Europa: Aufbruch zu neuen Horizonten

19.Salzburg Europe Summit 2023

_Das Montagspanel des 19. Salzburg Europe Summit befasste sich mit der Grundsatzfrage, wohin sich sich die Europäische Union entwickle und wie Europa es schaffen könne, weltweit ein wichtiger Player und Partner zu bleiben und wie es zu friedlichen Lösungen der zahlreichen militärischen Auseinandersetzungen beitragen könne. _

Die frühere österreichische Außenministerin und EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner betonte in diesem Zusammenhang, dass die EU auf der Weltbühne im direkten Wettbewerb mit Mächten wie den USA, China oder der Afrikanischen Union stehe. Hierbei gelte es, die eigenen Entscheidungsprozesse zu beschleunigen, um auch der Union die nötige „Vertiefung vor Erweiterung“ zu geben. Dazu müsse das Vetorecht im Europäischen Rat zugunsten einer qualifizierten Mehrheit gestrichen werden, und nicht mehr jedes Land könne immer einen Kommissar stellen.

Die niederländische Journalistin Caroline de Gruyter meinte, dass Russland durch seinen Angriff auf die Ukraine möglicherweise einen neuen Akzent für die Entwicklung und Erweiterung der EU gesetzt haben könnte. Nach dem zweiten Weltkrieg sei das Projekt das Schaffen des gemeinsamen Marktes gewesen, doch an den habe man sich gewöhnt und die Vorteile seien nicht mehr so gut vermittelbar. Doch seit der Eskalation des russischen Angriffskrieges im Vorjahr würden selbst populistische Parteien keinen Exit mehr fordern, sondern eher eine Reform von innen bevorzugen. Dabei helfe sicherlich, dass der Brexit nach keinen Maßstäben als Erfolg für UK bezeichnet werden könne.

Tanja Miščević, Ministerin für EU-Integration der Republik Serbien, betonte angesichts der gestrigen Ausschreitungen im Nordkosovo, dass es nie eine Entschuldigung dafür geben könne, wenn Menschen getötet werden. Nun gehe es darum, wieder zu deeskalieren. Was das Verhältnis der beiden Staaten betreffe, so sei der Belgrad-Prishtina-Dialog entscheidend, doch müssten Vereinbarungen nicht nur getroffen, sondern auch umgesetzt werden. Gleiches gelte für die EU-Beitrittsperspektive, denn eine Erweiterungsmüdigkeit habe eine Reformmüdigkeit der Kandidatenländer zur Folge. Greifbare Zwischenergebnisse wie Visa-Liberalisierung oder Binnenmarktzugang seien herzlich willkommen.

WTO-Chefökonom Ralph Ossa attestrierte global zunehmende Fragmentierung, die Blöcke würden teils auseinanderzudriften scheinen. Allerdings zeige das Beispiel der auf Einstimmigkeitsbasis funktionierenden WTO auch der EU auf, dass Hindernisse überwunden werden könnten. Die Erfolge im Handelsbereich hätten die Welt aus der Pandemiekrise gebracht, denn nachhaltige Stabilität entstehe durch nachhaltige Wirtschaft, nur so ließe sich auch die Armut reduzieren. Man solle nie der Illusion aufsitzen, es brächte bessere Ergebnisse, möglichst alles im eigenen Land zu produzieren. Dies berge ökonomisch gewaltige Risiken.

Auch der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, fand klare Worte zu konfrontativen Stilen: Gerade das aggressive und durch ständige Drohungen gekennzeichnete Auftreten einzelner Politiker in Bosnien und Herzegowina würde diese ja gerade eben international isolieren. Auch die Nachbarn würden dies nicht unterstützen. Es sei wichtig, nicht zu vergessen, dass die Grundlagen für eine EU-Mitgliedschaft auch in der Gesellschaft und im Frieden innerhalb Europas lägen. Beitrittspfade seien auch deshalb durchaus komplex, der Vorschlag von Österreichs Außenminister Schallenberg einer stufenweisen Heranführung könnte ein praktikabler Ansatz sein. EU-Integration müsse haptisch greifbar werden, sonst würden die Menschen den Glauben daran verlieren. Die Integration sei der einzige Weg der existenziellen Sicherung der Region Südosteuropa.

_Vor dem Hintergrund überall steigender Staatsschulden und Preise konzentrierte sich das Vormittags-Highlight des 19. Salzburg Europe Summits – _SCHULDEN IN EUROPA: BRAUCHEN WIR EIN NEUES MAASTRICHT? -_ auf das Risiko erneuter europäischer Staatsschuldenkrisen und beschäftigte sich mit der Frage,, wie darauf in den kommenden Jahren auf allen staatlichen Ebenen zu reagieren sei. _

In seiner Keynote Speech betonte EU-Budgetkommissar Johannes Hahn, dass jene Mitgliedstaaten, die ihre Hausaufgaben gemacht hätten, besser und nachhaltiger auf Herausforderungen antworten könnten. Am Ende würden Schulden nämlich Schulden bleiben, egal, mit welcher Intention sie aufgenommen worden seien. Die Maastrichtquote von 60% BIP-Verschuldung sei zwar ihrer Zeit entwachsen, doch wesentlich sei das Verständnis darüber, dass Schulden wieder abgebaut werden müssten. Jene Staaten, die dies gut erledigt hätten, hätten auf die jüngste Krise mit „ganz anderer finanzieller Feuerkraft“ antworten können, so Hahn. Der österreichische Kommissar verwies auch auf die Frage impliziter Schulden, also künftiger Verpflichtungen wie beispielsweise Pensionen, die nur durch neue Schulden bezahlt werden könnten. Diese würden gerne übersehen, dabei stünde etwa Griechenland in Zukunft besser da als die anderen Mitgliedstaaten, da dieses Land während der Staatsschuldenkrise seine Hausaufgaben gemacht habe.

Österreich sei bisher gut durch die Krisen gekommen, so Finanzminister Magnus Brunner. Die Prognosen für Österreich seien etwas besser als jene für Deutschland, 2022 habe es zudem noch ein erfreuliches BIP-Wachstum gegeben. Für die wirtschaftliche Zukunft seien klare Staatsschuldenregeln sehr wichtig. Für eine Neugestaltung der Regeln könnte Österreich diskussionsbereit sein, allerdings sei hierbei nicht außer Acht zu lassen, dass nicht nur das Schuldenquotenziel, sondern gerade auch der Pfad dorthin entscheidend sei. Wichtig sei außerdem, dass alle Bestimmungen auch praktisch durchsetzbar seien. Um für mögliche künftige Krisen gewappnet zu sein, brauche es nun eine Rückkehr zu nachhaltigen Budgetpfaden. Prognosen seien hier allerdings schwierig, da die Budgetsanierung untrennbar mit der Konjunktur verbunden sei.

Derzeit sei eine entscheidende Herausforderung, nicht in langfristige Wachstumsschwächen hineinzugeraten, betonte die Ökonomin Veronika Grimm (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg). Mit der Pensionswelle der Babyboomergeneration und den hohen Energiepreisen gebe es hierfür durchaus Risikofaktoren. Bei den Energiepreisen gelte es, das Energieangebot zu diversifizieren und nicht nur kurzfristig den Preis zu drücken. Mit Blick auf die Fiskalregeln meinte sie, dass gerade Deutschland ja seit langer Zeit zeige, dass strenge Regeln auf Dauer gute Effekte erzielen.

Alexandra Habeler-Drabek, Risikovorständin der ERSTE Group, sah ebenfalls viele akute Risikofaktoren, etwa die auslaufenden Coronamaßnahmen und damit anstehende Fälligkeiten von Steuerstundungen oder eben die Energiepreise. Allerdings erweise sich die Region Zentraleuropa als robust, für 2024 werde hier ein Wachstum von rund 2,8 Prozent erwartet. Problematisch sei zudem, dass das Nachfragevolumen nach Krediten zurückgehe, dafür seien die notleidenden Kredite auf einem historischen Niedrigstand.

Die Investitionen, die benötigt werden, würden langsam zurückgehen, warnte Debora Revoltella, Chefökonomin der Europäischen Investitionsbank (EIB). Dies führe zu niedrigeren Kapazitäten, was wiederum Auswirkungen auf die Transformation hätte. Dies komme in Zusammenhang mit der Energiekrise zu einem gefährlichen Zeitpunkt. Europa habe zudem Aufholbedarf bei KI-Themen. Vor alle dem brauche es zwar kontrollierte Verschuldungsgrade, aber es dürfe nicht dazu kommen, dass Investitionen bestraft werden, denn immerhin gebe es einen Zusammenhang zwischen den Volumina privater und öffentlicher Investitionen. Hier müsse behutsam vorgegangen werden.

Stefan Haböck, IRE Policy Advisor
stefan.haboeck@institut-ire.eu

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