40. Wiener Gemeinderat: Rechnungsabschluss 2022 (10)

Beratung der Geschäftsgruppe Bildung, Jugend, Integration und Transparenz

GR Nikolaus Kunrath (GRÜNE) sprach zwei Jubiläen an: Am 10. Dezember vor 75 Jahren sei die allgemeine Erklärung der Menschenrechte in Kraft getreten und vor 30 Jahren sei die große Wiener Menschrechtskonferenz abgehalten worden. Menschenrechte müssten das Fundament für den Aufbau der Zukunft sein. Der ökologische Fußabdruck in Österreich und Europa sei zu groß, woanders auf der Welt würden Menschen darunter leiden; damit sei das ein wichtiges Menschenrechtsthema. In Wien sei Menschrecht dann ein Thema, wenn Menschen mit Behinderung eingeschränkt würden. Kunrath brachte dazu einen Antrag zur Erhöhung der Pflegegeld-Leistung in Wien ein. Diese Leistung beträfe unmittelbar insgesamt 360 Personen in Wien, die nur durch die Förderung der Stadt professionelle Hilfe bekommen würden. Das Land Wien müsse ab dem kommenden Dienstag auf einen Platz im Bundesrat verzichten, da die Zahl der Staatsbürger*innen in Wien sinke. Ein knappes Drittel aller Wiener*innen sei von Landes- und Bundeswahlen ausgeschlossen, da die Einbürgerungsrate in den letzten Jahren sinke. Dazu kündigte Kunrath mehrere Anträge an. „Der Zugang zur Staatsbürgerschaft muss erleichtert werden, der Integrationsrat – ein von Stadtrat Wiederkehr einberufenes Gremium – ortet sogar ein Demokratiedefizit“, sagte Kunrath. Wer nicht mitbestimmen könne, wende sich von der Gesellschaft ab, „das ist das Gegenteil von Integration“, so Kunrath. Bei den Reformen der MA 35 sei seiner Ansicht nach „leider wenig passiert“, Antragsteller*innen würden immer wieder Klagen äußern. Als „Skandal“ bezeichnete Kunrath den Umstand, dass eine Antragstellung ohne verpflichtenden Beratungstermin nicht mehr möglich sei: „Das ist zynisch und gehört geändert!“

GRin Silvia Janoch (ÖVP) sagte, dass sie im April 2021 mit dem Slogan „Schwimmen ist mehr als Baden gehen“ auf die Notwendigkeit von Schwimmkursen in der Elementarpädagogik aufmerksam gemacht habe. Ertrinken sei die zweihäufigste Unfallursache bei Kindern. Die Hälfte der Achtjährigen in Wien können laut Janoch nicht schwimmen. Bei über 70 Prozent der Badeunfälle seien die Kinder unter 8 Jahre alt. Die allermeisten Kinder würden das Schwimmen erst in der Volksschule lernen, laut Expert*innen sollten Kinder aber ab drei Jahren Schwimmen lernen. Von 2009 bis 2018 seien in Österreich 31 Kinder ertrunken, die Hälfte davon seien unter 5 Jahre alt gewesen. Janochs Forderungen an Bildungsstadtrat Wiederkehr: „Bieten Sie geförderte Schwimmkurse im Kindergarten an, damit sich Kinder selbst aus Gefahrensituationen befreien können. Kinder müssen Schwimmen lernen.“ Kinder würden lautlos und unbemerkt ertrinken, „ich hingegen werde im Sinne aller Kinder nicht lautlos bleiben“, versprach Janoch.

GRin Mag. Stefanie Vasold (SPÖ) sprach zuerst zur Kinder- und Jugendanwaltschaft (KJA), die 2022 im Schnitt 30 Fälle pro Woche behandeln habe. Zudem habe es 250 Vernetzungstreffen der KJA im Jahr gegeben. Dazu kämen zahlreiche Projekte der KJA, die sich als politische Lobby der Kinder und Jugendlichen in der Stadt verstehe. Vasolds zweites Thema betraf die Wiener Bäder: In ganz Europa gebe es kaum eine andere Stadt, die in diesem Bereich mit 50 Badeplätzen so viele Einrichtungen vorweisen könne wie Wien, meinte Vasold. Im Rahmen der Bäderstrategie werde viel Geld für die Infrastruktur investiert. Geblieben sei etwa die Online-Bäderampel aus der Corona-Zeit. Das Programm „Wien schwimmt“ biete leistbare oder kostenlose Schwimmkurse an, daneben würden die Wiener Bäder etwa auch Volleyball- oder auch Englisch-Kurse abhalten. Würde man die Halbjahres-Karte der Wiener Bäder „durchrechnen, wäre man pro Tag bei 80 Cent Eintritt“, rechnete Vasold vor. „Und dafür wird einem eine ganze Menge geboten“, meinte Vasold, die auf Saisondauer der Wiener Freibäder bis zum 17. September 2023 verwies.

GR Thomas Weber (NEOS) meinte, dass die Suizialidät von queeren Jugendlichen deutlich höher liege als bei nicht-queeren Jugendlichen. Das liege an Anfeindungen durch die Gesellschaft – „das kann und will ich nicht akzeptieren“. Die Politik sei gefordert, die Voraussetzungen zu schaffen, damit alle Menschen ein Leben frei von Diskriminierung führen können. Weber bedankte sich bei allen Beteiligten in der Stadt, die bei den Projekten mitarbeiten würden, „die das Leben von Menschen schöner machen“.

GRin Mag. Ursula Berner, MA (GRÜNE) sprach zur Kinder- und Jugendhilfe: Von mehreren Institutionen, wie etwa dem Stadtrechnungshof oder Volksanwaltschaft, sei in diesem Bereich Personalmangel festgestellt worden, die Wohngemeinschaften seien überbesetzt, die MA 11 könne nur Feuerwehr spielen. „Nach den traurigen Missbrauchs-Verdächtigungen im letzten Jahr in Kindergärten und Schulen ist zwar eine Kommission zur Klärung eingesetzt worden, es ist aber kein umfassendes Kinderschutzkonzept erstellt worden“, bedauerte Berner. Weiters gebe es zuwenig Personal und Plätze in den Pflege-Wohngemeinschaften, „so darf es in diesem Jahr nicht weitergehen“, verlangte Berner.

GRin Harald Zierfuß (ÖVP) sagte, das vergangene Jahr „war nicht das Jahr von Christoph Wiederkehr“. In keinem anderen Ressort habe es so viele Skandale und ein solches Managementversagen gegeben. In den letzten zweieinhalb Jahren seien die Probleme im Bildungsbereich immer größer geworden. Etwa in der Bildungsdirektion, in der im Herbst Schulklassen „vergessen“ worden seien. Für den kommenden Herbst drohe bereits jetzt ein massiver Pädagog*inenmangel, bei der VHS sei eine Fünf-Millionen-Euro-Spritze für die Aufrechterhaltung des Betriebs notwendig gewesen. Der „Tiefpunkt“ sei der Minibambini-Skandal gewesen, „aus dem nichts gelernt wurde und wir deswegen den Stadtrechnungshof mit weiteren Prüfungen beauftragt haben“, so Zierfuß. Es gebe zwar ein NEOS-Bildungsversprechen, die NEOS-Bildungschancen, ein NEOS-Bildungsinvestitionszentrum und ein NEOS-Bildungsfestival im Herbst – „aber das ist alles nur PR“, meinte Zierfuß. „Ich hoffe, Sie investieren in der zweiten Hälfte Ihrer Amtszeit in sinnvollere Maßnahmen“, sagte Zierfuß in Richtung Bildungsstadtrat Wiederkehr.

GR Peter Florianschütz, MA, MLS (SPÖ) meinte hingegen, viele Probleme in dieser „spannenden Geschäftsgruppe“ seien bereits gelöst worden. So sei die Bildungsdirektion im Kern eine Bundesbehörde, deren Probleme aber dem Wiener Bildungsstadtrat „umgehängt“ würden – „das ist unfair“. In Wien seien im Vorjahr in kürzester Zeit 4.500 Jugendliche in das Bildungssystem integriert und ihnen eine Heimat geboten worden. Er sehe im Gegensatz zu einigen Vorredner*innen die Entwicklung der MA 35 positiv. Zwar sei es dort immer noch nicht optimal, „aber es ist besser geworden“. Er verlange von allen Mitarbeiter*innen Respekt im Umgang mit Klient*innen – „diesen Respekt verlange ich auch im Umgang mit allen Mitarbeiter*innen der MA 35“. Er bedankte sich ausdrücklich im Namen der Fortschrittskoalition beim gesamten Team für deren Arbeit. Die MA 13 arbeite im Umfeld einer funktionierenden Kinder- und Jugendstrategie, deswegen sei eine Studie zur Jugendarbeit der Stadt nicht notwendig, da etwa die Wiener Jugendzentren erfolgreich arbeiten würden. Das Wiener Bildungsversprechen basiere auf der Idee der Vielfalt und Flexibilität, „und es ist schön, dass es in Wien umgesetzt wird“. Zur Finanzierung dieser Maßnahmen: In der Charta der lokalen Selbstverwaltung des Europarats sei vermerkt, dass lokale Gebietskörperschaften im Rahmen der nationalen Wirtschaftspolitik über ausreichend Finanzmittel verfügen sollen – und zwar zur Verfügung gestellt vom Bund. „Das ist kein Wunsch an das Christkind, sondern von der österreichischen Bundesregierung ratifiziert worden. Das sollte in den Verhandlungen zwischen dem Bund und den Kommunen berücksichtigt werden“, verlangte Florianschütz.

Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr, MA (NEOS) bedankte sich für die intensive Debatte zu seinem Ressort. 2022 werde mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine als Jahr der Zeitenwende in die Geschichte eingehen. Der sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als eine andere globale Krise – die Corona-Pandemie – nach zwei Jahren gerade weitgehend bewältigt sei. Der Krieg habe verheerende Folgen gebracht: Nicht nur für die leidende ukrainische Bevölkerung, sondern auch ganz unmittelbar auf das Leben der Wienerinnen und Wiener mit der drohenden Energieknappheit und der massiven Teuerung. Er freue sich, dass dieses Krisenjahr finanziell stabil abgeschlossen worden sei, damit sei Spielraum für wichtige Zukunftsinvestitionen geschaffen worden. Integrationspolitik sei wohl die größte Herausforderung für eine Stadt wie Wien. 2022 habe es ein Netto-Wachstum von mehr als 50.000 Menschen gegeben, „die größte Zunahme seit der Jahrhundertwende – was eine große Herausforderung für viele kommunale Bereiche bedeutet“. Viele weitere Maßnahmen zur Integration seien natürlich noch notwendig, etwa beim Erlernen von Deutsch, das mit vielen Maßnahmen der Stadt gefördert würde. Wiederkehr appellierte an den Bund, das zweite verpflichtende Kindergarten-Jahr gesetzlich festzulegen. Am Beispiel der geflüchteten Menschen aus der Ukraine illustrierte Wiederkehr etliche Maßnahmen der Stadt: Sommerdeutschkurse oder Ausbildungen für Elementarpädagog*innen. „Das ist nur ein Beispiel dafür, wie großartig in dieser Stadt in Krisen zusammengearbeitet wird“, meinte Wiederkehr. Der Fachkräftemangel im Bildungsbereich werde wohl die größte Herausforderung für die Zukunft darstellen. Zur Kritik am angekündigten Veggie-Day: „Es gibt kein Menschenrecht auf den täglichen Schweinsbraten; wir wollen ausgewogene Ernährung anbieten“, erläuterte der Bildungsstadtrat. In der Elementarpädagogik habe es einen massiven Ausbau der Infrastruktur und des Unterstützungspersonals gegeben. Zwar habe es Krisen im Kindergartenbereich wie zum Beispiel den Missbrauchsskandal gegeben, aber es gebe immer weitere und bessere Angebote in der Stadt, wie den strengsten Kinderschutz in ganz Österreich. Der Personalbedarf im Jugendbereich sei enorm; die Stadt versuche in diesem Bereich zu entlasten, etwa bei der Reform der Pflegeeltern 2022 oder dass Studierende in Ausbildung würden bereits angestellt werden. Die Zahl der Anträge bei der MA 35 seien massiv angestiegen, die Service-Orientierung in der Abteilung werde weiter ausgebaut werden. „Menschenrechte sind eine Querschnittsmaterie, deswegen freue ich mit über die Arbeit des Menschrechtsbüros oder dem neuen queeren Jugendzentrum“, sagte Wiederkehr, der sich ebenso über die Umsetzung von zwei Dritteln der Koalitionsprojekte freute. (Forts.) nic

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