Rechnungshofausschuss debattiert arbeitsmarktpolitische Treffsicherheit der Bildungskarenz

Prüfbericht attestiert deutlichen Reformbedarf

Unselbstständig Beschäftigte, die ihre Chancen am Arbeitsmarkt verbessern möchten, haben seit 1998 die Möglichkeit, in Bildungskarenz zu gehen. Zum Zweck der Aus- und Weiterbildung können sie sich bis zu einem Jahr lang freistellen lassen und beziehen in dieser Zeit Weiterbildungsgeld aus den Mitteln der Arbeitslosenversicherung. Dieses Modell erfreue sich zunehmender Beliebtheit, wie aus einem Bericht des Rechnungshofs hervorgeht, der heute im zuständigen Ausschuss debattiert und einstimmig zur Kenntnis genommen wurde. Die Anzahl von Beziehenden verdoppelte sich von 2010 bis 2021 auf durchschnittlich rund 14.000 Personen und die Ausgaben dafür haben sich in diesem Zeitraum verdreifacht – sie schlagen im Jahr 2021 mit 295,7 Mio. € zu Buche.

In seinem Prüfbericht (III-919 d.B.) erkennt der Rechnungshof das arbeitsmarktpolitische Potenzial der Bildungskarenz an, hält aber gleichzeitig fest, dass sie für wenig aufwändige, für den Arbeitsmarkt kaum relevante “Hobbykurse” sowie für “mit öffentlichen Mitteln finanzierte Auszeiten aus dem Arbeitsprozess” genutzt werden kann. Er empfiehlt daher, die gesetzlichen Bestimmungen zu überarbeiten. Ziel wäre eine klare Ausrichtung auf Weiterbildungen, die die Position der Beziehenden auf dem Arbeitsmarkt verbessern.

Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker, Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher, AMS-Vorstandvorsitzender Johannes Kopf sowie die Leiterin der internen Revision des AMS, Eva Weiszgerber, standen den Abgeordneten Rede und Antwort.

RECHNUNGSHOF EMPFIEHLT ÜBERARBEITUNG DER GESETZLICHEN BESTIMMUNGEN ZUR BILDUNGSKARENZ  

Im Zuge der Überprüfung des Rechnungshofs wertete das AMS die Auswirkungen der Bildungskarenz auf Arbeitsmarktstatus und Einkommenssituation aus. Dabei wurde festgestellt, dass im Schnitt 78 % der Beziehenden drei Jahre danach in Beschäftigung waren und 53 % ein höheres Einkommen erzielten. Da aber zwei Drittel der Beziehenden ein Jahr nach der Bildungskarenz ihr Einkommen nicht verbessert hatten, gibt der Rechnungshof zu bedenken, dass der Ausstieg aus der Arbeitstätigkeit ungünstige Effekte auf die Arbeitsmarktposition der Betroffenen haben kann.

Die Bildungskarenz wurde vergleichsweise stärker von Personen mit bereits hohem Bildungsniveau in Anspruch genommen, wie im Bericht festgehalten wird. Menschen mit geringerem Bildungsgrad konnten nur eingeschränkt angesprochen werden, um ihnen eine Aus- und Weiterbildung zu ermöglichen. Drei Viertel der Bezieher:innen von Weiterbildungsgeld im Jahr 2021 waren Frauen – deren Anzahl hatte sich seit 2010 verdreifacht. Ab 2017 wurde die Bildungskarenz zunehmend an die Elternkarenz angeschlossen und Kursanbieter warben verstärkt unter dem Slogan “Baby-Pause-Verlängern”, wie der Rechnungshof berichtet. Die Anzahl der Personen, die unmittelbar nach der Elternkarenz in Bildungskarenz ging, verzehnfachte sich innerhalb von nur vier Jahren. 99 % davon waren Frauen und 2021 kamen mehr als die Hälfte der Bezieher:innen unmittelbar aus der Elternkarenz. Unter Verweis auf die geringen Anforderungen an die Inhalte der Weiterbildung empfiehlt der Rechnungshof, eine ambitionierte Weiterbildungsverpflichtung gesetzlich festzulegen und von den Bezieher:innen Teilnahmebestätigungen der absolvierten Kurse einzufordern.

Die Bildungsteilzeit erwies sich mit Ausgaben von circa 24 Mio. € im Jahr 2021 sowohl als das deutlich kostengünstigere als auch effektivere Instrument. Unter den Beziehenden war die Beschäftigungsquote nach der Bildungsteilzeit tendenziell höher als bei der Bildungskarenz und auch die Einkommensentwicklung fiel günstiger aus – 66 % der Beziehenden verdienten drei Jahre nach der Bildungsteilzeit mehr als davor. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2019 bis Mitte 2022.

KOCHER, KRAKER UND KOPF EINIG ÜBER HANDLUNGSBEDARF

Im Ausschuss betonte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker, dass sich die Zielsetzung der Bildungskarenz nicht in der konkreten Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen manifestiere. Der Nutzen des “teuren Instruments” müsse gewährleistet werden.

Für Arbeitsminister Martin Kocher war vieles im Bericht “keine Überraschung” und es werde mit den Sozialpartnern bereits an Reformschritten gearbeitet, wie er gegenüber den Abgeordneten darlegte. Diese gingen etwa in Richtung stärkerer Verpflichtungen, einer Erhöhung der Semesterwochenstundenzahl und vermehrter Prüfungen, gab er Gerald Loacker (NEOS) Auskunft. Zudem werde überlegt, den unmittelbaren Anschluss der Bildungs- an die Elternkarenz zu erschweren und bildungsferne Schichten besser anzusprechen. Eine von Markus Koza (Grüne) angesprochene Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) zur Bildungskarenz, die zu anderen Ergebnissen als der Rechnungshof komme, weist laut Kocher ebenfalls nur einen “ganz geringen” positiven Effekt auf die Einkommenssituation der Bezieher:innen nach. Eine “hohe Dynamik” sei hingegen bei den Kosten zu verzeichnen, antwortete Kocher Lukas Brandweiner (ÖVP). Im laufenden Jahr würde man inklusive aller Versicherungsleistungen bereits mit 650 Mio. € an Ausgaben rechnen. Brandweiner interessierte sich auch für die Branchen, die bei der Bildungskarenz “besonders herausstechen”. Bei den Frauen sei dies der Gesundheitsbereich, während bei den Männern der Produktionssektor dominiere, berichtete Kocher. Insgesamt sei die Bildungskarenz für ihn ein “gutes Instrument mit großem Reformbedarf”.

AMS-Vorstandvorsitzender Johannes Kopf erklärte die niedrigen Anforderungen bei der Bildungskarenz mit ihrem Ursprung in der Wirtschaftskrise um 2009. Sie sei damals “ein bisschen als Sozialplan” im Zusammenhang mit Auflösungen von Arbeitsverhältnissen angedacht gewesen, wie er gegenüber Loaker und Brandweiner ausführte. Zudem stamme das Instrument ebenso wie die Altersteilzeit aus einer Phase, in der eher zu viele Personen am Arbeitsmarkt vorhanden waren. Mittels einer leicht zugänglichen Bildungskarenz sollten diese quasi vom Arbeitsmarkt genommen werden. In den gegenwärtigen Zeiten des Fachkräftemangels sieht es Kopf als gerechtfertigt an, das Instrument auch wieder einzuschränken – vor allem in Hinblick auf die Kosten. Es sei auch unklar, inwieweit die in der Bildungskarenz erworbenen Kenntnisse danach Verwendung finden würden, wie Kopf Abgeordneter Karin Greiner (SPÖ) antwortete. Belastbare Daten darüber, wie viele Bezieher:innen nach der Karenz den Beruf wechseln, gebe es nicht, erfuhr Eva Blimlinger (Grüne).

FPÖ-Mandatar Alois Kainz erfragte von der Leiterin der internen Revision des AMS, Eva Weiszgerber, dass es bereits Maßnahmen gebe, um Missbrauch zu verhindern. So kontrolliere das AMS etwa die Anmeldebestätigungen und werde im Verdachtsfall prüfend tätig. Inzwischen gebe es auch eine bundesweite Vereinheitlichung bei den vorzuweisenden Unterlagen, so Weiszgerber. (Fortsetzung Rechnungshofausschuss) wit

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