Das Solidarprinzip auf dem Prüfstand: Warum Österreich jetzt handeln muss

Das neu ausgerichtete GPF als Plattform für faktenbasierte Zukunftsdebatten im österreichischen Sozial- und Gesundheitssystem

DAS ÖSTERREICHISCHE SOZIAL- UND GESUNDHEITSSYSTEM ZÄHLT ZU DEN STABILSTEN IN EUROPA – DOCH DIESES FUNDAMENT GERÄT ZUNEHMEND UNTER DRUCK. DEMOGRAFISCHE VERSCHIEBUNGEN, STEIGENDE AUSGABEN, EINE WACHSENDE KOMPLEXITÄT MEDIZINISCHER VERSORGUNG SOWIE DIE TIEFGREIFENDEN AUSWIRKUNGEN VON DIGITALISIERUNG UND KÜNSTLICHER INTELLIGENZ STELLEN DAS SOLIDARISCHE MODELL VOR NEUE HERAUSFORDERUNGEN. VOR DIESEM HINTERGRUND STARTET DAS GESUNDHEITSPOLITISCHE FORUM (GPF) DER KARL LANDSTEINER GESELLSCHAFT MIT EINER KLAREN INHALTLICHEN NEUAUSRICHTUNG IN SEINE NÄCHSTE PHASE.

Die Auftaktveranstaltung des neu ausgerichteten Gesundheitspolitischen Forums 2.0, die am vergangenen Montag im Josephinum stattfand, rückte eine zentrale Zukunftsfrage in den Mittelpunkt: Wie kann Österreich die Balance zwischen Solidarität, Finanzierbarkeit und Leistungsfähigkeit seines Systems langfristig sichern?

Mit dem neuen Format positioniert sich das GPF als Plattform für eine faktenbasierte, multidisziplinäre und lösungsorientierte Auseinandersetzung mit den zentralen Zukunftsfragen des Gesundheits- und Sozialsystems. Die Neuausrichtung bringt Akteur:innen aus Ökonomie, Versorgungspraxis, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft an einen Tisch und verbindet eine nüchterne Bestandsaufnahme mit konkreten Perspektiven für die Weiterentwicklung des Systems.

SOLIDARITÄT ALS POLITISCHER UND GESELLSCHAFTLICHER AUSGANGSPUNKT

Den inhaltlichen Rahmen der Diskussion setzte das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz mit Mag. Stefan Eichwalder, der das Gesundheitspolitische Forum 2.0 eröffnete. In seiner Eröffnungsrede betonte er die grundlegende Bedeutung solidarischer Strukturen: „Solidarität ist das Rückgrat unseres Sozial- und Gesundheitssystems. Sie muss aktiv geschützt und weiterentwickelt werden. Gesundheit, Pflege und soziale Sicherheit sind keine Kostenfaktoren, sondern zentrale Voraussetzungen für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.“

DEMOGRAFIE, ARBEITSMARKT UND FINANZIERUNG UNTER DRUCK

An diese Einordnung knüpfte Dr.in Ulrike Famira-Mühlberger, Senior Economist am Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), an und verwies auf die enge Verflechtung von demografischer und wirtschaftlicher Entwicklung: „Internationale Unsicherheiten – etwa mit Blick auf wirtschaftliche globale Entwicklungen – beeinflussen Investitionsentscheidungen und verunsichern den Arbeitsmarkt.“ Gleichzeitig stoße die Finanzierung des Systems, die stark auf Arbeitseinkommen beruhe, zunehmend an ihre Grenzen, während die Ausgaben weiter anstiegen.

DIGITALISIERUNG BRAUCHT INSTITUTIONELLE SOLIDARITÄT

Der digitale Wandel und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz wurden als ambivalente Treiber diskutiert. Univ.-Prof.in Dr.in Barbara Prainsack hält eine Professur für Vergleichende Politikfeldanalyse an der Universität Wien und betonte: „Berufsbilder verändern sich, manche Tätigkeiten verschwinden, neue entstehen. Entscheidend ist, die gerechte Verteilung der Produktionsgewinne – und, dass wir sowohl auf technologische Innovation als auch auf menschliche Fähigkeiten und Kompetenzen setzen.“ Solidarität müsse dabei institutionell abgesichert sein, damit technologische Entwicklungen allen zugutekämen und das Vertrauen in das System erhalten bleibe.

UNGLEICHHEIT SICHTBAR MACHEN – UND ABBAUEN

Wie sich soziale Ungleichheit konkret im Gesundheitssystem manifestiert, verdeutlichte Dr.in Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie Österreich, anhand von Beispielen aus der Praxis: „Innerhalb Wiens gibt es Unterschiede in der Lebenserwartung von bis zu sechs Jahren zwischen einkommensstarken und einkommensschwächeren Bezirken.“ Zugleich kritisierte sie die starke Trennung zwischen kurativ-medizinischer Behandlung und sozialer bzw. pflegerischer Sorgearbeit: „Jeder fünft kommt mit einem gesundheitlichen Problem zum Arzt bzw. zur Ärztin, hinter dem psychosoziale Themen wie Einsamkeit, Armut oder Probleme in der Familie oder am Arbeitsplatz stehen. Mit Social Prescribing und Primärversorgungszentren, in denen auch Therapeut:innen und Sozialarbeiter:innen arbeiten, hätten wir gute Werkzeuge für integrierte Versorgung. Diese Weiterentwicklung des solidarischen Gesundheitssystems schafft Sicherheit – soziale Sicherheit. Wenn diese fehlt, ziehen sich Menschen zunehmend aus demokratischen Prozessen zurück.“

PERSPEKTIVE DER JUNGEN GENERATION

Die Perspektive der jungen Generation brachte Dr.in Angela Kogler in die Diskussion ein. Sie sprach sich für eine umfassende Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen aus: „Das österreichische Gesundheitssystem braucht den Mut zur Veränderung, um langfristig leistungsfähig und solidarisch zu bleiben. Zentrale Hebel dabei sind eine starke und gut ausgebaute Primärversorgung als ersten Anlaufpunkt, der konsequente Ausbau von Prävention, sowie eine gezielte Förderung von jungen Auszubildenden im Gesundheitswesen.“ Zudem betonte sie die Bedeutung der Digitalisierung, um Versorgungsprozesse effizienter zu gestalten und Ressourcen gezielt einzusetzen. Nur durch dieses Zusammenspiel lasse sich die Versorgungsqualität nachhaltig sichern und gleichzeitig die Überlastung im System reduzieren.

GESUNDHEITSSYSTEM ALS GESELLSCHAFTLICHE ZUKUNFTSFRAGE

„Das Gesundheitspolitische Forum ist heute wichtiger denn je. Mannigfaltige Herausforderungen setzen unser Solidarsystem massiv unter Druck. Das neu ausgerichtete GPF schafft Raum für notwendige Debatten – mit Stimmen aus Praxis, Politik, Ökonomie, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.“ unterstrich Dr. Jan Oliver Huber, Leiter des Gesundheitspolitischen Forums der Karl Landsteiner Gesellschaft, die Bedeutung des neu ausgerichteten Forums. Es braucht klare und große Weichenstellungen für die Zukunft, um verlässliche Rahmenbedingungen für die nächste Generation zu schaffen.

Für das Gesundheitspolitische Forum der Karl Landsteiner
Gesellschaft:

FINE FACTS Health Communications GmbH
Isabella Huber
PR & Projektmanagement
M: +43 660 254 00 80
huber@finefacts.at

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