Parlament: TOP im Nationalrat am 20. April 2018

Datenschutz, Vergaberecht, Sicherheitspaket, Parteienförderung

Wien (PK) – Schwergewichtige Materien bietet noch die Plenarsitzung am Freitag. Der Innen- und der Justizausschuss haben das sogenannte Sicherheitspaket plenumsreif gemacht. Dazu kommt es neben umfangreichen Gesetzesänderungen zur Anpassung der EU-Datenschutz-Grundverordnung auch zu einer weiteren Reform des Vergaberechts. Die Parteienförderung soll 2018 nicht angehoben werden.

Die Sitzung beginnt um 9 Uhr.

Datenschutzpaket bringt Anpassungen an die EU-Datenschutz-Grundverordnung

Gleich am Vormittag steht das umfangreiche Datenschutzpaket auf der Tagesordnung. Neben einer Neuformulierung des Grundrechts auf Datenschutz, einer Konzentration der Datenschutzagenden beim Bund und einer Ausweitung des Zuständigkeitsbereichs der Datenschutzbehörde ist u.a. auch eine Anpassung von 120 Materiengesetzen an die ab 25. Mai geltende EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bzw. die neue Datenschutz-Richtlinie für die Bereiche Innere Sicherheit und Justiz vorgesehen.

Kritisch wird von der Opposition das so genannte Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018 beurteilt. Mit der von der Regierung vorgelegten Sammelnovelle werden mehr als 120 Gesetze, angefangen vom Bundesarchivgesetz bis zum Weingesetz, an die EU-Datenschutz-Grundverordnung bzw. an die neue EU-Datenschutz-Richtlinie für die Bereiche Innere Sicherheit und Justiz angepasst. Auch wenn die DSGVO unmittelbare Geltung erlangt, bedarf sie in vielen Bereichen der Durchführung in innerstaatliches Recht, heißt es dazu in den Erläuterungen. Vorgenommen werden in diesem Sinn etwa terminologische Anpassungen und Konkretisierungen. Außerdem werden Regelungsspielräume („Öffnungsklauseln“) genutzt. Ein neuer Datenverbund ist für den Schulbereich in Aussicht genommen.

Eine eigene Sammelnovelle liegt für den Bereich Wissenschaft und Forschung vor, mit der sich der Forschungsausschuss noch heute Montag befasst hat. Insgesamt werden 17 Gesetze an die EU-Vorgaben angepasst. Besondere Aufmerksamkeit erhielt zuletzt das Forschungsorganisationsgesetz, welches einen Rechtsrahmen für die Registerforschung und die Verwendung von „Big Data“ in der Forschung schaffen soll. Ab 2019 soll Forschungseinrichtungen, aber auch Einzelpersonen unter bestimmten Auflagen der Zugriff auf öffentliche Datenbanken ermöglicht werden. Dazu sollen laut Regierungsvorlage auch Daten der elektronischen Gesundheitsakte ELGA gehören. Die Opposition ortet hier Mängel, die vor allem die ausreichende Interessensabwägung zwischen Schutz der persönlichen Daten und den Interessen der Forschung betreffen. Der Wissenschaftsminister hingegen zeigte sich im Ausschuss überzeugt davon, dass dies in einer legistisch sauberen Weise gelungen sei. Das Gesetz schafft seiner Meinung nach Rechtssicherheit für eine legitime Verwendung personenbezogener Daten im Interesse der Wissenschaft und Forschung.

Weniger umstritten ist das so genannte Datenschutz-Deregulierungsgesetz. Schon im vergangenen Jahr wollte die damalige rot-schwarze Koalition die Datenschutzagenden beim Bund konzentrieren und das verfassungsrechtlich abgesicherte Grundrecht auf Datenschutz neu formulieren. Da die notwendige Zweidrittelmehrheit fraglich schien, wurde das Vorhaben allerdings kurzfristig abgeblasen und im Parlament lediglich eine abgespeckte Novelle zum Datenschutzgesetz beschlossen, um dieses in Einklang mit den neuen EU-Vorgaben zu bringen. Nun wurden die ursprünglichen Pläne auf Basis eines gemeinsamen Antrags von SPÖ, ÖVP und FPÖ wieder aufgegriffen. Die Opposition fordert allerdings noch Nachbesserungen und spricht sich insbesondere für ein Verbandsklagerecht aus.

Gemäß den Bestimmungen des Drei-Parteien-Antrags wird künftig ausschließlich der Bund für allgemeine Angelegenheiten des Datenschutzes zuständig sein. Die Kompetenz der Länder für den Schutz manueller personenbezogener Dateien entfällt. Außerdem wird das verfassungsrechtlich abgesicherte Grundrecht auf Datenschutz neu und verständlicher formuliert. Am bestehenden Schutzniveau ändert sich nichts. In Anlehnung an die DSGVO sind allerdings nur noch natürliche Personen – und keine juristischen – vom Grundrecht umfasst.

Wie bisher werden Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz, das unter anderem Auskunfts- und Löschungsrechte umfasst, nur unter engen Voraussetzungen möglich sein. Etwa bei ausdrücklicher Einwilligung des Betroffenen, bei berechtigtem Interesse eines anderen oder wenn öffentliches Interesse vorliegt. Wann letzteres genau der Fall ist, muss – in den jeweiligen Materiengesetzen – gesetzlich geregelt sein. Außerdem gilt stets der Grundsatz, dass Grundrechtsbeschränkungen verhältnismäßig sein müssen und auf das notwendige Maß zu beschränken sind (Datenminimierung).

Neu eingefügt in das Datenschutzgesetz wird eine Bestimmung, die das Auskunftsrecht von BürgerInnen gegenüber der öffentlichen Verwaltung begrenzt, wenn dadurch die Erfüllung gesetzlich übertragener Aufgaben gefährdet ist. Außerdem werden einige weitere Klarstellungen, etwa in Zusammenhang mit Systemen zum Abgleich verarbeiteter Bilddaten, vorgenommen. Ein strafbarer Datenschutz-Tatbestand, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erfolgt ist, ist dem Drei-Parteien-Antrag zufolge nach der für den Täter günstigeren Rechtslage zu beurteilen.

Neu ist darüber hinaus die Ausweitung der Zuständigkeit der Datenschutzbehörde auf den Bereich der Parlamentsverwaltung sowie auf Verwaltungsangelegenheiten des Rechnungshofs, der Volksanwaltschaft und des Verwaltungsgerichtshofs. Damit wird der Datenschutzbehörde eine nachprüfende Kontrolle von Entscheidungen des Nationalratspräsidenten sowie der anderen genannten Institutionen in Datenschutzangelegenheiten ermöglicht. Bisher war diese Kontrollmöglichkeit auf die obersten Organe der Vollziehung -Bundespräsident, MinisterInnen und Mitglieder der Landesregierungen -beschränkt.

Weiterhin nicht zuständig ist die Datenschutzbehörde für den Bereich der Gesetzgebung. Auch die Datenschutz-Grundverordnung gilt hierfür nicht. Bei einschlägigen Datenverarbeitungen ist aber jedenfalls das Grundrecht auf Datenschutz zu berücksichtigen, wie in einer mehrheitlich gefassten Ausschussfeststellung ausdrücklich festgehalten wird. Das betrifft auch die Tätigkeit parlamentarischer MitarbeiterInnen und Klubs, wenn diese die Mitglieder des Nationalrats und des Bundesrats bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen.

Ergänzt bzw. adaptiert wurde das Datenschutzpaket im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen durch einen Ausschussantrag und zwei Abänderungsanträge, die zum Teil von ÖVP und FPÖ, zum Teil auch mit Unterstützung der SPÖ eingebracht wurden. Damit wird unter anderem sichergestellt, dass auch für Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof ein spezifischer datenschutzrechtlicher Rechtsschutz gilt, wobei die Bestimmungen den Regelungen für Gerichte nachgebildet sind. Zudem geht es um die Nutzung von Daten der Wählerevidenz durch Parteien für Wahlwerbezwecke und die Übermittlung personenbezogener Daten im Falle eines Rechtshilfeansuchens aus Drittländern bzw. internationaler Organisationen. Zudem wird den Strafvollzugsbehörden – unter bestimmten Auflagen – ausdrücklich gestattet, Daten für im öffentlichen Interesse liegende Archiv- und Forschungszwecke sowie für statistische Zwecke zur Verfügung zu stellen.

Darüber hinaus fassten die Abgeordneten zwei Ausschussfeststellungen. Neben der erwähnten Klarstellung zur Frage der Datenverarbeitung im Bereich der Gesetzgebung geht es um die Beurteilung der Kreditwürdigkeit durch Banken. Die Abgeordneten gehen mit Verweis auf die laut Datenschutz-Grundverordnung durchzuführende Interessensabwägung davon aus, dass es angesichts der Bedeutung von Bonitätsprüfungen, etwa für den Verbraucherschutz, nicht möglich sein wird, der Aufnahme in einschlägige Datenbanken grundsätzlich zu widersprechen. Einen ausdrücklichen gesetzlichen Ausschluss des Widerspruchsrechts halten sie daher nicht für erforderlich.

In Kraft treten sollen die allermeisten Bestimmungen des Datenschutzpakets gemeinsam mit dem im Vorjahr beschlossenen Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018 am 25. Mai. Ab diesem Tag ist auch die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung anzuwenden.

Parteienförderung wird 2018 nicht erhöht

Aus dem Verfassungsausschuss liegt auch der Vorschlag vor, die Anhebung der Parteienförderung im Jahr 2018 auszusetzen. Seit 1. April gelten in Österreich neue Sätze für die Parteienförderung. Den im Nationalrat vertretenen Parteien stehen nunmehr pro Wahlberechtigtem jährlich 4,86 € – statt 4,6 € – zu. Eine entsprechende Kundmachung des Rechnungshofs wurde Ende März im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Trotzdem wird es heuer zu keinen höheren Auszahlungen kommen. Die Valorisierung soll für 2018 nämlich rückwirkend ausgesetzt werden. Gleiches gilt für weitere Valorisierungsklauseln im Parteien-Förderungsgesetz und im Parteiengesetz, etwa was meldepflichtige Parteispenden und den Wahlkampfkostendeckel betrifft. Für die Aussetzung der Valorisierung stimmten neben den Koalitionsparteien auch die SPÖ und die NEOS. Die NEOS fordern allerdings einen dauerhaften Verzicht auf eine Valorisierung. Die Richtung stimme zwar, man gehe aber zu wenig entschieden vor, meint die Liste Pilz, die von einem „Placebo-Effekt“ spricht.

Reform des Vergaberechts: Bestbieterprinzip wird weiter gestärkt

Bereits mit der letzten Novelle zum Bundesvergabegesetz hat das Parlament die Weichen in Richtung Bestbieterprinzip gestellt. Seither muss bei bestimmten Vergaben der öffentlichen Hand ein stärkerer Fokus auf Qualitätskriterien und Folgekosten gelegt werden. Auch soziale Aspekte können in die Bewertung von Angeboten einfließen. Dieser Weg wird nun fortgesetzt.

Zentrales Ziel des Gesetzentwurfs ist es, den rechtlichen Rahmen für Auftragsvergaben der öffentlichen Hand – in Anlehnung an die EU-Vorgaben – zu vereinfachen und zu modernisieren. Unter anderem geht es um die Einführung neuer Arten von Vergabeverfahren und die Ermöglichung gemeinsamer Auftragsvergaben österreichischer Behörden und Behörden anderer EU-Länder. Außerdem sollen künftig mehr Aufträge als bisher nach qualitativen Kriterien (Bestbieterprinzip) und nicht alleine nach dem Preis (Billigstbieterprinzip) vergeben werden.

Neben einer vollständigen Neufassung des Bundesvergabegesetzes gehören ein neues Bundesgesetz über die Vergabe von Konzessionsverträgen und eine Novellierung des Bundesvergabegesetzes für den Bereich Verteidigung und Sicherheit zum insgesamt 324 Seiten starken Reformpaket. Nicht mehr Teil des Entwurfs ist hingegen -anders als 2017 im vorgelegten Gesetzespaket der damaligen rot-schwarzen Regierung – ein eigenes Bundesvergaberechtsschutzgesetz für den öffentlichen Personenverkehr. Die von der EU geforderten Rechtsschutzbestimmungen für diesen Bereich werden direkt in das Bundesvergabegesetz integriert und sind damit auch von den Ländern zu beachten. Wie bisher gilt das Vergaberegime nicht nur für Bund, Länder und Gemeinden, sondern auch für Auftragsvergaben in bestimmten Sektoren wie etwa der Wasser- und Energieversorgung und Teilen des öffentlichen Verkehrs.

An der Möglichkeit der öffentlichen Hand, Personenverkehrsdienste auf der Schiene direkt zu vergeben, ändert das vorliegende Gesetzespaket nichts. Auch andere Sonderverfahren in diesem Bereich wie interne Vergaben und Zusatzaufträge bleiben – in Anlehnung an EU-Recht -weiterhin zulässig. Zuständig für das Vergaberecht ist nunmehr das Justiz- und Reformministerium unter Minister Josef Moser und nicht mehr das Bundeskanzleramt.

In Kraft treten kann das Gesetz nur dann, wenn auch sämtliche Länder ihre Zustimmung erteilen.

Sicherheitspaket

So turbulent die Diskussion über das Sicherheitspaket in der Öffentlichkeit war, so turbulent gestaltete sich auch die Diskussion im Parlament. Es ist auch mit einer heftigen Auseinandersetzung im Plenum und einer mehrheitlichen Beschlussfassung durch die beiden Koalitionsparteien zu rechnen. Seitens der Opposition wird immer wieder von einem „Überwachungspaket“ gesprochen, sie befürchtet einen „Überwachungsstaat“. Der Innenminister wiederum betonte, man habe das richtige Maß zwischen Sicherheit auf der einen Seite sowie Grund- und Freiheitsrechte auf der anderen Seite gefunden. Einen unverhältnismäßigen Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte, wie ihn die Opposition sieht, kann er nicht erkennen. Eine permanente Überwachung der Bevölkerung schloss er dezidiert aus.

Das Paket besteht aus zwei Teilen: Einerseits aus der Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz und begleitenden Änderungen in der StVO und im Telekommunikationsgesetz, das der Innenausschuss beraten hat, und andererseits aus dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz mit Neuerungen in der Strafprozessordnung, im Staatsanwaltschaftsgesetz und im Telekommunikationsgesetz, das im Justizausschuss verhandelt wurde.

Im Justizausschuss hat sich die gesamte Opposition gegen die Pläne der Regierung zur Überwachung von verschlüsselten Nachrichten im Internet durch Spionagesoftware (Stichwort Bundestrojaner), zur anlassbezogenen Vorratsdatenspeicherung und zur Lockerung des Briefgeheimnisses mit geringfügigen Entschärfungen gestellt.

Die Abgeordneten der ÖVP und FPÖ sehen die neuen Ermittlungsmethoden verhältnismäßig und zeitgemäß. Das Sicherheitspaket komme nicht überfallsartig, außerdem seien sämtliche Anregungen aus den Begutachtungsverfahren eingebaut worden, so der Tenor. Nach der Ausschussbegutachtung wurden im Justizteil des Sicherheitspakets allerding noch geringfügige Entschärfungen implementiert. Unter anderem wurde bei der anlassbezogenen Vorratsdatenspeicherung eine nicht verlängerbare Höchstfrist von 12 Monaten eingezogen, für den Einsatz von sogenannten IMSI-Catchern, mit denen die Polizei Handys orten und abhören kann, braucht es neben einer Anordnung der Staatsanwaltschaft im Unterschied zum Regierungsentwurf nun auch eine gerichtliche Bewilligung.

Umstrittenster Punkt des sogenannten Strafrechtsänderungsgesetzes ist der Einsatz staatlicher Spionagesoftware zur Überwachung verschlüsselter Nachrichten bzw. von Messengerdiensten wie Whatsapp und Skype im Internet. Die Regierung rechtfertigt diese neue Ermittlungsmethode mit Lücken in der Strafverfolgung, die durch den technologischen Fortschritt verursacht worden seien. Voraussetzung für den Einsatz der staatlichen Überwachungssoftware ist ein Strafverfahren wegen eines konkreten Verdachts. Die Software kann also etwa bei Verbrechen mit einer Strafobergrenze von mehr als zehn Jahren, bei einem Verdacht auf terroristische Straftaten oder bei Straftaten gegen Leib und Leben sowie die sexuelle Integrität mit einer Strafobergrenze von mehr als fünf Jahren eingesetzt werden. Voraussetzung ist eine Anordnung der Staatsanwaltschaft, die einer gerichtlichen Bewilligung bedarf. Die Beschuldigten sollen Verständigungs- und Einsichtsrechte bekommen.

Der Justizminister versicherte im Ausschuss, dass es im judiziellen Teil des Sicherheitspakets zu keiner Massenüberwachung kommen

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