Selenskyj-Besuch führt zu Debatte im Nationalrat

Abgeordnete diskutieren wegen Dringlicher Anfrage über Besuch des ukrainischen Präsidenten in Wien

Eine Dringliche Anfrage der FPÖ bot heute im Nationalrat die Gelegenheit für eine Debatte über den Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Wien. Für die Freiheitlichen steht der heutige Besuch nicht im Einklang mit der österreichischen Neutralität. ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne warfen der FPÖ Russlandnähe und die Verbreitung russischer Propaganda vor. Sie betonten die Bedeutung von diplomatischen Bemühungen und humanitärer Hilfe Österreichs für die Ukraine.

FPÖ POCHT AUF NEUTRALITÄT

Christian Hafenecker (FPÖ) warf der Regierung eine „gezielte Sabotage des parlamentarischen Betriebs“ vor. Im Parlament finde heute die wichtigste Sitzung des Jahres rund um das Budget statt, die Medien würden aber vom Besuch des ukrainischen Präsidenten berichten. Die Regierung wolle damit vom „Desaster Budget“ ablenken. Gerade in einem Jubiläumsjahr sollte man die Neutralität nicht mit Füßen treten, so Hafenecker, sondern sie neu fokussieren.

Die FPÖ-Abgeordneten stellten während der Debatte Schilder mit der Aufschrift „Zeit für Frieden“ bzw. „Zeit für Neutralität“ auf ihren Plätzen auf. Zweiter Nationalratspräsident Peter Haubner ersuchte die Freiheitlichen nach einiger Zeit, diese Schilder wieder zu entfernen. Es entspreche der parlamentarischen Usance, Schilder nicht länger als 30 Sekunden zu zeigen. Die FPÖ kam dem nach der zweiten Aufforderung nach.

Die oberste Maxime der Freiheitlichen sei die „Zuwendung zum eigenen Volk“ und die Vertretung der Interessen der Bevölkerung, führte Axel Kassegger (FPÖ) aus. Das gelte ökonomisch wie sicherheitspolitisch. Kassegger hinterfragte den wirtschaftlichen Nutzen der Hilfe für die Ukraine und meinte, der Selenskyj-Besuch sei der Neutralität Österreichs nicht dienlich. Sein Parteikollege Martin Graf sprach sich dafür aus, sich für einen Waffenstillstand einzusetzen, „damit das Töten und Morden auf beiden Seiten aufhört“. Christoph Steiner sagte, die FPÖ werde auf allen Ebenen für die Neutralität kämpfen.

ÖVP VERMISST VERURTEILUNG DES ANGRIFFSKRIEGS DURCH FPÖ

Für Andreas Minnich (ÖVP) könnten die Reden der freiheitlichen Abgeordneten „direkt aus Radio Moskau“ stammen. Er wies auf den russischen Angriff auf ein souveränes Land, den Bruch von Völkerrecht, Vergewaltigungen, Kindesentführungen und andere Kriegsverbrechen hin. Es sei beschämend, dass von der FPÖ kein Satz dazu komme, so Minnich. Dass der Besuch des ukrainischen Präsidenten die österreichische Neutralität gefährde stimme nicht. Selenskyj sei auch bereits in der Schweiz zu Besuch gewesen.

Auch Gudrun Kugler (ÖVP) wies darauf hin, dass die Freiheitlichen in ihren Reden keine einzige Sekunde für die Verurteilung des brutalen Angriffskrieges verwendet hätten. Die diplomatische Verantwortung wahrzunehmen bedeute nicht, die Neutralität zu gefährden. Österreich könne und müsse einen Beitrag leisten, zeigte sich Kugler überzeugt.

SPÖ SIEHT FPÖ DURCH RUSSLANDNÄHE ALS GEFAHR FÜR NEUTRALITÄT

Petra Bayr (SPÖ) führte ebenfalls Besuche von Wolodymyr Selenskyj in der Schweiz an. Die Neutralität der Schweiz sei damit auch nicht zusammengebrochen, betonte Bayr. Gerade als neutraler Staat leiste Österreich einen wichtigen Beitrag für die Menschen in der Ukraine. Die humanitäre Hilfe sei für die Bevölkerung nach wie vor überlebenswichtig. Außerdem werde Österreich sich auf diplomatischem Weg für einen gerechten, umfassenden und dauerhaften Frieden einsetzen und Wien als Plattform für Gespräche anbieten, so die Abgeordnete.

Neutralität als Unabhängigkeit von allen Machtblöcken betonte auch Klaus Seltenheim (SPÖ). Gerade die FPÖ höhle aber seit Jahrzehnten die Neutralität aus und diene den Interessens Putins, meinte er. Seltenheim führte etwa einen Antrag von Jörg Haider für einen NATO-Beitritt und den Freundschaftsvertrag der FPÖ mit Putins Partei an. Vor diesem Hintergrund sei die FPÖ nicht die Beschützerin, sondern die Gefährderin der Neutralität und „Österreichs größte Sicherheitslücke“.

NEOS SCHÄMEN SICH FÜR FREIHEITLICHE

Für Yannick Shetty (NEOS) sollte am heutigen Tag eigentlich die Erinnerung an die Opfer des Amoklaufs von Graz und das gemeinsame Mitgefühl im Zentrum stehen. Leider gebe es aber Kräfte im Haus, denen selbst dieser Moment nicht heilig sei, sagte er in Richtung FPÖ. Er ortete eine „populistische Scheindebatte“ über die Neutralität sowie ein „durchsichtiges Manöver“ mit dem Ziel, zu spalten. Er schäme sich dafür, dass Abgeordnete des Hohen Hauses russische Propaganda verbreiten würden. Shetty berichtete von einer Reise in die Ukraine. Die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch erhielt für ihren Zwischenruf, Shetty habe dabei „Spaß gehabt“, einen Ordnungsruf.

Veit Valentin Dengler (NEOS) warf der FPÖ ebenfalls vor, „für Moskau zu sprechen“. Die Freiheitlichen würden sich immer gern als Patrioten geben, sagte Dengler. Er frage sich nur, für welches Land sie Patrioten seien. Henrike Brandstötter (NEOS) nannte die Haltung der FPÖ eine „Schande“. Die Freiheitlichen würden sich klar auf die Seite des Aggressors stellen, kritisierte Brandstötter ebenso wie Dominik Oberhofer (NEOS).

GRÜNE SEHEN DRINGLICHE ANFRAGE ALS „KNIEFALL VOR RUSSLAND“

Auch Werner Kogler (Grüne) machte eine Nähe der FPÖ zu Russland zum Thema. Er sei sich bei den Reden der Freiheitlichen „vorgekommen wie beim Putin-Sender“. Wer einen Freundschaftsvertrag mit einem „Massenmörder“ abschließe, brauche nicht zu erklären, was der österreichische Staatsvertrag in Sachen Neutralität bedeute. Kogler zeigte sich der Bundesregierung und dem Bundespräsidenten gegenüber dankbar dafür, dass sie Selenskyj empfangen. Es wäre gut, wenn beim Treffen ausgelotet werden könne, welchen Beitrag Österreich zu einem Waffenstillstand und einem gerechten Frieden leisten könne.

Meri Disoski (Grüne) bezeichnete die Dringliche Anfrage der FPÖ als „weiteres Kapitel in der langen Geschichte politischer Anbiederung an den Kreml“. Die Anfrage sei kein Ausdruck von Sorge um die österreichische Neutralität, sondern ein politischer Kniefall vor Russland, so Disoski. (Fortsetzung Nationalrat) kar

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