Ruud Koopmans bei ÖIF-Podiumsgespräch: “Konflikte werden aus den Herkunftsländern importiert”

Migrationsforscher Ruud Koopmans im Gespräch mit Jan Thies über Segregation, parallelgesellschaftliche Strukturen und politischen Islam

Wien (OTS) – Der niederländische Professor für Soziologie und Migrationsforscher Ruud Koopmans diskutierte mit dem Journalisten und Autor Jan Thies am 25. Februar im Rahmen eines vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) organisierten Podiumsgesprächs über die Entstehung von Parallelgesellschaften, aktuelle Herausforderungen im Integrationsbereich sowie den Aufstieg und die Entwicklung des islamischen Fundamentalismus. Das Gespräch wurde per Livestream auf der ÖIF-Website übertragen und steht zum Nachsehen auf [www.integrationsfonds.at/mediathek]
(http://www.integrationsfonds.at/mediathek) zur Verfügung.

“Fundamentalismus stellt Regeln des Glaubens über säkulares Gesetz“

Ruud Koopmans, Professor für Soziologie und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin ist einer der aktuell meistzitierten Soziologen Europas. Seit Jahren befasst er sich intensiv mit der Thematik des islamischen Fundamentalismus und ist der Meinung, dass dieser zu Bürgerkriegen, wirtschaftlicher Stagnation und Autoritarismus führt. Verbreitet hat sich der islamische Fundamentalismus vor allem in Ländern, die traditionell schon fundamentalistisch waren, wie Saudi-Arabien, oder die wie der Iran durch eine Revolution fundamentalistisch wurden: „Gerade Ländern mit einem großen Ölreichtum ist es gelungen, den Fundamentalismus in der Welt zu verbreiten. Das Öl spielt hier eine wichtige Rolle, denn es gibt diesen autoritären Regimes die Möglichkeit, ohne der Zustimmung der Bürger/innen zu funktionieren. Mit dem Fundamentalismus geht auch einher, dass wenig Wert auf säkulares Wissen gelegt wird.“ Beispiele dafür seien etwa der Iran und Saudi-Arabien, sagt Koopmanns: „Fundamentalismus ist eine Glaubenshaltung, die auf eine buchstäbliche Interpretation des Koran besteht und ihn über säkulares Gesetz stellt und die Trennung von Staat und Religion nicht anerkennt.“

„Leidtragende sind vor allem muslimische Minderheiten und Frauen“

In seinem aktuellen Buch „Das verfallene Haus des Islam. Die religiösen Ursachen von Unfreiheit, Stagnation und Gewalt” (C.H.Beck Verlag, München 2020), vergleicht Koopmans islamische Länder mit nichtislamischen Ländern und kommt zum Ergebnis, dass Konflikte aus Ländern haben, in denen der religiöse Fundamentalismus Fuß fassen konnte, auch nach Europa getragen wurden. “Das Aufkommen einer fundamentalistischen Auslegung des Islam prägt Europa bis heute.“ 1979 habe der Durchbruch des Fundamentalismus bedingt durch die islamische Revolution im Iran und die Invasion der Sowjetunion in Afghanistan zu enormen Veränderungen geführt. Bis heute wirken diese Folgen nach: „Die fundamentalistischen Einflüsse aus Saudi-Arabien und den Golfstaaten prägen auch die muslimischen Gemeinschaften in Europa.“ Als Betroffene sieht er vor allem auch muslimische Minderheiten und Frauen: „Wenn man glaubt, dass das, was im Koran geschrieben ist buchstäblich auch in der heutigen Zeit umgesetzt werden muss, dann heißt das im Fall des Islam, dass man die Regeln der Scharia anwendet. Das bedeutet zum Beispiel, dass minderjährige Mädchen ausgeheiratet werden können, dass Frauen nur die Hälfte erben dürfen vom Erbteil der Männer, Frauen dürfen auch nicht ohne die Zustimmung von Männern ins Ausland oder auf Reisen gehen. Es sind eine Reihe von extremen Nachteilen für Frauen und auch für homosexuelle Menschen“.

“Um Frauen zu stärken, sind Maßnahmen im Bereich der Heiratsmigration notwendig“

Eine zentrale Herausforderung sieht Koopmans in der Position von Frauen in muslimischen Gemeinschaften. „Die niedrige Arbeitsmarktpartizipation von Frauen und die relativ großen Familien wirken sich nachteilig auf die sozioökonomische Integration von muslimischen Migrantengemeinschaften aus. Das hat nachteilige Folgen auf die Bildung der Kinder, da das Einkommen auch niedriger ist.“ Um die Rolle von Frauen zu stärken und Integration zu fördern, sollte auch die Heiratsmigration eingedämmt werden. Um patriarchalen Rollenbildern entgegenzuwirken, sieht Koopmans Integrationskurse als guten Lösungsansatz.

Aktuelle Herausforderungen in Österreich

Koopmans sieht drei wesentliche Einflussfaktoren im Integrationsbereich: “Der Einfluss der Herkunftsländer, der meistens nicht positiv ist, die konservativ religiösen Strukturen in Migrantengemeinschaften und die Ablehnung durch Teile der Mehrheitsgesellschaft. Das ‚mit dem Rücken zur Gesellschaft stehen‘ wird aktiv am Leben gehalten, auch durch die Regime mancher Herkunftsländer.“ Österreich hat hier laut Koopmans eine Vorreiterrolle eingenommen: „Der Einfluss aus den Herkunftsländern ist mit dem Islamgesetz gebändigt worden.“ Es brauche aber auch andere Maßnahmen: „Man muss Diskriminierung bekämpfen und Migrant/innen müssen gleichzeitig die Bereitschaft haben, sich zu der österreichischen Gesellschaft zu bekennen.“

ÖIF-Veranstaltungen in voller Länge nachschauen

Der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) widmet sich mit seinen Veranstaltungen aktuellen Themen der Integrationsdebatte: Gemeinsam mit namhaften Expert/innen diskutieren wir über Fragen der Integration und Herausforderungen und Chancen des Zusammenlebens. Die Podiumsdiskussionen zum Nachsehen in voller Länge sind in der ÖIF-Mediathek unter [www.integrationsfonds.at/mediathek]
(http://www.integrationsfonds.at/mediathek) abrufbar.

Österreichischer Integrationsfonds
Kim Izdebski
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