Neues Buch „Armut in der Krisengesellschaft“: Krisen machen Lücken umso schmerzhafter sichtbar

Sozialwissenschafter/innen legen eine erste komprimierte Analyse der letzten Krisenjahre von Pandemie bis Teuerung vor

Gesundheitskrise, Teuerungskrise, Klimakrise. Welche Auswirkungen haben die Vielfachkrisen auf die Armut und die Menschen, die von Armut betroffen sind? Diese Frage leitet die Beiträge im neuen Buch „Armut in der Krisengesellschaft“, das heute im Löcker Verlag erschienen ist. Die Sozialwissenschafter Nikolaus Dimmel, Karin Heitzmann, Martin Schenk und Christine Stelzer-Orthofer legen hier eine erste komprimierte Analyse der letzten Krisenjahre von Pandemie bis Teuerung vor.

FEHLENTWICKLUNGEN IN KRISEN SCHMERZHAFT SICHTBAR

„Aus den zahlreichen empirischen Studien zu den Krisenjahren lernen wir zweierlei“, erläutert die Sozioökonomin Karin Heitzmann, Wirtschaftsuniversität Wien. „Erstens: Krisen erhöhen tendenziell die Zahl der von Armut betroffenen Menschen. Dies gilt umso mehr in Zeiten von Polykrisen.“. Folgerichtig ist der europäische Indikator für Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung in Österreich zwischen 2018/19 und 2022/23 von 16,5% auf 17,7% gestiegen.“ Zweitens treffen die negativen Auswirkungen dieser Krisen vor allem jene Bevölkerungsgruppen, die ohnehin häufig von Armut bedroht sind, und verschärfen deren prekäre Situation.“ Dies zeigt sich auch daran, dass sich die klassischen Armutsrisikogruppen kaum verändert haben. Die höchsten Armutsgefährdungs- und Deprivationsrisiken weisen nach wie vor Arbeitslose, Niedrigeinkommensbezieher:innen, Alleinerziehende oder Großfamilien auf. „In Krisenzeiten werden daher auch die Versäumnisse und Fehlentwicklungen der Vergangenheit umso schmerzhafter sichtbar – auch für diejenigen, die nun neu von Armut und Ausgrenzung betroffen sind“, so Heitzmann.

ZU HOHE MIETEN (ER)DROSSELN SPIELRAUM UND NACHFRAGE DER HAUSHALTE

„Von einer Überbelastung durch Wohnkosten spricht man, wenn diese mehr als 40% des verfügbaren Haushaltnettoeinkommens ausmachen“. Nikolaus Dimmel , Jurist und Soziologe an der Universität Salzburg, hat sich die Wohnsituation genauer angesehen. „10% aller Haushalte sind davon betroffen. Innerhalb der Gruppe armutsgefährdeter Haushalte waren es 2022 44%; für 2023 wurde der entsprechende Wert mit 38% angegeben.“ 2020-2023 wurden die Kategoriemieten um 100% und die frei vereinbarten Mieten um 150% des Anstiegs der Tariflöhne, angehoben. Die Mieten zogen also den Löhnen um bis zum Doppelten davon. Zwischen 2008 und 2021 ist die Wirtschaft um knapp 37% gewachsen, im gleichen Zeitraum haben sich die Mieteinnahmen beinahe verdreifacht. „Hohe Mieteinnahmen aber (er)drosseln die Nachfrage der Haushalte nach Gütern und Dienstleistungen und sind mit-ursächlich für die Stagflation“, so Dimmel. „Mehr als 80% der Mieteinnahmen fließen in das oberste Dezil.“ Maßnahmen für leistbares Wohnen sind zentraler Bestandteil von Armutsbekämpfung und Vermeidung. „Das Dach über dem Kopf muss leistbar bleiben“.

SCHWÄCHEN IM ÖSTERR SOZIALSTAATSMODELL ÜBERWINDEN: GESUNDHEIT UND BILDUNG
„Einen der höchsten Impacts in Armutsbekämpfung und -vermeidung haben Investitionen in Gesundheit und Bildung“, führt Martin Schenk , Sozialexperte der Diakonie und Mitbegründer der Armutskonferenz, aus. „Hier entstehen neben dem Effekt geringerer Armut auch weitere sozioökonomische Win-win-Situationen zwischen Einkommen, Arbeitsplätzen, Vereinbarkeit Beruf & Familie und konjunkturellen Impulsen. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten von Schulabbruch betragen für Österreich bspw. 1,1 Mrd Euro im Jahr. Investitionen zahlen sich aus.“

Martin Schenk (0664/5445554)

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