16. Wiener Landtag (2)

Fragestunde

In der fünften Anfrage wollte LAbg. Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP) von Vizebürgermeister Wiederkehr wissen, wie sich die Zahl der Anträge auf Erhalt der österreichischen Staatsbürgerschaft von Beginn 2022 bis jetzt entwickelt hat. Wiederkehr zufolge gebe es mehr als 600.000 Personen in Wien, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Es habe in den vergangenen Jahren einen Anstieg aus Anträgen gegeben, unter anderem aufgrund der Flüchtlingsbewegung in den Jahren 2015 und 2016, sowie aufgrund des Ukraine-Kriegs. Er gehe davon aus, dass dieser Trend anhalten wird. Wien habe im europäischen Vergleich eine relativ niedrige Einbürgerungsquote – das liege auch an der „strikten“ Gesetzeslage Österreichs. Es gebe jedoch derzeit viele Menschen in Wien, die antragsberechtigt sind und großen Anreiz haben, die Staatsbürgerschaft zu bekommen. Das sei auch darauf zurückzuführen, dass die Kriegssituation zu Unsicherheiten führe. Laut Wiederkehr hätten Personen aus Deutschland den Anreiz dafür weniger wie Personen aus Syrien oder Afghanistan. In den letzten acht Jahren habe es eine 100-prozentige Steigerung von Staatsbürgerschaftsverfahren gegeben, sagte Wiederkehr. Außerdem seien weitere Aufgaben für die Stadt hinzugekommen. Wien habe deshalb das Personal aufgestockt und würde einen Reformprozess mit 21 Teilreformprojekten durchführen. Wiederkehr forderte zudem gesetzliche Veränderungen, um die Verfahren schneller abwickeln zu können.

AKTUELLE STUNDE

Im Anschluss an die Fragestunde wurde in der „Aktuellen Stunde“ debattiert. Das Thema „Versagen im Wiener Bildungsbereich ist hausgemacht – Lehrkräfte-Chaos in Wien wird immer akuter – SPÖ und Neos lassen Wiener Kinder im Stich“ hatte die ÖVP eingebracht.

LAbg. Harald Zierfuß (ÖVP) kritisierte die Kürzung finanzieller Mittel für viele Wiener Schulen. Daraus hätten viele Demonstrationen der Wiener Pädagog*innen resultiert. Er nannte einige „Missstände“ im Wiener Bildungsbereich, etwa Missbrauchsvorwürfe in Kindergärten und „das Chaos“ in der Bildungsdirektion mit überlasteten Mitarbeiter*innen: „Jeden Tag kommt eine Facette hinzu“, sagte Zierfuß. Zudem sprach er von einem „eklatanten Lehrermangel“ in Wien: Die Stadtregierung hätte hier nichts unternommen, um dem rechtzeitig entgegenzuwirken. Es würden „handfeste Lösungen“ fehlen, meinte Zierfuß. Denn in Wien gebe es derzeit im Schnitt 3,5 Kinder und Jugendliche mehr pro Klasse als in anderen österreichischen Bundesländern. Durch das „Integrationsversagen“ der Stadt seien Lehrer*innen in Wien mit zusätzliche Herausforderungen konfrontiert. Viele ausgebildete Lehrer*innen würden deshalb lieber in anderen österreichischen Bundesländern arbeiten oder sich neue Jobs suchen. Zierfuß verwies auf den 10-Punkte-Plan der ÖVP Wien, der mit Betroffenen erstellt worden sei, und plädierte für die Umsetzung der darin geforderten Punkte. Die Stadtregierung dürfe die Schuld nicht auf die Bundesregierung schieben, denn „das Bildungsversagen sind hausgemacht und SPÖ und NEOS lassen die Kinder hier im Stich“, schloss Zierfuß.

LAbg. Stefan Berger (FPÖ) zufolge seien das Wiener Bildungsversprechen und die Wiener Bildungschancen „PR-Seifenblasen“. Berger kritisierte unter anderem Lücken bei Schulabsolvent*innen und den Lehrer*innenmangel. Diese Situation sei nicht von heute auf morgen aufgetreten, so Berger. Auch die Wiener NEOS hätten den Mangel an Pädgog*innen in der Vergangenheit als Opposition hinterfragt und Maßnahmen gefordert. Umso verwunderlicher sei es, dass dieses Problem in der Stadtregierung nicht rechtzeitig angegangen worden sei. In diesem Zusammenhang ortete er politisches Versagen: Denn die Stadtregierung sei dafür verantwortlich, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen. Berger betonte, dass das Problem vor allem von der SPÖ Wien nicht rechtzeitig angegangen worden sei.

LAbg. Mag. Dolores Bakos, BA (NEOS) bestätigte, dass es Herausforderungen in diesem Bereich gebe, etwa den Mangel an Pädagog*innen. Diesen Mangel gebe es jedoch in allen Bundesländern. Hier hätte daher auch die Bundesregierung gegensteuern können. Wichtig sei der Wiener Stadtregierung, für „echte Unterstützung“ für Schulen, Schüler*innen und Pädagog*innen zu sorgen. „Wir hören zu und unterbreiten dort Lösungsvorschläge, wo wir in der Kompetenz sind“, sagte Bakos. Um Schulen zu entlasten, baue die Stadt Bürokratie ab und stocke Personal für Assistenz und Support auf. Wien setze zudem auf Projekte wie „School Nurses“. Es würden je nach Schulstandort individuell zugeschnitten Angebote geschaffen. Dabei würden laut Bakos „alle ins Boot geholt“: Schüler*innnen, Pädagog*innen, Schulleiter*innen und Eltern. Wien schaffe somit Maßnahmen und Werkzeuge, um Betroffene zu entlasten, zu unterstützen und zu fördern. Bakos forderte, dass dies auch auf Bundesebene passieren müsse.

LAbg. Mag. Mag. Julia Malle (GRÜNE) zufolge gelinge die Attraktivierung des Lehrerberufs nicht so gut, wie dies die Stadtregierung darstelle. „Echte Unterstützung“ wäre etwa, die Bürokratie abzuschaffen, meinte Malle. Zudem müsste die psychosoziale Unterstützung erhöht werden, Schulärzt*innen müssten öfter an die Schulen kommen und es müssten bessere Arbeitsräume gestaltet werden. Lehrer*innen müssten vor allem zu ihrem Recht kommen, stets ein Gehalt und einen Vertrag für ihre Arbeit zu erhalten, forderte Malle. Denn Lehrer*innen müssten das abfedern, was im Bildungssystem schieflaufe. Das Problem liege nicht an der Bildungsdirektion, sondern an der fehlenden politischen Verantwortung der Stadt, die Bildungsdirektion mit Personal aufzustocken oder diese umzustrukturieren. Die Stadt dürfe sich hier „nicht aus ihrer Verantwortung stehlen und sich auf den Bund ausreden“, kritisierte Malle.

LAbg. Mag. Marcus Gremel, MBA (SPÖ) entgegnete seinen Vorredner*innen: Wien entziehe sich nicht seiner Verantwortung. Innerhalb der städtischen Kompetenz setze Wien verschiedene Maßnahmen und stocke Personal auf. Aber aufgrund der geteilten Zuständigkeiten im Bildungsbereich müsse auch die Bundesregierung handeln: Diese sei für den pädagogischen Bereich zuständig und müsse auch hier seiner Verantwortung nachkommen, forderte Gremel. Der Pädagog*innenmangel bestehe schon länger und es habe auch in der Vergangenheit bereits Maßnahmen gegeben, diesem entgegenzuwirken. Es brauche insgesamt mehr Pädagog*innen in ganz Österreich, sagte Gremel. Darauf hätten sich alle österreichischen Bundesländer einstimmig geeinigt. Ein entsprechender Antrag würde an die Bundesregierung heute gestellt. Gremel ging noch auf die aktuelle „besondere Situation“ ein: Aufgrund der Flüchtlinge durch den Ukraine-Krieg brauche es derzeit 160 zusätzliche Klassen. Dafür brauche es mehr Geld, mehr Platz und mehr Pädagog*innen. Gremel kritisierte, dass die vom Bildungsminister dafür angekündigte Unterstützung bisher nicht eingetroffen sei.

LAbg. Maximilian Krauss, MA (FPÖ) kritisierte die gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen Bundes- und Stadtregierung. Sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene würden die Regierungen in ihren Kompetenzbereichen nichts unternehmen, um das Bildungsniveau zu steigern und die Situation für Pädagog*innen und Schüler*innen zu verbessern. Krauss zufolge gebe es viele Lehrer*innen in Wien, die sich mit Klassen konfrontiert sehen, in denen es mehr als 90 Prozent der Schüler*innen Migrationshintergrund hätten: Hier müssten Pädagog*innen ihren Schüler*innen nicht nur zusätzlich die Unterrichtssprache Deutsch beibringen, sondern auch einen Teil der Erziehung übernehmen. Krauss sagte, dass sich deshalb viele Lehrer*innen in Wien einen anderen Job suchten oder in andere österreichische Bundesländer gehen würden. Dieser politischen Realität müsse die Stadtregierung einsehen, forderte Krauss. Aber Wien würde diese Probleme nicht ansprechen und nicht lösen wollen: Es mangele an „echter Lösungsorientierung“ innerhalb der Wiener Stadtregierung, sagte Krauss. (Forts.) exm

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