Das mumok trauert um John Baldessari

Wien (OTS) – John Baldessari gilt zurecht als herausragender Vertreter der konzeptuellen Kunst, dessen Bedeutung für die nachfolgenden Generationen von Künstler_innen nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Seine beharrliche Kritik an festgeschriebenen Maximen in der Kunst war grundlegend für seine Arbeit. Sie entsprang der genauen Beobachtung seines Umfeldes, das die damals revolutionären Neuerungen programmatisch zu legitimieren versuchte. So hat er Sol Lewitts Paragraphs on Conceptual Art als Volkslied vertont und damit aus einer Endgültigkeitsklausel über Kunst durch Nichtbefolgung wiederum Kunst gemacht. Ein weiterer Programmatiker, nämlich Joseph Kosuth, versuchte ihn daher als einen verkappten Cartoonisten der Pop Art zu denunzieren. Baldessaris Konzept bestand tatsächlich darin, Witz und Ironie als Waffen gegen die Dogmen der Neoavantgarde einzusetzen, um letztlich deren Ernsthaftigkeit zu bewahren.

Baldessari hat als Maler begonnen, aber 1970 die meisten seiner Malereien in Form eines Kunstprojektes, dem sogenannten Cremation Project, verbrannt. Die in eine Urne gefüllte und mit einem Insert markierte Asche verdeutlichte, dass er diese Malereien in transformierter Form zum Humus seiner sprach- und medienbezogenen Kunst bestimmte. Wie das Frühwerk belegt, hatte er sich nicht auf einmal vom naiven Maler zum intelligenten Konzeptkünstler verwandelt. Denn schon in seinen frühen Malereien hatte er auch Medienanalyse betrieben, indem er etwa seine Gemälde aus Rasterpunkten aufbaute, oder indem er Plakate verwendete, die er übermalte und mit Texten versah. Nach dem Verbrennen seiner Bilder hat er auch nicht aufgehört, Malerei und Farbe in Form von Video- und Fotoarbeiten zu thematisieren. Die Fortschrittsapostel warnte er, dass man zwar die Spur wechseln kann, dass aber auf die Konzeptkünstler_innen dieselben Probleme zukommen werden, mit denen sich schon die Maler_innen herumzuschlagen hatten.

Eines seiner Markenzeichen sind jene bunten Kreisflächen und Abdeckungen, mit denen er seine Bildfiguren anonymisierte, um von deren Individualität abzulenken, damit Wesentlicheres wie standardisierte, verinnerlichte Gesten zum Vorschein kommen können. Diese Strategie des Entbergens durch Verbergen kennzeichnete auch seine Gestaltung des Vorhangs der Wiener Staatsoper. Sie enthielt letztlich auch den Verweis auf das Verbergen des ursprünglichen Vorhangs von Hitlers Lieblingsmaler Rudolf Hermann Eisenmenger.

Baldessaris Arbeiten wenden nicht das Sprachliche gegen das Bildhafte, das Intellektuelle gegen das Sinnliche, sondern sie blenden es ineinander. Er hatte einfach bedacht, dass das Verständnis von Bildern auf sprachlicher Information beruht, und dass Sprache und Worte zugleich in uns Bilder hervorrufen. Der erweiterte Sprachbegriff von Ludwig Wittgenstein gehörte ebenso zu seinem Grundwissen, wie der politisierte Textbegriff der französischen Strukturalisten und Poststrukturalisten. Dass er sich besonders für Filme und Medienbilder, in denen ohnehin Visuelles und Sprachliches miteinander verknüpft sind, interessierte, erscheint nur konsequent. In der Retrospektive seines Frühwerks im mumok im Jahr 2005 konnte all dies erstmals in umfassender Weise gezeigt werden.

Das mumok trauert um John Baldessari, dessen Tod ein unbeschreiblicher Verlust für eine mit der Tradition der Aufklärung und der geistreichen Selbstreflexion verbundene Kunstwelt ist.

Karola Kraus, Rainer Fuchs und das Team des mumok

mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
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