinen Medien. „Korruptiven Verhältnissen zwischen Regierung und Medien wurde durch das neue, 2022 nur als Entwurf vorliegende Medientransparenzgesetz kein Riegel vorgeschoben. Es können weiter ohne Folgen weitgehend willkürlich von der Regierung Werbeaufträge vergeben und Medienkooperationen eingegangen werden. Damit ist Steuerung von Journalismus nicht unterbunden“, bilanziert Präsident Hausjell die unzureichende Antwort der regierenden Medienpolitik auf die schweren Vorwürfe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Der weiterhin hochkonzentrierte Medienmarkt, die überschaubare Anzahl voneinander unabhängiger Medienanbieter, die Pläne zur Einstellung der gedruckten „Wiener Zeitung“ haben allesamt dazu beigetragen, dass sich Österreich nicht wirklich verbessert hat.

Auch wenn das endgültige Aus erst im nächsten Ranking berücksichtigt wird, flossen die Regierungspläne für die „Wiener Zeitung“ als Online-Medium und der staatsnahen Journalistenausbildung ein, die nach Einschätzung von den Evaluator:innen nicht vereinbar ist mit unabhängiger freier Berichterstattung. Die Angst, eine Medienlandschaft nach Vorbild von Orbans Ungarn zu etablieren, ist groß und anhand der Pläne der Regierung nicht ganz von der Hand zu weisen.

SICHERHEITSKONZEPT FÜR MEDIENSCHAFFENDE

Der vergleichsweise hohe Wert und die Verbesserung um 4,91 Punkte im Sicherheitsbereich trügen ein wenig und ist v.a. damit zu erklären, dass die zahlreichen „Anti-Coronademos“ im Jahr 2022 abgeebbt sind und auch keine „harten physischen“ Attacken auf Medienschaffende verzeichnet wurden. Wir können uns glücklich schätzen, in einem Land zu leben, in dem Medienschaffende nicht willkürlich weggesperrt, verletzt oder getötet werden. Dennoch stellen Amtshandlungen wie Identitätsfeststellung trotz Presseausweises, Anhalten oder Wegweisen von Medienschaffenden nach wie vor ein Problem dar. Zudem ist die Stimmung seit Beginn 2023 auf Demonstrationen wieder rauer geworden und es ist zu einigen Vorfällen seitens der Polizei gegenüber Journalist:innen, teilweise sogar mit Pfefferspray, gekommen, was ebenfalls erst im nächsten Jahresranking einfließen wird.

Die Regierung ist gut beraten, zusammen mit der Polizei ein Sicherheitssystem zu entwickeln, damit es hier zu Verbesserungen kommt. „Die Kritik- und Kontrollfunktion darf in einer liberalen Demokratie weder durch Message Control noch durch willfährig gemachten Journalismus, noch durch Gewalt gegen Medienschaffende ausgehebelt werden“, resümiert Fritz Hausjell, Präsident Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich: „Die Sanierung der gefährdeten Pressefreiheit in Österreich ist 2022 der heimischen Medienpolitik nicht gelungen. Das hat wohl viel mit der Weigerung handelnder Personen in Politik und Medienwirtschaft zu tun, die Tragweite der bisherigen Entwicklungen zur Kenntnis nehmen zu wollen und die Verursacher klar zu benennen.“

SITUATION WELTWEIT

Laut dem Welt-Pressefreiheits-Index 2023 – der das Umfeld für den Journalismus in 180 Ländern und Gebieten bewertet – ist die Situation in 31 Ländern “sehr ernst”, in 42 “schwierig”, in 55 “problematisch” und in 52 Ländern “zufriedenstellend” oder “gut”. Mit anderen Worten: IN SIEBEN VON ZEHN LÄNDERN IST DAS UMFELD FÜR DEN JOURNALISMUS “SCHLECHT”, UND NUR IN DREI VON ZEHN LÄNDERN IST ES ZUFRIEDENSTELLEND.

„In 70 Prozent der Länder weltweit steht die Pressefreiheit unter Druck. Eine wachsende Bedrohung ist Desinformation: Machthabende desavouieren die freie Presse mit immer glaubhafteren Fakes, säen Misstrauen und Verwirrung, schneiden die Bevölkerung von echter Information ab und attackieren Journalist:innen persönlich. Die schnelle Entwicklung von KI macht Desinformation zu einem der größten Probleme für die Pressefreiheit der nächsten Jahre.“

CORINNA MILBORN, VIZEPRÄSIDENTIN REPORTER OHNE GRENZEN (RSF) ÖSTERREICH

NORWEGEN liegt zum siebten Mal in Folge auf PLATZ 1. Ungewöhnlich ist jedoch, dass ein nicht-nordisches Land den ZWEITEN PLATZ belegt, nämlich IRLAND vor DÄNEMARK. Die NIEDERLANDE (PLATZ 6) haben sich um 22 Plätze verbessert und damit die Position aus dem Jahr 2021 zurückerobert, bevor der Kriminalreporter Peter R. de Vries ermordet wurde. 

Auch am unteren Ende des Index gibt es Veränderungen. Die LETZTEN DREI PLÄTZE werden ausschließlich von asiatischen Ländern eingenommen: VIETNAM (PLATZ 178), das seine Jagd auf unabhängige Reporter:Innen und Kommentator:Innen fast abgeschlossen hat; CHINA (PLATZ 179, Minus 4 Plätze), das weltweit die meisten Journalist:Innen inhaftiert und einer der größten Exporteure von Propagandainhalten ist; und Schlusslicht NORDKOREA (PLATZ 180). Hier geht’s zum gesamten Ranking: https://www.rog.at

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