
Kurt-Rothschild-Preis (2) – Preisträgerin Kate Raworth will eine Abkehr von der Idee des unendlichen Wachstums“
Alle PreisträgerInnen im Überblick
Wien (OTS/SK) – Die britische Ökonomin Kate Raworth hat am Donnerstagabend den Kurt-Rothschild-Preis überreicht bekommen. Ihre Laudatorin Sigrid Stagl vom Institute for Ecological Economics an der WU-Wien sagte über die Preisträgerin: „Sie ist eine Vordenkerin, eine Schrittmacherin.“ Raworth verbinde die schon in ihrer Zeit bei Oxfam entwickelte Idee der biophysischen Grenzen mit sozialen Fragen. Und Raworth belasse es nicht beim Denken, sondern es gehe ihr immer ums Tun: „Think and do“. Zum Tun gehört für die Preisträgerin selbst zunächst, mit bestimmten wirkmächtigen Bildern der Mainstream-Ökonomie aufzuräumen, man müsse die Wirtschaftswissenschaften „neu schreiben“, sagte Raworth. ****
Eines der ersten Bilder, mit dem junge Leute beim Wirtschaftsstudium Bekanntschaft machen, ist das Diagramm mit den sich kreuzenden Angebots- und Nachfragekurven. Die Person, die man sich unwillkürlich dazu vorstelle, beschreibt Raworth so: „Ein Mann mit ausgeprägtem Ego, Geld in der Hand, er liebt den Luxus und weiß den Preis von allem“. Die „echte Gefahr“ ist dabei für die Ökonomin:
„Was es aus uns macht, wenn wir ihn anschauen.“
Zumal hier eine prägende Denkfigur vorgestellt werde, die vorgibt, Wachstum löse alle Probleme; Ungleichheit werde durch Wachstum und Trickle-down mit der Zeit schon ausgebügelt, und Wachstum werde auch die verschmutzte Umwelt schon wieder sauberkriegen. Das freilich funktioniere nicht. Denn die sichtbaren Ergebnisse seien einerseits, „dass es vielen Menschen am Notwendigsten fehlt, andrerseits zerstören wir unsere Lebensgrundlagen“.
Kate Raworth geht es um eine neue Balance: „Genug von allem, aber nicht zu viel.“ Man müsse in der Wirtschaftswissenschaft und im Wirtschaften „weg von der Idee des unendlichen Wachstums“. Dazu gehöre in die Wirtschaftswissenschaft ein neues Bild von Menschlichkeit, also eines das sich den Menschen nicht nur als Konsumenten, Produzenten, Gläubiger und Schuldner vorstellt. Wie bringt man nun Menschlichkeit rein? Indem man sich löst vom linearen Denken und die Systeme in Kreisläufe bringt, „langsamer, kollektiver, umweltfreundlicher“. Dieses System sei „regenerativ und distributiv by design“.
Im Folgenden alle PreisträgerInnen in einem kurzen Überblick:
Die Hauptpreisträgerin 2019 ist die britische Ökonomin Kate Raworth. Ihr Buch „Die Donut-Ökonomie: Endlich ein Wirtschaftsmodell, das den Planeten nicht zerstört“ aus dem Jahr 2017 wurde zum internationalen Bestseller mit Übersetzungen in 15 Sprachen. Raworth lehrt am Environmental Change Institute der Oxford University.
Sebastian Gechert, Gustav Horn & Christoph Paetz für:
„Langfristige Wirkungen der Konjunkturpakete und Konsolidierungsmaßnahmen im Euroraum“
Die Arbeit erkundet, wie wirksam fiskalpolitische Maßnahmen sind. Das wurde, wie der Juryvorsitzende Jakob Kapeller sagte, über viele Jahrzehnte maßlos unterschätzt und heruntergespielt. Gerade in und nach einer Krise wie der von 2008 seien staatliche Impulse besonders wichtig und wirksam – ihr Fehlen hat vielen EU-Ländern viel Wachstum gekostet.
Judith Kohlenberger, Isabella Buber-Ennser & Bernhard Rengs für:
„Displaced Persons in Austria Survey (DiPAS): Bildung, Qualifikationen und Wertvorstellungen von Geflüchteten in Österreich“
Die WissenschafterInnen haben für ihre Arbeit mehr als 500 Geflüchtete interviewt. Ihnen ging es darum ein Missverhältnis auszugleichen; denn zwar waren Geflüchtete in den Jahren ab 2015 sehr präsent in der öffentlichen/medialen Diskussion, aber sehr selten mit ihren eigenen Stimmen. Die vorliegende Arbeit hört ihnen zu und eröffnet so neuen Blick auf sie.
Andreas Novy, Brigitte Aulenbacher, Richard Bärnthaler & Veronika Heimerl für „Karl Polanyi, The Great Transformation und der Gegenwartskapitalismus: Putting the Economy in Its Place „
Die AutorInnen fragen, wie mit den theoretischen Ansätzen des österreichisch-ungarischen Ökonomen Karl Polany auf den heutigen Kapitalismus – Stichworte: Umweltzerstörung, zunehmender Druck auf die ArbeitnehmerInnen, Vermarktlichung aller Lebensbereiche -reagiert werden könne. Die Arbeit untersucht reflektierte und progressive Formen, die Gegenbewegungen annehmen können.
Laura Wiesböck für „Formen, Ursachen und Auswirkungen von sozialer Ungleichheit in Österreich“
Soziale Ungleichheit reproduziert sich und sie reproduziert sich auch in nachfolgenden Generationen. Das gilt für die Benachteiligungen wie auch für die Privilegien. Laura Wiesböck sagte:
„Leistung ist nicht für den Erfolg in der Gesellschaft verantwortlich.“ Sie selbst habe sehr viel Glück und Unterstützungssysteme gehabt; zugleich kennt sie sehr viele Frauen mit dem gleichen Talent, denen der Zugang zu Ressourcen und Institutionen nicht gewährt wird, sagte Wiesböck. Deshalb: „Machen wir Erfolg nicht von Glück abhängig.“
Weiterführende Informationen zu den PreisträgerInnen und ihren Arbeiten finden Sie hier auf der Website des Renner-Instituts:
[https://tinyurl.com/y44ywpsn] (https://tinyurl.com/y44ywpsn)
Über den Kurt-Rothschild-Preis
Der Preis wurde ins Leben gerufen und vor drei Jahren zum ersten Mal verliehen, um an den Doyen der österreichischen Wirtschaftswissenschaft, Kurt Rothschild, zu erinnern. Hauptpreisträger 2016 war Peter Bofinger, 2017 ging der Hauptpreis an Marcel Fratzscher. 2018 an Heinz D. Kurz.
Prämiert werden WissenschafterInnen für Arbeiten, die sowohl in der Fachwelt diskutiert werden als auch zu einer medien-öffentlichen Debatte beitragen. Das können Bücher sein, aber genauso Beiträge in Medien, Kolumnen, Kommentare oder Blogs. Es geht um neue Antworten auf die großen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit im Geiste Kurt Rothschilds – jenseits der volkswirtschaftlichen Standardtheorie oder des ökonomischen Mainstreams.
Der Kurt-Rothschild-Preis 2019 zeichnet speziell WissenschafterInnen und Projekte aus, die sich dem Wechselverhältnis von Wirtschaft, Gesellschaft und Natur stellen und dieser immanenten Einbettung wirtschaftlicher Entwicklungen analytischen Raum geben. Die diesjährigen PreisträgerInnen nehmen die zusätzlichen Herausforderungen, Komplexitäten und Schwierigkeiten an, die mit einer solchen Herangehensweise einhergehen, und stellen sie ins Zentrum ihres Schaffens. (Schluss) wf/ls
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