TIROLER TAGESZEITUNG AM SONNTAG „Leitartikel“ Ausgabe vom 3. April 2022, von Liane Pircher: „Schräge Optik in der Pädagogik“

Über Änderungen bei der Matura wird man weiter reden müssen. Akut hat die Schule aber andere Sorgen und Probleme zu lösen.

Innsbruck (OTS) – Die Schule kommt nicht zur Ruhe. Zwei aufreibende Jahre der Pandemie, hin- und hergerissen zwischen Distance Learning und einem Präsenzunterricht mit ständig wechselnden Maßnahmen, haben Spuren hinterlassen. Diese Zeit hat die Schwächen in unserem Bildungssystem aufgezeigt. Wir haben großen Nachholbedarf im Bereich der Digitalisierung, es fehlt an so genanntem Support-Personal (Psychologen, Zweitsprachlehrende etc.), an Chancengleichheit für Kinder sowieso und das System an sich ist starr und träge, wenn es um schnelle Veränderung geht.
Mit den ukrainischen Kindern kommt jetzt eine neue Herausforderung auf die Schule zu. Und so wie es aussieht, wird vieles wieder der Improvisationskraft und dem Engagement einzelner Lehrer überlassen. Interessant dabei ist, dass in der Not das integrative Beschulen wieder zum Thema wird. Ob das insgeheim ein Eingeständnis ist, dass die eingeführten Deutschförderklassen doch nicht das Gelbe vom Ei sind? Bildungswissenschafter sagen ja schon lange, dass Kinder abgesondert weniger gut Deutsch lernen. Die aktuelle Situation sollte jedenfalls zum Anlass genommen werden, darüber zu reden, wie qualitative Förderung ausschauen soll, was es braucht und wie man pandemiebedingt Versäumtes aufholen kann. Dass SPÖ-Bildungssprecherin Petra Vorderwinkler ausgerechnet jetzt eine neue Debatte über die Sinnhaftigkeit der Matura vom Zaun bricht, ist umso erstaunlicher. Es zeugt dazu von wenig Sensibilität, dem heurigen Maturajahrgang mitten in der Prüfungsphase auszurichten: „Was ihr da tut, ist sinnlos! Braucht keiner!“ – Diese Altersgruppe wurde gerade in der Pandemie besonders gebeutelt. Ihr täten Perspektiven gut. Ja, man wird darüber reden müssen, ob die Matura in dieser Form noch zeitgemäß ist. Akut wären andere Fragen für die Schule dringender zu klären.

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