
Arbeitslosenversicherung: Beiträge werden auch für geringverdienende Selbständige gesenkt
Sozialausschuss befasste sich außerdem mit Tätigkeitsbericht des Behindertenanwalts
Wien (PK) – Der Nationalrat hat im Frühjahr dieses Jahres
beschlossen, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge für
NiedrigverdienerInnen zu senken. Wer weniger als 1.948 € verdient,
muss seit Juli lediglich einen reduzierten Beitragssatz zahlen. Bei
einem Einkommen unter 1.648 € entfallen die Beiträge sogar gänzlich.
Nun soll auch für selbständig Beschäftigte, die freiwillig in der
Arbeitslosenversicherung versichert sind, eine analoge Regelung
kommen. Eine entsprechende Gesetzesinitiative der Koalitionsparteien
erhielt heute im Sozialausschuss des Nationalrats mehrheitliche
Zustimmung. Damit wird auch einem Anliegen der NEOS Rechnung
getragen. NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker verweigerte dennoch seine
Zustimmung zur Gesetzesnovelle, da ihm zufolge nicht ausgeschlossen
ist, dass auch Selbständige mit Spitzenverdienst von der
Beitragssenkung profitieren. Kritik kam auch von der SPÖ.
Konkret werden Selbständige, die in die niedrigste
Beitragsgrundlagen-Stufe (1.496,25 €) fallen, monatlich nur noch
44,89 € für die freiwillige Arbeitslosenversicherung zahlen müssen.
Das entspricht de facto dem Arbeitgeberanteil von 3%. Derzeit sind 6%
(89,78 €) fällig. Gelten soll die neue Bestimmung rückwirkend ab Juli
dieses Jahres. Gleiches gilt für eine mit dem ÖVP-FPÖ-Antrag ( 442/A
) vorgenommene gesetzliche Klarstellung, mit der eine unbeabsichtigte
Schlechterstellung einer kleinen Gruppe von Lehrlingen vermieden
werden soll.
Laut Tanja Graf (ÖVP) geht es vor allem um Lehrlinge in der
Bauindustrie im vierten Lehrjahr und erwachsene Lehrlinge im zweiten
Bildungsweg. Auch sie sollen in jedem Fall von der Beitragssenkung
profitieren. Mit dem nunmehrigen Beschluss repariere man eine nicht
beabsichtigte Regelung, hielt FPÖ-Abgeordneter Hannes Amesbauer
ergänzend fest.
Grundsätzlich erfreut über die Gesetzesinitiative zeigte sich auch
NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker. Er selbst hatte bereits zuvor zu
dieser Thematik einen Entschließungsantrag ( 309/A(E) ) eingebracht,
der heute mit in Verhandlung stand. Loacker lehnte den
Koalitionsentwurf letztendlich aber ab, nachdem Sozialministerin
Beate Hartinger-Klein bestätigt hatte, dass auch gut verdienende
Selbstständige von der Beitragssenkung profitieren, wenn sie bei der
freiwilligen Arbeitslosenversicherung in die niedrigste
Beitragsgrundlage optieren. Das sei nicht Sinn der Sache, sagte
Loacker, dessen Entschließungsantrag schließlich keine Mehrheit fand.
Erhebliche Bedenken hat auch die SPÖ. Abgeordneter Alois Stöger
erachtet es als absurd, eine freiwillige Versicherung de facto
kostenfrei anzubieten und noch dazu eine fremde Gruppe – nämlich
ArbeitnehmerInnen, die volle Beiträge zahlen, – dafür zur Kasse zu
bitten. Auch sein Fraktionskollege Markus Vogl hält das für nicht
fair und nicht gerecht.
Sozialministerin Hartinger-Klein machte demgegenüber geltend, dass
auch in der niedrigsten Beitragsgrundlage ein Beitragssatz von 3%
anfalle. Selbständige würden „nie null zahlen“. Das gelte auch für
gut verdienende Selbstständige, die in die niedrigste
Beitragsgrundlage hineinoptieren. Diese würden bei Arbeitslosigkeit
im Übrigen auch nur eine geringe Leistung erhalten.
Behindertenanwalt Hofer urgiert bundeseinheitliche Regelung für
persönliche Assistenz
Einstimmig nahm der Sozialausschuss den Tätigkeitsbericht 2017 von
Behindertenanwalt Hansjörg Hofer zur Kenntnis. Daraus geht hervor,
dass sich im vergangenen Jahr insgesamt 622 Menschen mit Behinderung,
deren Angehörige, Selbsthilfegruppen oder Interessensvertretungen an
die Behindertenanwaltschaft gewendet haben. Vor allem die Themen
Bildung, Arbeit und Wohnen kristallisierten sich aus dem breiten
Spektrum an Sachverhalten als Schwerpunkte heraus, wobei etwa
Diskriminierungen am Arbeitsplatz und fehlende Strukturen zur
schulischen Integration beklagt wurden. Auch der mangelnde Zugang zu
Dienstleistungen der Versicherungswirtschaft ist ein Problemfeld.
Im Ausschuss selbst ging Hofer vor allem auf Probleme von behinderten
Menschen in der Arbeitswelt ein, wobei er etwa die Feststellung der
Arbeitsunfähigkeit durch Ärzte herausgriff. Diese Feststellung werde
ohne berufskundliche Expertise getroffen, kritisierte er. Das führe
dazu, dass junge Menschen, die arbeiten wollen und durchaus
spezifische Tätigkeiten ausüben könnten, aus der Betreuung des AMS
und des Sozialministeriumservice herausfallen, und ewige
BezieherInnen von Familienbeihilfe und Taschengeld bleiben. Auch
könnten sie keine eigenständige Pension erwerben. Hofer betreut etwa
einen Fall, wo jemand nach sechsjähriger Beschäftigung durch das
Zusperren seiner Firma seinen Job verlor und danach, bei
gleichbleibender Beeinträchtigung, als arbeitsunfähig erklärt wurde.
Eine Lösung könnte laut Hofer sein, die Feststellung über eine
Arbeitsunfähigkeit erst dann zu treffen, wenn Betroffene die
Möglichkeit hatten, verschiedene Tätigkeiten auszuprobieren.
Handlungsbedarf sieht Hofer außerdem bei der persönlichen Assistenz.
Die persönliche Assistenz am Arbeitsplatz sei gut geregelt, sagte er,
bei der persönlichen Assistenz für Freizeitaktivitäten gebe es aber
sehr unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Ländern. Ein dem
Pflegefonds nachgebauter Inklusionsfonds, der von Bund und Ländern
gespeist wird, könnte seiner Ansicht nach Abhilfe schaffen. Hier
hakte auch Daniela Holzinger-Vogtenhuber (PILZ) ein, die zumindest
eine Ausweitung der persönlichen Berufsassistenz auf Hilfe zur
Vorbereitung auf den Job, etwa beim Ankleiden in der Früh, für
notwendig erachtet. Alois Stöger (SPÖ) wies darauf hin, dass er als
Sozialminister einen derartigen Inklusionsfonds vorgeschlagen habe,
der jedoch am Finanzminister gescheitert sei. Auch von den Ländern
habe es Vorbehalte gegeben.
Was die grundsätzliche Schwierigkeit behinderter Menschen betrifft,
im Berufsleben Fuß zu fassen, hält Hofer vor allem auch
Bewusstseinsbildung für notwendig, wie er gegenüber
ÖVP-Behindertensprecherin Kira Grünberg erklärte. Man müsse die
Barriere in den Köpfen bekämpfen. Es gebe auch räumliche und
kommunikative Barrieren, diese könnten jedoch mit Geld beseitigt
werden. Im Falle von Vorurteilen und Stereotypen helfe dieses aber
nicht. Es sei wichtig, nicht die Defizite der Betroffenen zu sehen,
sondern ihre Fähigkeiten.
Durchaus vorstellen kann sich Hofer ein Anreizsystem anstelle der
geltenden Ausgleichstaxe, betonte er gegenüber Birgit Sandler (SPÖ).
Dazu brauche es aber Geld. Dieses könnte seiner Meinung nach dadurch
aufgetrieben werden, dass auch Betriebe mit weniger als 25
MitarbeiterInnen in einen Topf einzahlen.
Wie schwierig die Lage für behinderte Personen ist, zeigen von Hofer
präsentierte Zahlen. Demnach sind derzeit mehr als 70.000 Menschen
mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen als arbeitslos gemeldet. Das
sind doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Beschäftigungschancen
sieht Hofer wie die Abgeordneten Gerald Loacker (NEOS) und Peter Wurm
(FPÖ) bei der Führung von Tabaktrafiken, wo der Anteil von Menschen
mit Behinderung derzeit bei nicht ganz 50% liegt. Würde man den
sogenannten „Erbparagraphen“, also die Weitergabemöglichkeit im
Familienkreis, beschränken, könnte dieser Anteil laut Hofer erhöht
werden.
Neuer Aktionsplan für Menschen mit Behinderung
Auf das Auslaufen des Nationalen Aktionsplans für Menschen mit
Behinderung mit Ende 2020 angesprochen, drängte Hofer auf eine rasche
Evaluierung der bisherigen Maßnahmen, um genügend Zeit für die
Erarbeitung eines Neuen Aktionsplans zu haben. Einen solchen soll es
für die Jahre 2021 bis 2030 geben, wobei Sozialministerin Beate
Hartinger-Klein versicherte, dass dafür noch ausreichend Zeit zur
Verfügung stehe.
Allgemein unterstrich die Ministerin, dass der Regierung die
Inklusion von Menschen mit Behinderung ein wesentliches Anliegen sei
und in diesem Sinn 250 Mio. € dafür bereitgestellt würden. Es sei
auch wichtig, den Unternehmen die Angst zu nehmen, Behinderte
anzustellen, sagte sie.
Insgesamt gab es von Seiten der Abgeordneten viel Lob für die Arbeit
des Behindertenanwalts. Der gegenständliche Bericht wird auch im
Plenum des Nationalrats beraten. (Schluss Sozialausschuss) gs
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