„kulturMontag“: Ensor-Jubiläum in Belgien, Kušejs Abschied vom Burgtheater, Politik im Spiegel der Leipziger Buchmesse

Danach: „Schreiben gegen die Angst – Robert Schindel im Porträt“ und Schindel-Verfilmung „Gebürtig“ – am 25. März ab 22.30 Uhr, ORF 2

Wien (OTS) – Der von Peter Schneeberger präsentierte „kulturMontag“ am 25. März 2024 um 22.30 Uhr in ORF 2 widmet sich dem Werk des belgischen Malers James Ensor, dessen 75. Todestag heuer mit zahlreichen Ausstellungen und Feierlichkeiten groß begangen wird. Weiters zieht die Sendung Resümee der Intendanz des scheidenden Burgtheater-Direktors Martin Kušej, dessen Abschiedsstück „Orpheus steigt herab“ am 23. März Premiere feiert. Außerdem befasst sich das Magazin u. a. mit der Rolle der gerade gestarteten Leipziger Buchmesse als Spiegel gesellschaftlicher wie politischer Debatten. Anschließend steht die neue Dokumentation „Schreiben gegen die Angst – Robert Schindel im Porträt“ (23.30 Uhr) zum 80. Geburtstag des Lyrikers und Autors auf dem Programm.

Meister der Masken – 75. Todestag des belgischen Malers James Ensor

Das Scheinheilige, Hässliche, Bösartige und Hintertriebene wollte er demaskieren, der Gesellschaft des Fin de Siècle einen Spiegel vorhalten. Ähnlich wie sein niederländischer Kollege Vincent van Gogh war der Belgier James Ensor, dessen Bilder im ausgehenden 19. Jahrhundert aus dem Rahmen der etablierten Salonmalerei fielen, ein Außenseiter – unverstanden und isoliert. Doch er schaffte mit seinen makabren Bildwelten den Aufstieg ins Establishment, wurde von König Albert I. zum Baron geadelt, von prominenten Künstlern, Literaten oder Wissenschaftern wie etwa Emil Nolde, Stefan Zweig oder Albert Einstein hofiert. Stilistisch lässt sich James Ensor kaum einordnen, changiert er doch in seinen Werken gekonnt zwischen Expressionismus, Surrealismus und Symbolismus. Der Einsatz von fantastischen Elementen wie Masken hat in seinem Werk eine zentrale Bedeutung, so dass man ihn oft nur als „Maler der Masken“ bezeichnete. Wer war dieser Mann, der vor 75 Jahren sogar ein Staatsbegräbnis bekam? Die belgische Stadt Ostende, wo Ensor 1860 geboren wurde, bis auf einen kurzen Aufenthalt in Brüssel durchgehend gelebt hat und 1949 starb, feiert ihren berühmtesten Sohn ausgiebig. Nach diversen Ausstellungen und Feierlichkeiten im Nordsee-Badeort in den ersten Monaten des Jubiläumsjahres übernimmt Antwerpen die Ensor-Würdigung.

Der streitbare Theatermacher – Martin Kušejs Abschied vom Burgtheater

Vor fünf Jahren hat der gebürtige Kärntner Slowene Martin Kušej als künstlerischer Leiter das Wiener Burgtheater übernommen, die Vorfreude und die Erwartungshaltungen waren groß. Er wollte ein europäisches Theater präsentieren, extrem kontrovers, zeitgenössisch und international sollte es sein. Doch dann kam Corona und die Theaterszene wurde für Monate stillgelegt. Eine Herausforderung für das renommierte Haus am Ring, das sich in dieser Zeit gegen ein Streaming-Angebot entschieden hat. Kušej musste dafür von den Medien heftige Kritik einstecken. Künstlerisch konnte er viele seiner Pläne nicht umsetzen, er hoffte auf eine Verlängerung seines Vertrages um weitere fünf Jahre, doch dazu kam es nicht. Ab Herbst 2024 wird der Schweizer Theatermacher Stefan Bachmann das Wiener Burgtheater übernehmen. Martin Kušej beendet seine letzte Saison, die er unter den programmatischen Leitsatz „Aufwachen, bevor es finster wird“ als deutliches Zeichen gegen den politischen Rechtsruck, Xenophobie und drohende Gefahren für demokratische Systeme gestellt hat, nun mit seiner Inszenierung von Tennessee Williams’ Stück „Orpheus steigt herab“ – ein politisches Drama über eine Gesellschaft, die von Fremdenhass geprägt ist. Der „kulturMontag“ zieht Resümee der Intendanz eines streitbaren Theatermannes und Peter Schneeberger bittet den scheidenden Direktor zum Gespräch.

Der Aufschwung der Rechten – Politik im Spiegel der Leipziger Buchmesse

Die Leipziger Buchmesse verwandelt die Stadt in Sachsen derzeit wieder in eine gigantische Lesebühne. Seit jeher versteht sich die Veranstaltung, die als die wichtigste deutsche Literaturschau nach Frankfurt gilt, als Zentrum gelebter Demokratie. Auch unter Neo-Direktorin Astrid Böhmisch, die Themen wie Freiheit, Demokratie und Diversität als Werte ansieht, um die es immer wieder zu kämpfen gilt. Buchmessen sind nicht zuletzt Spiegel gesellschaftlicher Debatten: So wird der Umstand, dass im Jahr 2024 Demokratien weltweit vor wichtigen Wahlentscheidungen stehen, auch in Leipzig zentrales Thema sein. Zumal im Herbst auch in Sachsen Landtagswahlen angesetzt sind, die letzte Wahl 2019 stand ganz im Zeichen hoher Zugewinne der AfD. Dass Rechtspopulismus wie Rechtsextremismus vor allem im Osten Deutschlands auf fruchtbaren Boden stoßen, ist weithin bekannt. Warum das so ist, versucht der „kulturMontag“ u. a. mit dem israelisch-deutschen Philosophen Omri Boehm oder dem deutsch-US-amerikanischen Autor und Politikwissenschafter Yascha Mounk, zu ergründen. Der renommierte Harvard-Politologe untersucht in seinem aktuellen Buch den Zerfall der Demokratie und legt Ursachen und Mechanismen offen, die westliche liberale Rechtsstaaten erodieren lassen. Auf die Rolle der Leipziger Buchmesse in dieser schwierigen politischen Gemengelage wird in besonderer Weise eingegangen.

Doku „Schreiben gegen die Angst – Robert Schindel im Porträt“ (23.30 Uhr)

Sich selbst bezeichnet Robert Schindel immer wieder gern als „wienerisch-jüdischen Schriftsteller“: Wien, hier vor allem die Leopoldstadt, ist für ihn zentraler Schreib- und Lebensort. Wien, die Stadt, in der er als Kind kommunistischer und deportierter Eltern versteckt überlebt hat. In seiner Wohnung im zweiten Bezirk, in der er seit Jahrzehnten lebt, nimmt das Filmporträt des bedeutenden österreichischen Autors seinen Anfang. An den Wänden lässt sich seine Familiengeschichte nachvollziehen, nicht zuletzt hängen dort Fotografien seiner Mutter, die Auschwitz überlebt und ihren Sohn dann wieder in Wien gefunden hat – sein Vater wurde in Dachau ermordet. Über die Mutter schreibt Robert Schindel: „Die junge Frau ist nicht nur ein Untermensch gewesen, sie ist zusätzlich eine Kommunistin geblieben“. So durchläuft Robert Schindel die Kinder- und Jugendorganisationen der Kommunistischen Partei, schreibt als Volksschulkind einen Brief an den kränkelnden Stalin, viel später, nachdem er auch noch Maoist war, wird er sich schließlich ganz fürs Renegatentum entscheiden.
Mit Robert Schindel gehen die Regisseurinnen Katja Gasser und Imogena Doderer auf Spurensuche: Sie besuchen u. a. die Jesuitenwiese, wo man ihm, der als Kind gern und gut Fußball gespielt hat, „Hoppauf, Herr Jud!“ nachgebrüllt hat, statten seiner Volkschule einen Besuch ab, in der er eine „nazistische Volksschullehrerin“ hatte, „die es liebte, mit dem Lineal auf Fingerspitzen zu schlagen“. Eine weitere Station ist das Café Hawelka, das Schindel, der Unterschiedliches studiert hat, als seine „wirkliche Universität“ bezeichnete.
Wie eng Literatur und Leben zusammenwirken, wie wenig das eine vom anderen zu trennen ist und wie sehr zugleich doch das eine vom anderen unterschieden werden muss, das versucht der Film zu zeigen. Dass Angst und Schreiben in Robert Schindels Fall eng miteinander verwoben sind, hebt der Autor immer wieder hervor, so wie in seinem 1992 erschienenen ersten Roman „Gebürtig“. Ohne die Angst, die mit dem „großen Judenschmerz“ (Heinrich Heine) unauflösbar zusammenhängt, wäre Schindel wohl kein Schriftsteller geworden. Dass er einer geworden ist, ist ein Glück für die deutschsprachige Literatur – von diesem Glück, das in einem großen Unglück wurzelt, erzählt die Dokumentation.

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