
Kontroverse Debatte über Beschaffungen im Landesverteidigungsausschuss
Abgeordnete behandeln Jahresbericht 2024 der Beschaffungs-Prüfkommission
Für eine hitzige Debatte im Landesverteidigungsausschuss sorgte heute der Jahresbericht 2024 der Beschaffungs-Prüfkommission (BPK), die als beratendes Gremium der Verteidigungsministerin die gesetzmäßige Vollziehung sowie eine sparsame Gebarung bei Beschaffungen für das Bundesheer sicherstellen soll (III-248 d.B.).
In ihrem Bericht weist sie unter anderem auf aus ihrer Sicht mögliche Präjudizierungen von Vergabeverfahren hin – etwa durch vorab kommunizierte Systementscheidungen, völkerrechtliche Vereinbarungen oder durch enge technische Spezifikationen – und empfiehlt eine frühere Einbindung der vergaberechtlichen Fachstelle sowie einen Ausbau des Compliance-Managements. Das Verteidigungsressort zeigt sich in seiner Stellungnahme zwar offen für die Weiterentwicklung bestehender Maßnahmen, widerspricht jedoch zentralen Einschätzungen der BPK. Mehrere Feststellungen würden auf „Mutmaßungen“ beruhen. Insbesondere die Annahmen zu Präjudizierungen oder zu Defiziten im Compliance-Informations- und Weiterbildungswesen seien aus Sicht des Ressorts nicht zutreffend.
Im Ausschuss konfrontierte die Opposition Verteidigungsministerin Klaudia Tanner mit den „durchaus schwerwiegenden Mängeln“ bei den Beschaffungsvorhaben, wie etwa Gerhard Kaniak (FPÖ) formulierte. Tanner entgegnete, dass Vergabeverfahren „in keiner Art und Weise“ präjudiziert worden seien und die BPK auch keinerlei Rechtswidrigkeiten festgestellt habe, wie auch deren Vorsitzender im Ausschuss bestätigte.
Auf Antrag der Freiheitlichen wird der Bericht im Plenum weiterdebattiert. Ein Antrag der Grünen, den BPK-Jahresbericht dem Nationalrat automatisch und ohne Verzögerung spätestens bis zum 31. März des Folgejahres zuzuleiten, wurde von den Koalitionsparteien vertagt.
TANNER WEIST VORWÜRFE DER PRÄJUDIZIERUNGEN ZURÜCK
Die BPK prüfte 2024 vier Beschaffungsvorhaben: die Nachfolge des Transportflugzeugs C-130 („Hercules“), die Beschaffung der Fliegerabwehr mittlerer Reichweite (mFAL) im Rahmen der European Sky Shield Initiative (ESSI), die Beschaffung von 35.600 Kampfstiefeln für das Bundesheer sowie den Bau eines Simulationsgebäudes für die neue Hubschrauberflotte AW-169 in Langenlebarn. Bis auf letzteres habe es bei allen Vorhaben „umfangreiche Vorarbeiten“ gegeben, die dem Eindruck der BPK nach dazu geeignet seien, das Vergabeverfahren zu präjudizieren. Nach diesen Beschaffungsvorhaben erkundigten sich auch Volker Reifenberger, Gerhard Kaniak, Axel Kassegger (alle FPÖ), Michael Hammer, Manfred Hofinger (beide ÖVP), Mario Lindner, Petra Oberrauner (beide SPÖ), Douglas Hoyos Trauttmannsdorff, Christoph Pramhofer (beide NEOS) und David Stögmüller (Grüne).
Kaniak sprach von „durchaus schwerwiegenden Mängeln“, die die BPK festgestellt habe. Objektive und kostensparende Ausschreibungen seien durch Vorentscheidungen „torpediert“ worden. Es wirke sich negativ auf den Kaufpreis aus, wenn eine politische Entscheidung etwa für ein Flugabwehrsystem „öffentlichkeitswirksam“ kommuniziert werde, erklärte auch Kassegger. Dies sei etwa bei der Flugabwehr mittlerer Reichweite der Fall, wo bei einer Pressekonferenz im September 2023 bereits verkündet worden sei, dass das Modell IRIS-T beschafft werden solle, ergänzte Reifenberger. Einen „fahlen Beigeschmack“ nahm er auch bei der Beschaffung der Kampfstiefel wahr, wo die technischen Spezifikationen laut Bericht so eng gefasst worden seien, dass nur ein Anbieter in Betracht gekommen sei.
Verteidigungsministerin Tanner entgegnete, dass es unterschiedliche Blickwinkel auf die Beschaffungsvorgänge gebe, die sie auch mit der Einrichtung der Kommission einholen wollte. „In keiner Art und Weise“ sei jedoch die Entscheidung für irgendein Modell präjudiziert worden. Tanner wollte festgehalten wissen, dass sie diese Vorhaltungen als Unterstellung des Amtsmissbrauches wahrnehme und entschieden zurückweise. Die BPK habe keinerlei Rechtswidrigkeiten festgestellt. Friedrich Ofenauer (ÖVP) sprach von einem „Sturm im Wasserglas“. Gleichwohl bekenne sich Tanner dazu, dass es immer noch Optimierungsbedarf gebe. So sei in ihrem Ressort bereits eine Langzeitstrategie zum Thema Compliance erarbeitet worden, antwortete Tanner den Abgeordneten Michael Hammer (ÖVP) und Petra Tanzler (SPÖ). Zudem gehe es ihr darum, „immer das Beste“ für die Truppe zu beschaffen. So habe es etwa bei den Kampfstiefeln eine intensive Erprobungsphase gegeben, wie Tanner gegenüber Kaniak erklärte, der die lange Dauer von deren Beschaffung bemängelte. In diesem Zusammenhang hob Tanner auch die „hervorragende Arbeit“ der Heeresbekleidungsanstalt hervor.
Zur einer möglichen frühzeitigeren Einbindung der vergaberechtlichen Fachabteilung in den Vergabeverfahren, nach der sich Michael Hammer (ÖVP), Petra Oberrauner (SPÖ) und Douglas Hoyos Trauttmansdorff (NEOS) erkundigten, führte Tanner aus, dass diese erst nach Vorliegen aller Informationen erfolgen könne. Ein Experte des Ressorts erläuterte dem Ausschuss den gesamten Beschaffungsprozess des BMLV von der Beschreibung der Bedarfslage durch die Einsatzführung über die Planung samt Markt- und Technologieanalysen bis zum sogenannten Einleitungsakt und der Empfehlung an die Verteidigungsministerin bezüglich der vorzunehmenden Beschaffungen.
Auch bei den Beschaffungen der Nachfolge der C-130 oder den Kampfstiefeln sei dies so verlaufen, wie bei rund weiteren 4.500 jährlichen Beschaffungen des BMLV. Bei der Fliegerabwehr habe es ebenfalls keine Präjudizierung gegeben. Das Modell IRIS-T sei bereits seit 2007 bei den Eurofightern im Einsatz und stellten im Rahmen der ESSI eine Option dar, so der Experte. Eine diesbezügliche Entscheidung sei noch nicht gefallen – es kämen etwa sechs Anbieter in Frage. Die genauen technischen Spezifikationen etwa bei den Kampfstiefeln seien insbesondere auch für den Abnahmevorgang und die darauf folgende Güteprüfung erforderlich, erklärte der Experte gegenüber Gerhard Kaniak (FPÖ), Christoph Pramhofer (NEOS) und David Stögmüller (Grüne).
DEBATTE ÜBER KONTROLLRECHTE DES PARLAMENTS
Ebenfalls für Debatten sorgte, dass der Bericht der BPK erst mit sieben Monaten Verzögerung im Ausschuss behandelt werde, wie Volker Reifenberger (FPÖ) und David Stögmüller (Grüne) kritisierten. Zudem stieß sich Reifenberger daran, dass kein für den Bericht verantwortliches Mitglied der BPK im Ausschuss zugegen gewesen sei. Anwesend war der neue Vorsitzende der Kommission, der noch nicht am Jahresbericht 2024 beteiligt gewesen sei. Reifenberger stellte auch einen Vertagungsantrag, um den Bericht in einer folgenden Ausschusssitzung mit verantwortlichen Mitgliedern der BPK behandeln zu können. Mit lediglich den Stimmen von FPÖ und Grünen blieb dieser jedoch in der Minderheit.
Verteidigungsministerin Tanner stellte klar, dass das Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz (LVFinG) nur festlege, dass die BPK einzurichten, nicht jedoch, dass ein Bericht vorzulegen sei. Man tue dies jedoch aus Gründen der Transparenz. Die BPK sei auch kein parlamentarisches Kontrollinstrument, sondern als beratendes Gremium für das BMLV konzipiert. Daher müsse auch kein Mitglied in den Ausschuss „mitgebracht“ werden, erklärte Tanner. Sie verwehre sich allerdings auch nicht dagegen.
Als „unabhängiges Beratungsorgan“ sah die BPK auch deren Vorsitzender, der den Abgeordneten die Arbeit der Kommission erläuterte. Es gehe der Kommission darum, eine externe Sichtweise auf Beschaffungsvorgänge einzubringen und Risiken aufzuzeigen, um etwaige Mängel „auszumerzen“. So werde etwa auch die Umsetzung der neuen Compliance-Strategie durch die BPK überwacht. Der Kommission seien alle notwendigen Informationen vom BMLV zur Verfügung gestellt worden, wobei es sich auch um komplexe und sensible Inhalte handle, die nicht in den Bericht eingeflossen seien, wie David Stögmüller (Grüne) erfragte. Es seien im Zuge der Prüfungen keine Gesetzwidrigkeiten festgestellt worden, betonte der Vorsitzende. Er zeigte auch Verständnis dafür, dass gerade bei militärischen Beschaffungen „nicht unendlich viele Anbieter“ zur Verfügung stünden sowie, dass Planungen auch schon vor der vergaberechtlichen Prüfung notwendig seien. Die BPK habe lediglich darauf hingewiesen, dass die vergaberechtliche Fachabteilung möglichst früh eingebunden werden sollte.
Weiters interessierten sich Elisabeth Götze für Industriekooperationen im Rüstungsbereich und Mario Lindner (SPÖ) für etwaige Genehmigungspflichten für Hubschrauberflüge.
GRÜNE WOLLEN AUTOMATISCHE ÜBERMITTLUNG DES BPK-BERICHTS
David Stögmüller bemängelte auch in einem Entschließungsantrag die aus seiner Sicht verspätete Vorlage des BPK-Berichts 2024 (602/A(E)). Die Öffentlichkeit habe ein berechtigtes Interesse daran, die Einschätzungen der BPK ohne Verzögerungen zu erhalten, meinte er im Ausschuss. Daher sei das LVFinG so abzuändern, dass der jährliche Prüfbericht der BPK dem Nationalrat automatisch und ohne Verzögerung spätestens bis zum 31. März des Folgejahres zuzuleiten sei. Volker Reifenberger (FPÖ) erachtete den Antrag der Grünen als sinnvoll. Generell skeptisch gegenüber Vorgaben zur Berichtslegung, wie sie die Grünen fordern, zeigte sich Harald Servus (ÖVP). Er sprach sich für die Vertagung des Antrags aus. (Fortsetzung Landesverteidigungsausschuss) wit/sox
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