Diagnosecodierung: Ausweitung auf den niedergelassenen Bereich ab Mitte 2026

Löschfrist für ELGA-Daten auf 30 Jahre ausgedehnt, Preisbandregelung für Arzneimittel verlängert

Zu einer Verzögerung kommt es bei einer weiteren Materie aus dem Gesundheitsbereich, nämlich bei der Umsetzung einer einheitlichen Diagnose- und Leistungsdokumentation. Nach dem stationären Sektor müssen – mit über eineinhalb Jahren Verspätung – nunmehr auch alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, Gruppenpraxen, Primärversorgungseinheiten sowie Ambulatorien eine einheitliche Dokumentation in Form von sogenannten ICD-10-Codes durchführen. Da zunächst ein sechs Monate langer Pilotbetrieb vorgesehen ist, tritt die vollumfängliche Pflicht zur Datenmeldung erst ab dem dritten Quartal 2026 in Kraft. Die Regierungsvorlage wurde heute mit ÖVP-SPÖ-NEOS-Mehrheit im Nationalrat beschlossen; ein dazu eingebrachter Abänderungsantrag der Grünen blieb in der Minderheit.

Die Diagnosecodierung sei ein wichtiges Werkzeug für die Planung und Steuerung im Gesundheitswesen, betonte Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig. Sie trage dazu bei, Versorgungsschwerpunkte zu erkennen, Leistungen besser zu verteilen und Versorgungslücken zu schließen. Gleichzeitig sei die Datensicherheit umfassend gewährleistet.

LÖSCHFRIST VON ELGA-GESUNDHEITSDATEN VON ZEHN AUF 30 JAHRE VERLÄNGERT

Zustimmung von allen Parteien gab es zu einer von ÖVP, SPÖ, NEOS und FPÖ eingebrachten Initiative, die eine Ausdehnung der Löschfrist von ELGA-Gesundheitsdaten von zehn auf 30 Jahre mit sich bringt.

Mit ÖVP-SPÖ-NEOS-Mehrheit wurden schließlich noch Änderungen im ASVG beschlossen, die unter anderem die Festlegung eines Preisbandes für wirkstoffgleiche Arzneispezialitäten für die Jahre 2027 und 2029 sowie die Verlängerung von Regelungen im Bereich der Generika und Biosimilars umfassten.

Über alle Fraktionen hinweg bestand auch Konsens darüber, dass die bilaterale grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Rettungswesen weiter ausgebaut werden soll. Die Abgeordneten sprachen sich daher einstimmig für eine Entschließung aus, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, weitere bilaterale Staatsverträge über den grenzüberschreitenden Rettungsdienst abzuschließen. Solche Abkommen bestehen bereits mit Tschechien, der Slowakei und Ungarn.

AUSWEITUNG DER DIAGNOSE- UND LEISTUNGSCODIERUNG AUF DEN AMBULANTEN BEREICH AB MITTE 2026

Im Zuge der im Jahr 2023 eingeleiteten Gesundheitsreform haben sich Länder und Sozialversicherung auf die Einführung einer verpflichtenden und bundesweit einheitlichen Diagnosecodierung verständigt. Durch die Zuordnung von Diagnosen und medizinischen Leistungen auf einheitliche Schlüssel („Internationale Klassifikation der Krankheiten“ der WHO, ICD-10-Codes) soll nicht nur die Behandlungssicherheit erhöht, sondern auch die Kommunikation zwischen den einzelnen Gesundheitsdienstleistern erleichtert werden, wird in den Erläuterungen der Regierungsvorlage hervorgehoben.

Nach dem stationären Bereich wird nun auch der ambulante Sektor ab dem dritten Quartal 2026 (Meldung bis 30. November 2026) dazu verpflichtet, eine codierte Diagnose- und Leistungsdokumentation durchzuführen und die Daten an die jeweiligen Krankenversicherungsträger zu übermitteln. Es wird explizit darauf hingewiesen, dass Leistungserbringerinnen bzw. -erbringer nur dann Daten an die Sozialversicherung zu übermitteln haben, wenn für sie auch gemäß Ärztegesetz eine Pflicht zur Nutzung der E-Card-Infrastruktur besteht. Wahlärztinnen und -ärzte mit weniger als 300 verschiedenen Patientinnen bzw. Patienten pro Jahr sind damit ausgenommen.

VIER-PARTEIEN-ANTRAG: ELGA-DATEN SOLLEN ERST NACH 30 JAHREN GELÖSCHT WERDEN

Da sich aus medizinischer und versorgungstechnischer Sicht die bestehende Löschfrist der ELGA-Gesundheitsdaten von zehn Jahren insbesondere im Hinblick auf chronische, seltene oder komplexe Erkrankungen als zu kurz erwiesen habe, traten SPÖ, FPÖ, ÖVP und NEOS in einer gemeinsamen Gesetzesinitiative für eine Verlängerung auf 30 Jahre ein. Im Dezember 2015 seien die ersten elektronischen Befunde in ELGA gespeichert worden, weshalb diese aufgrund der geltenden Rechtslage ab Dezember 2025 laufend gelöscht würden.

PREISREGULIERUNG FÜR MEDIKAMENTE

Eine von der Regierung vorgeschlagene ASVG-Novelle sieht weiters vor, auch in den Jahren 2027 bis 2029 ein Preisband für wirkstoffgleiche Arzneispezialitäten festzusetzen. Außerdem soll die Regelung zur Preisbildung von Generika und Biosimilars verlängert werden.

FPÖ ÜBT KRITIK AM „SCHNELLSCHUSS“ BEI DER DIAGNOSECODIERUNG UND WARNT VOR EINSCHRÄNKUNGEN BEI DER ARZNEIMITTELVERSORGUNG

Gerhard Kaniak (FPÖ) bemängelte, dass die Regierungsfraktionen auf die von einigen Seiten geäußerte inhaltliche Kritik bezüglich der Umsetzung der Diagnosecodierung überhaupt nicht eingegangen seien und nur zwei kleine Änderungen vorgenommen haben. Die Bevölkerung müsse wissen, dass in Hinkunft jede niedergelassene Ärztin bzw. jeder Arzt die Diagnosecodierung mit der Leistungsabrechnung unverschlüsselt und nicht anonymisiert an die Sozialversicherung weiterschicken müsse. Was gehe es aber die Sozialversicherung an, wenn man vielleicht eine Hautkrebsdiagnose erhalten habe, hinterfragte er das Vorhaben. Anders als bei sonstigen ELGA-Daten gebe es keine Möglichkeit, einen Einspruch dagegen einzulegen. Viele offene Fragen bestünden auch noch hinsichtlich der ICD-10-Codes, die etwa Verdachtsdiagnosen nicht umfassen würden. Zu befürchten sei zudem, dass in spätestens zwei Jahren mit der Einführung des Europäischen Gesundheitsdatenraums wieder alles geändert werden müsse, gab Kaniak zu bedenken. Auch beim Thema ELGA handle es sich seiner Meinung nach um eine „Notreparatur“, die man hätte vermeiden können.

Äußerst unzufrieden zeigte er sich mit Preisbandregelung, da sie negative Auswirkungen auf den Pharmastandort und die Arzneimittelversorgung haben werde. Es würden nämlich Niedrigstpreise festgeschrieben, die von österreichischen oder europäischen Anbietern nicht erfüllt werden können. Die Bestimmung werde im Gegenteil dazu führen, dass Produkte vom Markt genommen und nicht mehr für die Therapien zur Verfügung stehen werden. Dabei rede man nicht von ein paar Produkten, sondern von rund der Hälfte der Arzneimittel, warnte Kaniak. Zusätzlich werde die österreichische Vertriebskette geschwächt.

Auch Michael Schilchegger (FPÖ) führte datenschutzrechtliche Bedenken im Zusammenhang mit der Diagnosecodierung ins Treffen. Daten, die an die Sozialversicherung übermittelt werden, könnten seiner Ansicht nach sehr wohl einzelnen Personen zugeordnet werden.

SPÖ: DIAGNOSECODIERUNG LIEFERT WICHTIGE DATEN FÜR DIE GESUNDHEITSSTATISTIK

Bei der Diagnosecodierung gehe es um ein Statistik-Tool, das die Datenlage im Gesundheitswesen deutlich verbessern werde, zeigte sich Rudolf Silvan (SPÖ) überzeugt. Da die Daten pseudonymisiert übermittelt werden, können auch keine Rückschlüsse auf einzelne Personen gemacht werden. Interessant sei es aber zu wissen, ob es bei Krankheiten ein Ost-West-Gefälle gebe oder ob mehr Frauen oder Männer von einzelnen Diagnosen betroffen seien. In der Folge könnten dann die Mittel gezielter eingesetzt werden. Derzeit sei Österreich „leider etwas im Blindflug“ unterwegs, gab er zu bedenken.

Die Preisband-Regelungen bei Arzneimitteln zielten darauf ab, leistbare Preise bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit sicherzustellen, erläuterte Petra Tanzler (SPÖ). Die regelmäßige Anpassung an Durchschnittspreise sowie die Bestimmungen für Generika sorgen für eine Kostendämpfung, während eine medizinische Evaluierung die Qualität und den therapeutischen Nutzen der Medikamente sicherstellt.

ÖVP: DIGITALISIERUNG TRÄGT ZUM ABBAU VON BARRIEREN UND ZUR VERBESSERUNG DER BEHANDLUNGSQUALITÄT BEI

Die Digitalisierung könne Barrieren abbauen und das Leben von Menschen mit Einschränkungen erleichtern, urteilte Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP). Ein Beispiel dafür sei die heutige Rede des Abgeordneten Klaus Fürlinger mit KI-generierter Stimme im Parlament gewesen. Positiv in diesem Sinne sei auch die Verlängerung der ELGA-Speicherfrist von zehn auf 30 Jahre zu sehen, weil damit vor allem chronisch kranke Menschen über einen sehr langen Zeitraum auf ihre Daten zugreifen können.

NEOS: POSITIVE EFFEKTE DURCH VERLÄNGERUNG DES PREISBANDES UND DIE DIAGNOSECODIERUNG

Seine Fraktion habe sich sehr stark dafür eingesetzt, in der Frage des Preisbandes bei Arzneimitteln zu einer Nachfolgeregelung zu kommen, erklärte Christoph Pramhofer (NEOS). Was die Diagnosecodierung betreffe, die in den meisten europäischen Ländern bereits Standard sei. So ziehe Österreich damit nur nach. Bis dato sei man im „Blindflug unterwegs“, was die Datenlage im Gesundheitswesen angeht.

Seine Fraktionskollegin Ines Holzegger hob in Bezug auf ELGA den persönlichen Nutzen für die Patientinnen und Patienten hervor, die nicht mehr ihre Befunde oder Röntgenbilder herumtragen müssten. Es sei daher zu begrüßen, dass die Löschfrist auf 30 Jahre ausgeweitet werde.

GRÜNE WERFEN DER REGIERUNG EIN NACHGEBEN GEGENÜBER LOBBYS UND ÄRZTEKAMMER VOR

Nachdem gestern die Regierung „vor der Nikotin-Lobby in die Knie gegangen sei“, sehe man heute ein ähnliches Verhalten gegenüber der Pharmalobby und der Ärztekammer, konstatierte Ralph Schallmeiner (Grüne). So bemängelte er, dass die Verlängerung des Preisbandes um vier Jahre von keinen zusätzlichen Ausgleichsmaßnahmen für die Sozialversicherung begleitet werde. Auch bei der Diagnosecodierung, die „grundsätzlich sehr sinnvoll“ sei, werde man nicht zustimmen, kündigte Schallmeiner an, da es nicht nur zu einer Verzögerung bei der Umsetzung komme, sondern auch Ausnahmen für Wahlärztinnen und -ärzte geschaffen wurden, die weniger als 300 Patientinnen und Patienten haben. In einem von ihm im Laufe der Sitzung eingebrachten Abänderungsantrag, der jedoch keine Mehrheit fand, forderte er eine Abschaffung dieser Ausnahme.

KÖNIGSBERGER-LUDWIG: GESUNDHEITSWESEN KANN NUR AUF BASIS VON VERLÄSSLICHEN GRUNDLAGEN GESTEUERT WERDEN

Alle drei zur Debatte stehenden Maßnahmen würden einen zentralen Beitrag zur Modernisierung und gerechteren Gestaltung des Gesundheitssystems leisten, hob Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig hervor. Gerade im Bereich der Digitalisierung und der Datenlage brauche es große Schritte nach vorne, die längst überfällig seien. Sie sei auch sicher, dass Daten in der Gesundheitspolitik eine immer wichtigere Rolle spielen würden. In Hinkunft werde erstmals in den heimischen Arztpraxen systematisch erfasst, welche Diagnosen gestellt werden. Dabei sei die Datensicherheit umfassend gewährleistet, weil die Herstellung eines „Personenbezugs untersagt“ sei. Die Diagnosecodierung werde helfen, Versorgungsschwerpunkte zu erkennen, Leistungen besser zu verteilen und Versorgungslücken zu schließen. Positiv stufte die Staatsekretärin auch die Verlängerung der Speicherfrist von ELGA-Daten ein, weil davon vor allem chronisch kranke Menschen profitieren werden.

ABGEORDNETE FÜR AUSBAU DER GRENZÜBERSCHREITENDEN ZUSAMMENARBEIT IM RETTUNGSWESEN

FPÖ-Abgeordneter Christoph Steiner erklärte, Ziel des gemeinsamen Antrags sei es, für Patientinnen und Patienten in allen Grenzregionen eine rasche Notfallversorgung zu sichern. Steiner appellierte an die Bundesregierung, eine Vereinheitlichung des Rettungswesens in Österreich in Angriff zu nehmen. Noch immer gebe es unterschiedliche Standards der Bundesländer.

Mario Lindner (SPÖ) begrüßte das Vorhaben, Staatsverträge mit allen Nachbarländern abzuschließen. Allerdings müsse auch das Problem des Rettungswesens im Bundesländerdreieck Oberösterreich, Niederösterreich und Steiermark übergreifend gelöst werden. Aus seiner Sicht werde die steirische Landespolitik in dieser Frage schlecht beraten, führte Lindner aus. Auch Michael Seemayer (SPÖ) sprach sich für eine Ausweitung der Verträge im Rettungswesen aus. Seemayer forderte zudem eine umfassende Reform des Gesundheitssystems, da dieses nach einer misslungenen Kassenreform einer „schleichenden Privatisierung“ unterliege.

In medizinischen Notfällen könnten Minuten über Leben und Tod entscheiden. Staatsgrenzen und die Einhaltung von bürokratischen Regeln dürften daher bei der Notfallrettung nicht über die Rettung von Menschenleben gestellt werden, betonte Margreth Falkner (ÖVP). Martina Diesner-Wais (ÖVP) nannte das aus ihrer Sicht gut etablierte grenzüberschreitende Rettungswesen in Niederösterreich als Beispiel dafür, was mit entsprechenden Staatsverträge mit Nachbarländern bewirkt werden könne.

Dominik Oberhofer (NEOS) sprach von einem „großartigen paneuropäischen Projekt“, das im Rettungswesen umgesetzt werden solle. Auch darüber hinaus gebe es vorbildliche Modelle der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der medizinischen Versorgung. Als Beispiel nannte Oberhofer die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Geburtsklinik in Znaim.

Ralph Schallmeiner (Grüne) hob hervor, dass die österreichischen Nachbarländer bereits über einen professionalisierten Rettungsdienst mit gut ausgebildete Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter verfügen. Ein solches Rettungssystem würde er sich auch für Österreich wünschen. Dazu müsse allerdings das Sanitätergesetz entsprechend novelliert werden.

KÖNIGSBERGER-LUDWIG: RETTUNGSWESEN INS 21. JAHRHUNDERT BRINGEN

Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig dankte den Abgeordneten für die einstimmige Unterstützung, weil damit das Ziel verfolgt werde, die bestmögliche Notfallversorgung in allen Grenzregionen sicherzustellen. Die Verhandlungen über die notwendigen Staatsverträge seien bereits im Laufen. Königsberger-Ludwig sprach sich für eine umfassende Reorganisation des Rettungswesens aus, um es „ins 21. Jahrhundert zu bringen“. Dabei solle aber auch das Ehrenamt seinen Platz erhalten. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass eine Lösung noch in dieser Legislaturperiode möglich sein werde. (Fortsetzung Nationalrat) sue/sox

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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