Demokratiepreis an drei Projekte

Demokratieförderung bei SchülerInnen, Integration von Frauen aus der Türkei und Nachbarschaftszentren des Wiener Hilfswerks

Wien (PK) – 37 Projekte wurden eingereicht, drei davon erhielten
heute im Parlament den „Demokratiepreis 2018“: Es handelt sich um ein
E-Learning-Projekt für Schulen und PädagogInnen im Burgenland zum
Thema „100 Jahre Republik – 100 Jahre Leben“, um die
Integrationsarbeit des Vereins „Peregrina“ und um das Projekt
„Nachbarschaftszentren“ des Wiener Hilfswerks. VertreterInnen der
drei Trägerorganisationen erhielten die Auszeichnungsurkunden von
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Zweiter
Nationalratspräsidentin Doris Bures überreicht. Der Preis wird seit
2004 aus der Margaretha-Lupac-Stiftung jährlich abwechselnd mit dem
Wissenschaftspreis des Parlaments verliehen. Er kann auf bis zu drei
„Sieger-Projekte“ aufgeteilt werden.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka betonte, dass Demokratie keine
Selbstverständlichkeit sei und dass es notwendig sei, wachsam zu
bleiben. „Jede Generation muss sich ihr Verständnis von Demokratie
neu erarbeiten und verteidigen“, sagte Sobotka. Er hob die Rolle der
Zivilgesellschaft hervor, aber auch jene des Parlaments. Dieses müsse
seine Rolle immer wieder unter Beweis stellen, etwa durch
„Veranstaltungen wie jene gestern, als wir das 25-Jahr-Jubiläum der
Anerkennung der Volksgruppe der Roma gefeiert haben, oder wie jene
Gedenkfeier, die wir morgen zur Erinnerung an den Beschluss zum
allgemeinen Wahlrecht und damit zum Frauenwahlrecht abhalten werden“.
Diese Erinnerungs- und Gedenkfeiern seien kein Selbstzweck, „sie sind
ein Handeln im Auftrag, sich für den Erhalt der Demokratie zu
engagieren“, betonte der Nationalratspräsident.

„100 Jahre Republik – 100 Jahre Leben“

Sobotka unterstrich, dass „es eigentlich jedes der 37 eingereichten
Projekte wert gewesen wäre, ausgezeichnet zu werden“. Jeder Beitrag
sei wichtig, der das demokratische Prinzip stärke. Doch der
Wettbewerb ließ es nur zu, nicht mehr als drei Projekte
auszuzeichnen, und so wurden die Betreiber des Projekts „100 Jahre
Republik – 100 Jahre Leben“ als eines von drei Projekten mit dem
Demokratiepreis 2018 ausgezeichnet. Dabei wurde für SchülerInnen im
Burgenland ein E-Learning-Netzwerk-Projekt zum Jubiläum der Republik
Österreich entwickelt. Federführend beteiligt waren die Pädagogische
Hochschule (PH) Burgenland, der Landesschulrat, sämtliche Schulen im
Burgenland und weitere Partner wie der ORF. Im E-Learning-Netzwerk
wurden Schülerinnen und Schüler motiviert, Projekte zu initiieren.

Insgesamt wurden 250 Projekte gestartet – dabei wurden Zeitzeugen
interviewt, Videos und kurze Clips hergestellt, Schreibwerkstätten
veranstaltet und vieles mehr. Insgesamt waren daran 7.000
Schülerinnen und Schüler beteiligt, angeregt und unterstützt von 500
Lehrerinnen und Lehrern. Die Projektthemen handelten beispielsweise
vom „Kochen einst und jetzt“ oder „Dirty Campaigning bei Cicero“.
Ziel war es bei allen Projekten, die Erkenntnis zu gewinnen, dass
Demokratie nichts Gegebenes ist, sondern gepflegt werden muss.
Projektleiter Walter Hermann von der PH Burgenland berichtete von
einem Burschen, der zu Beginn des Projekts gesagt hatte, „100 Jahre
Republik, das ist fad, das interessiert uns nicht“. „Am Ende hat er
eine Veranstaltung in Eisenstadt moderiert, bei der der ehemalige
Bundespräsident Heinz Fischer anwesend war und der burgenländische
Landeshauptmann“, berichtete Hermann.

„Die Jury hat vor allem überzeugt, dass es sich bei diesem Projekt um
einen Versuch gehandelt hat, ein ganzes Bundesland für das Thema 100
Jahre Republik zu gewinnen“, erläuterte Jurymitglied der
Margaretha-Lupac-Stiftung Oliver Rathkolb, Historiker an der
Universität Wien, in seiner Laudatio zum Projekt „100 Jahre Republik
– 100 Jahre Leben“. „Überzeugt hat uns auch, dass es gelungen ist,
verschiedene Alters- und Gesellschaftsgruppen zu involvieren,
verschiedene Kulturen und Religionen – und das Gemeinsame in
Beziehung zu unserer heutigen Demokratie zu setzen.“ In dem Projekt
wurden sowohl digitale Initiativen gesetzt, als auch Initiativen in
der realen Welt. Rathkolb hob ein Projekt in Neufeld hervor, bei dem
VolksschülerInnen eine Zeitung zum Thema 100 Jahre Republik erstellt
und an jeden Haushalt in der Gemeinde versandt haben.

„Peregrina“ – Verein solidarischer Frauen aus der Türkei und aus
Österreich

Der Verein „Peregrina“ wurde 1984 als „Verein solidarischer Frauen
aus der Türkei und aus Österreich“ gegründet. Ziel ist es,
zugewanderte Frauen bei der Integration zu unterstützen. Dafür wurden
fünf Arbeitsbereiche ausgewählt: Basisbildungs- und Deutschkurse,
Bildungsberatung, Rechts- und Sozialberatung, psychologische Beratung
und Fortbildung. Etwa ein Dutzend ExpertInnen arbeiteten über die
Jahre mit Frauen aus mehr als 80 Ländern. „Als wir das Projekt für
den Preis eingereicht haben“, berichtete Stoiber Gölgün vom Verein
„Peregrina“, „hat eine unserer Kolleginnen gesagt, sie fürchte, sie
würde dem Projekt schaden – und zwar deshalb, weil sie ein Kopftuch
trägt.“ Das zeige, welche Wirkungen öffentliche Diskussionen
entfalten. Jurymitglied Sieglinde Rosenberger von der Universität
Wien zeigte die Wichtigkeit der Arbeit auf, die „Peregrina“ leistet.
Migranten hätten allgemein schon eine schwierige Situation –
Migrantinnen stünden umso mehr in einem Spannungsverhältnis. „Zwei
Drittel der Migrantinnen in Österreich verfügen über keinen
dauerhaften Aufenthaltstitel, sie verdienen weniger und sind oft
Gewalt ausgesetzt“, umriss Rosenberger die Situation der Frauen in
der Fremde. „Peregrina“ leiste Wesentliches, um das zu lindern und um
die Frauen in der Gesellschaft zu integrieren.

„Grätzldemokratie“ in Nachbarschaftszentren

In den Nachbarschaftszentren des Wiener Hilfswerks wird
„Grätzldemokratie“ gelebt – im Sinne von Eigeninitiative und
Eigenverantwortung. Allein im Jahr 2017 besuchten insgesamt 210.000
Menschen die zehn Nachbarschaftszentren. Hier kommen Menschen
unterschiedlicher Generationen, Kulturen und Schichten zusammen. Im
Frühjahr 2017 wurde die Wirkung der Nachbarschaftszentren
wissenschaftlich untersucht. Das ergab, dass durch die
Nachbarschaftszentren eine solidarische Atmosphäre vermittelt wird,
Gruppen erfolgreich miteinander vernetzt werden und dass ein Beitrag
zur Gesundheit der Betroffenen geleistet wird. In den
Nachbarschaftszentren arbeiten 60 hauptamtliche und 700 freiwillige
MitarbeiterInnen.

„Für die Jury war ausschlaggebend, dass das Wiener Hilfswerk mit den
Nachbarschaftszentren Orte geschaffen hat, wo der teils vereinsamten
Stadtbevölkerung jener menschlich so wichtiger Halt zurückgegeben
wird, der früher in vielen Familien selbstverständlich war“,
berichtete Jurymitglied Elisabeth Totzauer vom ORF. „Durch die
Individualisierung unserer Gesellschaft und die zunehmende Auflösung
tradierter Lebensformen weichen sich soziale Muster des
Zusammenlebens auf.“

„Nachbarschaftszentren sind keine Erfindung von uns – es gibt sie
seit 130 Jahren“, sagte die Vertreterin des Wiener Hilfswerks Eva
Bertalan. „Sie sind aber immer noch zeitgemäß. Wir machen nichts
anderes als zuzuhören und umzusetzen“, erläuterte sie die Formel der
Nachbarschaftszentren. Das sei der Nährboden für eine demokratische
Gesellschaft, in der Menschen respektvoll miteinander umgehen. Zudem
seien die Nachbarschaftszentren Drehscheiben für Ideen und soziales
Engagement. Durch die Teilnahme an der Gesellschaft erlebten Menschen
eine Selbstwirksamkeit, wie sie sie sonst nicht erreichen würden.

Die Margaretha-Lupac-Stiftung stammt aus dem Nachlass von Margaretha
Lupac. Sie hinterließ dem gemeinnützigen Werk 1,5 Millionen Euro.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ist Vorsitzender des
Stiftungskuratoriums. Jedes Jahr werden 15.000 Euro an Siegerprojekte
vergeben. Abwechselnd handelt es sich um einen Demokratie- und einen
Wissenschaftspreis. Mit dem Demokratiepreis werden Arbeiten
ausgezeichnet, die das Verständnis für die Grundlagen, die
Funktionsweise und die Grundwerte der Demokratie fördern und die dazu
beitragen, die Bedeutung von Toleranz im Diskurs über Fragen der
Politik, Kunst und gesellschaftlichen Entwicklungen zu vermitteln.
(Schluss) gb

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie auf der Website
des Parlaments unter www.parlament.gv.at/SERV/FOTO/ARCHIV .

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