Krisensicherheitsgesetz und Ermittlungsstelle zur Aufklärung von Misshandlungsvorwürfen gegen die Polizei passieren Länderkammer

Mehrheit für Bundeskrisenlager für den Gesundheitsbereich

Mit dem Bundesrat nahm das Bundes-Krisensicherheitsgesetz (B-KSG) heute seine letzte parlamentarische Hürde. Um das staatliche Krisenmanagement auf aktuelle Bedrohungslagen auszurichten, werden ressortübergreifende Fachgremien und ein Bundes-Krisensicherheitskabinett unter Leitung des/der Bundeskanzler:in geschaffen, ein Bundeslagezentrums im Innenministerium eingerichtet sowie Kontaktstellen zur raschen Koordination im Krisenfall benannt. Zudem beinhaltet das B-KSG die gesetzliche Definition eines Bundes-Krisenfalls, die Festlegung eines Verfahrens zur Ausrufung und Beendigung einer Krise und die Einrichtung eines/einer Regierungsberater:in im Bundeskanzleramt samt Stellvertreter:in und Beratungsgremium.

In diesem Zusammenhang erhielt auch ein im Innenausschuss eingebrachter Antrag von ÖVP und Grünen eine Mehrheit, der auf die Überführung des während der COVID-19-Pandemie eingerichteten „COVID-19-Lagers“ in ein allgemeines Bundeskrisenlager für den Gesundheitsbereich abzielt.

Grünes Licht gaben die Bundesrätinnen und Bundesräte auch der neuen Ermittlungs- und Beschwerdestelle zur Aufklärung von Misshandlungsvorwürfen gegen die Polizei. Diese wird mit umfassenden polizeilichen Befugnissen ausgestattet und als eigene Organisationseinheit im zum Innenministerium gehörigen Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) angesiedelt – laut Regierungsvorlage bewusst „außerhalb der klassischen Hierarchie der Sicherheitsexekutive“.

PLENARDEBATTE ZUM KRISENSICHERHEITSGESETZ: OPPOSITION BETONT DEMOKRATIEPOLITISCHE GEFAHREN

Im Bundesratsplenum kündigte der oberösterreichische SPÖ-Mandatar Dominik Reisinger die Ablehnung seiner Fraktion bezüglich des B-KSG an. Er begründete dies unter anderem mit „tausenden“ Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren, deren Vorbehalte bis dato noch nicht ausgeräumt hätten werden können. Zudem sei die Krisendefinition im Gesetz „schwammig und nichtssagend“, wodurch viele Fragen offen geblieben seien. Reisinger stieß sich auch am Feststellungsverfahren einer Krise, für die eine einfache Mehrheit im Hauptausschuss ausreiche, und an der fehlenden Einbindung der Länder, Gemeinden und Blaulichtorganisationen in der Genese des Gesetzes. Das Bundeslagezentrum im Innenministerium bezeichnete Reisinger als „sinnlosen Bunkerbau“ für rund 50 Mio. €.

Sowohl die Vielzahl negativer Stellungnahmen zum Gesetz als auch die Einigkeit der Opposition in dessen Ablehnung sollten laut Andreas Arthur Spanring (FPÖ/N) eigentlich ein „Alarmsignal“ für Innenminister Gerhard Karner sein. Dieser beachte diese Ablehnung jedoch ebenso wenig, wie das „niederschmetternde Zeugnis“ des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes. Auf geschichtliche Bespiele rekurrierend, zeigte Spanring die demokratiepolitischen Risiken auf, die von Krisengesetzen und Notverordnungen ausgehen könnten. Außerdem wäre das B-KSG „unnötig“, wenn die Bundesregierung die Umfassende Landesverteidigung ernst nehmen würde. Auch Spanring wandte sich gegen den aus seiner Sicht unklaren Krisenbegriff und die seiner Meinung nach mangelhafte Einbindung des Parlaments. Das Bundeskrisenlagergesetz sah er als „Kaschierung der in die Hose gegangenen Impfstoffbeschaffung“ der Bundesregierung. Spanrings oberösterreichischer Fraktionskollege Günter Pröller wies darauf hin, dass mit der vorliegenden Krisendefinition seit 2020 quasi permanent der Krisenzustand hätte ausgerufen werden können.

NEOS-Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky aus Wien betonte die Bedeutung der Krisenprävention, bemängelte jedoch den vorgesehenen „Krisenstab ohne echte Kompetenzen“, ein „Wirrwarr an Arbeitskreisen“ und den aus seiner Perspektive überflüssigen „Bunker“ im Innenministerium. Das B-KSG ändere nichts an den unklaren Kommunikationsflüssen und wiederhole alle „Systemfehler“ der Corona-Pandemie. Auch Arlamavosky wies auf die demokratiepolitischen Risiken des Gesetzes hin.

Es gehöre zu den Kernaufgaben des Staates, sich zum Schutz der Bevölkerung auch auf „alle Eventualitäten“ vorzubereiten, erklärte Silvester Gfrerer (ÖVP/S). Je besser man durch eine gute Krisenprävention  vorbereitet sei, desto schneller könne man im Anlassfall handeln und helfen. Deshalb brauche es ein „Grundgerüst“ für das Krisenmanagement, das durch das B-KSG geschaffen werden, so Gfrerer.

Ähnlich beurteilte Marco Schreuder (Grüne/W) das Gesetz. Er zeigte kein Verständnis für die Kritik der Opposition, da das Parlament mit dem B-KSG durch den Hauptausschuss zum ersten Mal im Krisenmanagement eingebunden werde. Außerdem kann die Krisendefinition laut Schreuder mangels „prophetischer Kraft“ der Bundesregierung realistisch nicht klarer formuliert werden, wenn man für alle Möglichkeiten des Krisenfalls gerüstet sein wolle. Er betonte, dass nunmehr auch vulnerable Gruppen, wie Menschen mit Behinderungen oder geringen Deutschkenntnissen stärker in der Krisenkommunikation berücksichtigt würden.

Innenminister Gerhard Karner erinnerte daran, dass das B-KSG auf einem einstimmigen Beschluss des Hohen Hauses beruhe. Nach einem „langen und intensiven“ Gesetzwerdungsprozess, in dem rund 11.800 Stellungnahmen begutachtet und teilweise eingearbeitet wurden, sei es legitim, dass nun unterschiedliche Sichtweisen über die Umsetzung des Gesetzes vorlägen. Etwa 11.750 der Stellungnahmen seien laut Karner jedoch ident formuliert. Die Ziele des Gesetzes seien möglichst klare Rahmenbedingungen, schnelle Informationsflüsse und effiziente Strukturen für das staatliche Krisenmanagement aufzubauen, so Karner.

DISKUSSION UM DIE UNABHÄNGIGKEIT DER ERMITTLUNGSSTELLE GEGEN POLIZEIGEWALT

Bezüglich der Ermittlungs- und Beschwerdestelle zur Aufklärung von Misshandlungsvorwürfen gegen die Polizei schickte Michael Wanner  (SPÖ/S) voraus, dass es bei über 23.000 Anwendungen von Zwangsmitteln im Jahr 2022 lediglich 322 Beschwerden gegeben habe. Und von diesen hätten nur 1,5 % zu einer tatsächlichen Verurteilung geführt. Sowohl im Sinne der Polizist:innen als auch der Beschwerdeführer:innen sei eine „objektive und gerechte“ Beurteilung dieser Fälle unerlässlich. Dies könne durch die Ansiedlung der Ermittlungsstelle im Innenministerium jedoch nicht gewährleistet werden, erklärte Wanner und regte eine Einrichtung etwa bei der Volksanwaltschaft an.  

Isabella Theuermann (FPÖ/K) sprach von einer „Diffamierungs- und Vernaderungsstelle“ sowie einem „manifestierten Generalverdacht“ gegen alle Exekutivbeamt:innen. Besonders den Grünen warf sie vor, ihre „antistaatliche Haltung“ in das Gesetz einfließen gelassen zu haben. Generell hielt Theuermann die Ermittlungsstelle für unnötig, da es bereits ausreichend Möglichkeiten gebe, Fehlverhalten seitens der Polizei zu ahnden, etwa durch Disziplinarbehörden, die Volksanwaltschaft oder durch Gerichte. Ihr Fraktionskollege Christoph Steiner aus Tirol bezichtigte Innenminister Karner, den Polizeibeamt:innen nicht den Rücken zu stärken, insbesondere was den Umgang mit Klima-Aktivist:innen betreffe.

Die Anwendung von Zwangsgewalt dürfe niemals willkürlich erfolgen, betonte Ernest Schwindsackl (ÖVP/St). Gerade in letzter Zeit habe die Exekutive im „sensiblen Spannungsfeld“ zwischen Versammlungsfreiheit und Sicherheit äußerst professionell agiert. Ziel der Ermittlungsstelle sei es, ihre Arbeit zu unterstützen, indem Vorwürfe der Misshandlung so rasch wie möglich aufgeklärt werden, sagte Schwindsackl.

Die schnelle Aufklärung solcher Fälle im Sinne aller Beteiligten stellte auch Marco Schreuder (Grüne/W) ins Zentrum seiner Ausführungen. Er unterstrich die Unabhängigkeit der Stelle und verwies auf den vorgesehenen weisungsfreien Beirat, an den jede Weisung an die Ermittlungsstelle übermittelt werden müsse. Die Stelle könne nicht etwa bei der Volksanwaltschaft angesiedelt werden, da für ihre Tätigkeit Ermittlungsbeamt:innen gebraucht würden. Durch ihre Einrichtung ist laut Schreuder das Ziel erreicht, dass niemand, der Opfer von Polizeigewalt wird, sich auch an die Polizei wenden muss, um sich zu beschweren.

Innenminister Karner verwies auf die Professionalität der Polizei, die sie vor allem bei den Corona-Demonstrationen aber auch im Umgang mit den Klima-Aktivist:innen unter Beweis gestellt habe. Auch er pochte auf die Unabhängigkeit der neuen Stelle, die durch die Ansiedelung klar außerhalb polizeilicher Strukturen und durch den einzurichtenden Beirat sichergestellt werde. Den Bedenken der FPÖ hielt er entgegen, dass es auch angesichts der Einführung der Body-Cams ähnliche Kritikpunkte gegeben habe. In Folge habe sich jedoch herausgestellt, dass diese den Polizist:innen letztendlich mehr genutzt als geschadet hätten, so Karner. (Fortsetzung Bundesrat) wit

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