67. Wiener Gemeinderat (1)

Der 67. Wiener Gemeinderat hat heute, Freitag, um 9 Uhr im Rathaus mit einer Gedenkminute für den ehemaligen Gemeinderat Erik Hanke sowie den ehemaligen Gemeinderat und Bundesminister Erwin Lanc (beide SPÖ) begonnen.

Nach dem Gedenken wurde die Sitzung fortgesetzt. Debattiert wurde auf Verlangen des Grünen Klubs im Rathaus zum Thema „Von Photovoltaik bis Lobau – der Bundesregierung ist der Klimaschutz egal. Wien braucht jetzt Mut für eigene Maßnahmen, um die selbst gesteckten Ziele des Wiener Klimafahrplanes nicht zu verfehlen.“ Wie bei jeder Sitzung auf Verlangen entfielen Fragestunde und Aktuelle Stunde.

Zur Begründung der Einberufung der Sitzung trat StR Peter Kraus, BSc (GRÜNE) vor den Gemeinderat. Die Auswirkungen der Klimakrise seien im Vorjahr mit 53 Tropennächten in der Inneren Stadt deutlich spürbar; außerdem befürchte er auf Bundesebene „einen Kahlschlag“ im Bereich des Klimaschutzes. Es sei in den beiden vergangenen Jahren gelungen, mit der Senkung der klimaschädlichen Emissionen eine Trendwende einzuleiten. Auf Bundesebene werde nun aber der Rückwärtsgang eingelegt, etwa mit der Auflösung des Klimaschutzministeriums. Viele Klima-Agenden seien jetzt zur ÖVP gewandert, die in den letzten Jahren als „Blockiererin“ aufgetreten sei. „Bei den klimafreundlichen Maßnahmen den Sparstift anzusetzen, ist der falsche Weg“, sagte Kraus. Die Förderungen für Kesseltausch, Stromspeicher, thermische Gebäudesanierung oder die aktive Mobilität würden jedoch auf null gestellt. Der Bau der Lobau-Autobahn sei wieder auf die Agenda der Bundesregierung gerückt – „die Lobau-Autobahn ist die schlechteste aller Alternativen“. Die notwendige Fläche an Versiegelung für den Lobau-Tunnel sei so groß wie der gesamte 15. Bezirk, die Kosten würden bis zu 6 Milliarden Euro betragen; insgesamt sei das „ein aus der Zeit gefallenes Projekt“. Statt die Lobau-Autobahn zu bauen, möge diese begraben bleiben, so Kraus‘ Wunsch. „Dass in Zeiten der Budgetkrise 6 Milliarden Euro unter einem Naturschutzgebiet vergraben werden, ist den Menschen nicht erklärbar“, meinte Kraus. Eine aktuelle Umfrage zeige, dass 60 Prozent der SPÖ-Wähler*innen diesen Straßenbau nicht für zeitgemäß halten und 71 Prozent statt der Lobau-Autobahn lieber Investitionen in Arbeit, Wohnen und Bildung sehen würden. Kraus kündigte Anträge zur Lobau-Autobahn, aber auch zu Sanierungen im Wohnbau an. Etwa für die Gemeindebauten, wo die Versorgung mit erneuerbarer Energie nicht vorankomme. Auf insgesamt 1.670 Gemeindebauten in Wien seien nur 19 PV-Anlagen angebracht. Die Hitze in der Stadt sei eine weitere Auswirkung der Klimakrise, so Kraus. Das beste Instrument gegen die Auswirkungen der Hitze sei der Baum. Eine Studie zeige, dass für eine klimaresistente Stadt 30 Prozent an Überschattung nötig sei, Wien habe derzeit einen Grad von 15 Prozent Überschattung. Deswegen brauche es 100.000 neue Bäume für Wien, die als Hitzeschutzschild dienen sollen, „das wäre eine Verdopplung der derzeit 98.000 Straßenbäume“, sagte Kraus. All diese Maßnahmen seien umso dringender, da viele Bundesförderungen wegfallen würden. „Kürzen Sie nicht beim Klimaschutz, denn damit kürzen Sie bei der Lebensqualität der Wienerinnen und Wiener“, sagte Kraus in Richtung der drei Regierungsparteien im Bund. „Klimaschutz wird nicht fürs Klima gemacht, sondern für die Menschen. Klimaschutz ist immer Menschenschutz in einer lebenswerten Stadt“, schloss Kraus.

GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc (FPÖ) warf den Grünen „Heuchelei“ in der Klimadebatte vor. Es sei seine Hoffnung gewesen, dass die Grün-Partei sich von der Ideologie der letzten Jahre in der Regierung abwenden und den „Bürgern wieder zuhören“ werde. Die Grünen seien wegen der verfehlten Budgetpolitik und „Misswirtschaft“ der letzten Bundesregierung eigentlich schuld an der Einstellung von klimawirksamen Förderungen. „Außerdem haben Sie mit dem Budget der Bevölkerung eine Hypothek für die Zukunft mitgegeben“, meinte Guggenbichler. Die Beschwerden, dass es zu wenige PV-Anlagen auf Gemeindebauten gebe, sei auch die Schuld der Grünen, da diese 2011 gegen einen entsprechenden FPÖ-Antrag im Gemeinderat gestimmt hätten. Auch die Finanzierung und Planung der Stadtstraße – ein Zubringer zur geplanten Nordostumfahrung – im 22. Bezirk sei mit der Zustimmung der Grünen im Rathaus erfolgt. Obendrein habe eine ehemalige Stadträtin der Grünen gesagt, dass die Bebauung der Seestadt Aspern von der Anbindung an die Stadtstraße abhängig sei und nicht im Widerspruch zum gewünschten „Modal Split“ stehe. Guggenbichler warf den Grünen in diesem Zusammenhang „Geschichtsvergessenheit“ vor. Die Stadtstraße sei ein „wichtiges Projekt“; Guggenbichler verlangte, dass sich die Grünen zu diesem Projekt bekennen sollen.

GRin Dipl.-Ing. Selma Arapovic (NEOS) vermutete, der Grund für die Themenwahl der heutigen Sitzungen sei wohl der derzeit herrschende Wahlkampf. Dass der Klimaschutz den Grünen doch nicht so wichtig sei, zeige, dass diese dem kürzlich beschlossenen Wiener Klimagesetz nicht zugestimmt hatten. Mit den NEOS in der Wiener Stadtregierung seien zahlreiche Reformen und Baustellen „wirksam angegangen“ worden, etwa im Bildungsbereich. Von den Grünen habe es nur Symbolpolitik und Ankündigungen gegeben. Die Wirksamkeit und die Umsetzung habe gefehlt, meinte Arapovic. Die NEOS hätten aber „geliefert“. So sei bereits die „größte“ PV-Initiative in Wien umgesetzt worden oder baulich getrennte Radwege geschaffen worden, „statt aufgepinselten Fahrstreifen am Straßenrand“. Kurz vor der Wahl hätten die Grünen nun nach Jahren des Wegschauens das Thema Bildung für sich entdeckt – „das wirkt bemüht, aber nicht glaubwürdig“. Nach fünf Jahren NEOS-Beteiligung in der Stadtregierung sei Wien „grüner“ geworden – „wir reden nicht von Fortschritt, wir machen ihn“.

GR Dr. Josef Mantl, MA (ÖVP) versuchte, die Sichtweise der Volkspartei zum Klimathema darzulegen. Seine Partei setze sich für eine klimagerechte Stadt ein, das aber nicht auf Kosten der Wirtschaft und der Menschen in Wien. Darum setze er auf Technologie und Innovationen, auf praktische Lösungen statt Verboten, so Mantl. Es sei ein „Fehlurteil“, dass der Klimaschutz der neuen Bundesregierung egal sei. Aber angesichts der aktuellen Budgetlage würden viele Politikfelder evaluiert werden, auch jene des Klimaschutzes. Im Regierungsprogramm sei festgelegt worden, dass der Klimaschutz etwa bei der öffentlichen Beschaffung umgesetzt werde. Der Lobau-Tunnel sei das letzte fehlende Element der Nordostumfahrung der Stadt für den Schwerverkehr, eine weitere Verzögerung sei für die Menschen in der Seestadt unzumutbar, meinte Mantl. Der Bau des Tunnels würde in Wien mehr als 9.000 Arbeitsplätze schaffen und eine knappe Milliarde Euro zum Regionalprodukt beitragen. Gegen die Sommerhitze in der Stadt setze sich die ÖVP etwa für Rankgerüste an Gebäuden, hängende Gärten oder Grünflächen statt Poller ein. Die landwirtschaftlichen Betriebe und Flächen in der Stadt müssten besser geschützt werden, es brauche konkrete Maßnahmen auch zur Absicherung der Lebensmittelsicherheit, verlangte Mantl. Eine weitere Forderung: Die Schaffung von „funktionalen Kunstobjekten“, die so Umweltschutz, Innovation und Kreativität verbinden würden. Die Wiener Stadtverwaltung müsse Betrieben jenen Freiraum geben, um innovative Geschäftsmodelle entwickeln zu können. Auch leerstehende Flächen und Räume in der Stadt sollten beispielsweise für urbane Märkte oder Kühlräume genutzt werden, das würde für mehr Jobs und für ein besseres Klima in der Stadt sorgen. „Mein Appell: Setzen wir in Wien auf Green Tech, Green Economy und Green Jobs – das war und ist mir ein Herzensanliegen“, schloss Mantl. (Forts.) nic

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