„Auf der Suche nach der ‚Österreichischen Seele‘“: Ö1 zum 100. Geburtstag von Erwin Ringel

Wien (OTS) – Der Psychiater und Suizidforscher Erwin Ringel wäre am 27. April 100 Jahre alt geworden. Ö1 würdigt den Analytiker der österreichischen Seele mit mehreren Sendungen – „Salzburger Nachtstudio“ (21.4.), „Hörbilder“ (24.4.), „Lebenskunst“ (2.4.) und „Gedanken für den Tag (26.-30.4.) – und im ORF RadioKulturhaus finden zwei Veranstaltungen als Video-Livestream statt (27.4. & 28.5.).

„Auf der Suche nach der ‚Österreichischen Seele‘“ – so der Titel des „Salzburger Nachtstudios“ am Mittwoch, den 21. April ab 21.00 Uhr. „Mr. Suicide“ nannten ihn die Amerikaner. Dabei waren sie voller Respekt für Erwin Ringel, den Begründer der „Internationalen Vereinigung für Selbstmordverhütung (IASP)“. Zuvor hatte der Psychiater und Neurologe 1948 in Wien bereits das weltweit erste Zentrum für Suizidprävention gegründet – zu einer Zeit, in der Menschen nach einem Selbstmordversuch noch geächtet wurden und keinerlei adäquate Therapie bekamen. In Österreich ist Ringel vor allem für sein 1984 erschienenes Werk „Die Österreichische Seele“ bekannt. Ein Bestseller, der dem Arzt einerseits Respekt, andererseits große Anfeindungen einbrachte. Ein „Nestbeschmutzer“ wurde er genannt. Vielen schmeckte offensichtlich nicht, dass Ringel Österreich darin als die „Brutstätte der Neurose“ bezeichnete und der Bevölkerung unterstellte, die Kinder zu „devotem Dienen“ und „vorauseilendem Gehorsam“ zu erziehen. Dabei ging es ihm eigentlich wiedermal darum aufzuzeigen, was hinter Depressionen und der damals hohen Suizidrate Österreichs steckte. In Österreich sterben pro Jahr noch immer mehr als zweieinhalb Mal so viele Menschen aufgrund eines Suizids als infolge eines Verkehrsunfalls. Was ist also von Erwin Ringels revolutionärem Einsatz geblieben? Und wer war der Mann, der so treffsicher in die „Österreichische Seele“ zu blicken vermochte?

Die „Hörbilder“ bringen am Samstag, den 24. April ab 9.05 Uhr das Feature „Bitte in Demut zu warten“ – Gespräche mit ehemaligen Wegbegleiter/innen über den 1921 geborenen Individualpsychologen Erwin Ringel. Zu seinen Glanzzeiten war er Medienstar, Polit-Aktivist, öffentlicher Alleinunterhalter, Wissenschaftsmanager und Psychiater der Nation. Er war ein mitreißender Redner – und ein enthusiastischer Menschenfreund. Und auch auf wissenschaftlichem Gebiet hat er sich unauslöschliche Verdienste erworben – als Suizidforscher und als Pionier der Psychosomatik in Österreich. Allerdings gilt auch für Erwin Ringel: Wo viel Licht, da viel Schatten. Menschen, die ihn kannten, haben ihn als ich-bezogenen Gesprächsdominator erlebt, der andere kaum zu Wort kommen ließ; gern wird Ringel auch als exzellenter Kliniker mit leicht schrulligen Zügen beschrieben. Der Publizist Hans Weiss fuhr 2012 noch schärfere Geschütze auf: In seinem Buch „Tatort Kinderheim“ nahm Weiss Anstoß daran, dass Ringel in jüngeren Jahren nicht nur ein Verfechter der umstrittenen Elektroschock-Therapie war, sondern als beratender Psychiater der Justizerziehungsanstalt für weibliche Jugendliche in Wiener Neudorf bis zum Jahr 1970 auch Augen und Ohren davor verschloss, dass die Klosterschwestern, die die Anstalt betrieben, ihre Zöglinge mit folterähnlichen Praktiken gefügig machten. In der Persönlichkeit Erwin Ringels mischten sich faszinierende und problematische, brillante, originelle, kreative und oft auch leicht kauzige Züge. Bezeichnend für den eigenwilligen Charakter Ringels ist eine Anekdote, die sein Schüler Gernot Sonneck gerne erzählt: „Wenn man in seinem Arbeitszimmer angeklopft hat, hat er immer rausgerufen:
,Wer ist‘s?‘ Na, und dann hat man halt seinen Namen genannt, und dann hat er gesagt: ,Bitte in Demut zu warten.‘ Und da wusste man nie, wo er den Beistrich setzt. Meinte er: ,Bitte in Demut, zu warten?‘ oder ,Bitte, in Demut zu warten.‘ So war er halt.“

„Es ist nie zu spät – immer ist Anfang“, diesen Satz hat der katholische Theologe und Psychotherapeut Alfred Kirchmayr, Co-Autor des Buches „Religionsverlust durch religiöse Erziehung“ im Ohr, wenn er an Erwin Ringel denkt, mit dem er 20 Jahre lang eng zusammengearbeitet hat. Ihn und die Ringel-Schülerin und Psychotherapeutin Dinah Marin-Surkes hat „Lebenskunst – Begegnungen am Sonntagmorgen“ besucht (25.4., 7.05 Uhr, Ö1).

In den „Gedanken für den Tag“ von Montag, den 26. bis Freitag, den 30. April jeweils um 6.56 Uhr in Ö1 erinnert sich der Theologe und Psychotherapeut Arnold Mettnitzer an seinen ehemaligen Lehrer.

Zwei RadioKulturhaus-Veranstaltungen als Video-Livestream

Am Dienstag, den 27. April (19.30 Uhr) thematisiert der Psychiater und Psychotherapeut Michael Musalek in der Gesprächsreihe „Auf eine Melange mit Musalek“ Ringels Zugang zum „emotionalen Denken“ und seine Forderung, das „gefühlsmäßige Erspüren“ auch zu kultivieren. Die Veranstaltung wird am 28. April um 00.00 Uhr in ORF III gezeigt und ist auch als Ö1 Podcast abrufbar.

Am Freitag, den 28. Mai findet im RadioKulturhaus ab 19.30 Uhr „Die österreichische Seele – 100 Jahre Erwin Ringel“ statt. Drei „Ringel-Kenner“ beleuchten dessen „Diagnose der österreichischen Seele“ in Geschichte und Zukunft: Ludwig Adamovich, ehemaliger Präsident des Verfassungsgerichtshofs, wird zur Bedeutung Ringels und seiner Thesen in Bezug auf die österreichische Geschichte Bezug nehmen. Der Opernfan und Psychosomatik-Experte Georg Titscher nimmt Ringel und dessen Zugang zu Opern genauer unter die Lupe, der Psychiater Michael Musalek spricht über Erwin Ringels Wirkung auf die Zukunft. Das musikalische Rahmenprogramm wird vom Ersten Solocellisten der Wiener Philharmoniker Franz Bartolomey und dem Pianisten Christoph Traxler gestaltet. Beide Veranstaltungen sind unter https://radiokulturhaus.orf.at/ als Video-Livestream zu sehen.

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