Niedrige Pensionen werden im kommenden Jahr um 2,6% erhöht

Nationalrat billigt Pensionsanpassungsgesetz 2019, massive Oppositionskritik an Abänderungsantrag

Wien (PK) – Kleine und mittlere Pensionen werden im kommenden Jahr um
bis zu 2,6% erhöht. Für Ruhebezüge über der ASVG-Höchstgrenze wird es
hingegen nur einen Pauschalbetrag unter der Inflationsrate von 2%
geben. Der Nationalrat hat heute mit den Stimmen der
Koalitionsparteien einen entsprechenden Gesetzesvorschlag der
Regierung angenommen. Die Abgeordneten wollen damit dem Umstand
Rechnung tragen, dass Personen mit niedrigem Einkommen proportional
stärker von steigenden Lebensmittelpreisen und Wohnungskosten
betroffen sind als GutverdienerInnen. Insgesamt sollen 1,33 Millionen
PensionistInnen von der sozialen Staffelung profitieren. SPÖ und
JETZT sind dennoch unzufrieden, ihnen geht die Erhöhung von
Kleinstpensionen nicht weit genug. Auch die NEOS vermissen soziale
Treffsicherheit.

Für Aufregung sorgte ein Abänderungsantrag der Koalitionsparteien zum
Gesetzentwurf, den FPÖ-Abgeordneter Werner Neubauer mit der Bemerkung
einbrachte, dass es sich um rein technische Adaptierungen handle. Dem
widersprach die SPÖ heftig. Vielmehr enthalte der Antrag eine
verfassungswidrige Bestimmung, da Vorkehrungen für ein Gesetz
getroffen würden, das vom Parlament noch gar nicht beschlossen wurde,
sagte Jörg Leichtfried. Gabriele Heinisch-Hosek sprach gar von einem
„Selbstermächtigungsgesetz“, wie es zuletzt 1933 am Beginn des
Austrofaschismus angewendet worden sei. Das empörte sowohl
ÖVP-Klubobmann August Wöginger als auch FPÖ-Klubobmann Walter
Rosenkranz. Ein Vergleich mit dem kriegswirtschaftlichen
Ermächtigungsgesetz von 1933 sei „jenseitig“ und „hysterisch“, sagte
Wöginger, Rosenkranz sieht darin einen weiteren Beitrag zur Spaltung
der Gesellschaft in Österreich.

Die Abstimmung über den Gesetzentwurf wurde schließlich von
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka – nach Beratungen in einer so
genannten „Stehpräsidiale“ – auf das Ende der Tagesordnung verlegt,
um den Oppositionsparteien Gelegenheit zu geben, sich genauer mit dem
Abänderungsantrag zu befassen. Beruhigt waren die Gemüter dadurch
aber nicht. Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures musste im
weiteren Verlauf der Debatte mehrfach mit Ordnungsrufen und
Ermahnungen eingreifen.

Sozialversicherungsträger werden zur Datenübermittlung verpflichtet

Konkret wird mit dem Abänderungsantrag eine Bestimmung in das ASVG
eingefügt, der zufolge „Vorbereitungshandlungen, die im Hinblick auf
erst in der Zukunft liegende Gesetzesänderungen im Bereich der
Sozialversicherungsgesetze erforderlich sind, bereits vor dem
In-Kraft-Treten des jeweiligen Bundesgesetzes durchgeführt werden
(können), wenn andernfalls eine fristgerechte Umsetzung nicht möglich
wäre und der Gesetzesvorschlag bereits in parlamentarischer
Behandlung steht“. Insbesondere geht es um die Verpflichtung der
Sozialversicherungsträger, dem Sozialministerium als Aufsichtsbehörde
innerhalb von 14 Tagen die Zahl der pflichtversicherten
DienstnehmerInnen zu einem bestimmten Stichtag in der geforderten
Form zur Verfügung zu stellen.

ÖVP-Klubobmann Wöginger zufolge ist diese Bestimmung notwendig, da
sich Sozialministerin Beate Hartinger-Klein seit Wochen vergeblich
bemüht, die für die geplante Sozialversicherungsreform benötigten
Daten zu bekommen. Es gehe ihr um die Versorgung in Österreich,
bekräftigte Hartinger-Klein, sie müsse handeln, wenn die
Selbstverwaltungskörper die Reform blockieren.

Sowohl SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch als auch Abgeordneter
Leichtfried halten die Bestimmung allerdings für verfassungswidrig.
Wenn die Selbstverwaltungskörper dem Ministerium keine Daten liefern,
müsse das die Sozialministerin zur Kenntnis nehmen, solange es keine
gesetzliche Grundlage dafür gebe, betonte Leichtfried. „Der
Rechtsstaat gilt für alle.“ Den Vorwurf, der Abänderungsantrag
ermögliche der Ministerin, die Daten der Versicherten „zu stehlen“,
nahm Leichtfried nach einer Ermahnung von Bures wieder zurück.

Kritik an der Kurzfristigkeit der Vorlage des Abänderungsantrags
übten auch Nikolaus Scherak (NEOS) und Daniela Holzinger-Vogtenhuber
(JETZT). Scherak wies auf die geltende Vereinbarung zwischen den
Fraktionen hin, Abänderungsanträge grundsätzlich 24 Stunden vor
Einbringung zur Verfügung zu stellen. Diese Usancen würden immer
wieder gebrochen, klagte er. Ein Antrag des Parlamentsklubs JETZT,
den Gesetzentwurf zur weiteren Verhandlung an den Sozialausschuss
rückzuverweisen, fand bei der Abstimmung allerdings keine Mehrheit.
Die Rückverweisung hätte den Abgeordneten nach Meinung von
Holzinger-Vogtenhuber auch die Möglichkeit gegeben, die vorgenommene
Pensionserhöhung noch einmal zu überdenken und sozial treffsicherer
zu gestalten.

Opposition ortet klaren Verfassungsbruch

Unmittelbar vor der endgültigen Abstimmung über den Regierungsentwurf
und den Abänderungstrag flammte die Debatte dann noch einmal auf. Die
Bundesverfassung normiere, dass die staatliche Verwaltung nur
aufgrund von Gesetzen ausgeübt werden könne, hoben sowohl Alois
Stöger (SPÖ) als auch Peter Pilz (JETZT) am Ende der Diskussion zum
Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz hervor. Das sei ein
verfassungsrechtliches Grundprinzip. In diesem Sinn wertet Pilz den
Abänderungsantrag der Koalitionsparteien als Versuch, mit einfacher
Mehrheit eine Gesamtänderung der Bundesverfassung zu beschließen. Das
habe es in der Zweiten Republik bisher kein einziges Mal gegeben.

Ähnlich argumentierte auch NEOS-Abgeordneter Scherak, der von einer
Selbstaufgabe des Parlaments sprach. Wenn man einen Minister
ermächtige, Vorbereitungshandlungen für ein noch nicht beschlossenes
Gesetz zu setzen, setze man demokratische Grundprinzipien außer
Kraft, sagte er.

Vor der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der in das ASVG
eingefügten Bestimmung warnte SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann.
Auch wenn diese nicht so gemeint sein möge, mache sie den Weg für
Willkür frei. Man brauche nur eine Gesetzesinitiative im Parlament
einzubringen und schon könne der Minister jedewede
Vorbereitungshandlungen setzen, ohne dass es jemals zu einem
Beschluss des Gesetzes komme. Mache das Schule, führe das
letztendlich zum Ausschluss des Parlaments aus der Gesetzgebung.

ÖVP-Klubobmann Wöginger und FPÖ-Klubobmann Rosenkranz zeigten sich
von den Warnungen allerdings unbeeindruckt. Es handle sich um eine
Missinterpretation der Bestimmung durch die Opposition, meinten sie.
Er könne keinen Verfassungsbruch erkennen, bekräftigte Rosenkranz.
„Wir gehen mit der Demokratie sorgfältig um.“

Sowohl die Pensionsanpassung als auch der Abänderungsantrag wurden
schließlich mit Koalitionsmehrheit beschlossen. Ein Abänderungsantrag
der NEOS blieb in der Minderheit. Auch ein Entschließungsantrag der
SPÖ, der auf Maßnahmen zur Verbesserung der Einkommenssituation und
der Alterssicherung von Frauen abzielt, fand keine Mehrheit.

Pensionen werden 2019 sozial gestaffelt erhöht

Im Detail sieht das Pensionsanpassungsgesetz 2019 vor, Pensionen bis
1.115 € um 2,6%, und damit um 0,6 Prozentpunkte über der
Inflationsrate zu erhöhen. Das gilt auch für die
Ausgleichszulagenrichtsätze. Danach sinkt der Anpassungsfaktor bis zu
einer Pension von 1.500 € linear auf 2% ab. Wer zwischen 1.500 € und
3.402 € bezieht, erhält exakt die Inflation abgegolten. Für
Ruhebezüge über der ASVG-Höchstpension ist ein Pauschalbetrag von 68
€ vorgesehen. Die Anpassung von 2,6% wird darüber hinaus auch für
Opferrenten, etwa nach dem Opferfürsorgegesetz, dem
Verbrechensopfergesetz und dem Heimopferrentengesetz, wirksam.

Zufrieden mit der Pensionserhöhung zeigten sich ÖVP und FPÖ. Die
Pensionserhöhung von 2,6% sei nominell gesehen die höchste der
letzten Jahre, sagte ÖVP-Klubobmann Wöginger. Damit werde bestätigt,
„dass uns die ältere Generation sehr am Herzen liegt“. Eigentlich
würde man allen Forderungen entsprechen, ergänzte Michael Hammer
(ÖVP): Durch die Erhöhung über der Inflationsrate stärke man die
Kaufkraft, die Erhöhung sei sozial gestaffelt und gleichzeitig sorge
man dafür, dass das Pensionssystem finanzierbar bleibe. Wer ein Leben
lang gearbeitet hat, müsse auch im Alter abgesichert sein, sprach
Christoph Zarits (ÖVP) von einem richtigen Zeichen.

ÖVP und FPÖ stellen Mindestpension von 1.200 bei 40 Beitragsjahren ab
2020 in Aussicht

Die Forderung des SPÖ-Pensionistenverbandes nach einer
Pensionsanpassung von 4% werteten sowohl Wöginger als auch
FPÖ-Seniorensprecher Werner Neubauer als „unredlich“. Die Kritik der
SPÖ sei „reiner Theaterdonner und sonst nichts“ kommentierte
Neubauer. Sein Fraktionskollege Peter Wurm nannte die Diskussion
„abenteuerlich“.

Neubauer begrüßte es ausdrücklich, dass es gelungen sei, niedrige und
mittlere Pensionen über der Inflationsrate von 2% anzuheben. „Darauf
können wir wirklich stolz sein.“ Damit werde über die Wertsicherung
hinaus auch die Kaufkraft gestärkt. Man müsse aber auch die
Finanzierbarkeit des Systems im Auge behalten. Wurm wies darauf hin,
dass 72% jener, die eine Pensionserhöhung über der Inflationsrate
erhalten, Frauen sein werden. Für das Jahr 2020 stellten sowohl
Neubauer als auch Wöginger eine Mindestpension von 1.200 € für all
jene PensionistInnen in Aussicht, die 40 Beitragsjahre vorweisen
können.

SPÖ sieht „schwarzen Tag“ für die PensionistInnen

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch sprach hingegen von einem
„schwarzen Tag für die Pensionistinnen und Pensionisten“. Angesichts
der aktuellen Hochkonjunktur wäre seiner Meinung nach eine höhere
Pensionsanpassung möglich gewesen. Die vorgesehene Anpassung sei der
älteren Generation gegenüber jedenfalls „unwürdig“. Seine
Parteikollegin Gabriele Heinisch-Hosek hält die Forderung nach einem
Plus von 4% für durchaus gerechtfertigt.

Muchitsch rechnete vor, dass eine Erhöhung um 2,6% für BezieherInnen
einer Pension von 1.115 € ein Plus von 29 € brutto und von 21 € netto
bedeute. Bei Preissteigerungen von 3,9% für den wöchentlichen Einkauf
und von 4,4% für den täglichen Einkauf sei das ein enormer
Kaufkraftverlust. Dem schloss sich auch Dietmar Keck (SPÖ) an, der
darauf verwies, dass die 0,6-prozentige Erhöhung über der
Inflationsrate den PensionistInnen umgerechnet 21 Cent pro Tag
bringe. „Das ist eine halbe Semmel am Tag.“ Muchitsch zog auch einen
Vergleich mit dem Lohnabschluss der Metaller, wo das monatliche Plus
in der untersten Lohngruppe 80 € beträgt.

Die SPÖ drängte außerdem auf Maßnahmen zur Verbesserung der
Einkommenssituation und der Alterssicherung von Frauen. Neben einem
Ausgleichszulagenrichtsatz von 1.200 € für Personen mit 40
Versicherungsjahren fordern Abgeordnete Heinisch-Hosek und ihre
FraktionskollegInnen eine Abgeltung von Mehrarbeitszuschlägen nach
dem Muster von Überstundenzuschlägen sowie eine volle Anrechnung der
gesetzlichen Karenzzeiten nach dem Mutterschutzgesetz auf alle
Rechtsansprüche, die sich nach der Dauer der Dienstzeit richten.
Untermauert wurden die Forderungen mit einem von Markus Vogl
eingebrachten Entschließungsantrag, der bei der Abstimmung jedoch in
der Minderheit blieb.

NEOS vermissen Regelungen für „Luxuspensionen“

Auch nach Meinung von Gerald Loacker ist die Pensionsanpassung nicht
sozial treffsicher. Das zeige allein schon der Umstand, dass 1,33
Mio. Personen eine Pensionserhöhung über der Inflationsrate erhalten
werden, sagte er. Damit sei klar, dass nicht nur bedürftige Personen
davon profitieren, dass die gesetzliche Automatik der
Inflationsanpassung von Pensionen wieder einmal ausgehebelt werde.

Loacker vermisst insbesondere eine Regelung für „Luxuspensionen“. Da
bei der Berechnung der Gesamtpension nicht alle Pensionen
zusammengerechnet werden, würden etwa auch BezieherInnen hoher
Sonderpensionen oder hoher ausländischer Renten für ihre niedrige
gesetzliche Zweitpension eine überdurchschnittliche Pensionserhöhung
erhalten, gab er zu bedenken. Ein von ihm eingebrachter
Abänderungsantrag wurde jedoch – wie auch schon im Sozialausschuss –
abgelehnt.

Loackers Fraktionskollegin Claudia Gamon rechnete vor, dass Paare mit
unterschiedlich hoher Pension stärker von der Anpassung profitieren
als Paare mit annähernd gleich hoher Pension. Paare, die sich die
Kinderbetreuungspflichten aufgeteilt haben, seien somit
benachteiligt. Gamon hält es außerdem für ein alarmierendes Zeichen,
dass Frauen, was die Pensionshöhe betrifft, nicht nur nicht gegenüber
Männern aufholen, sondern der Gender-Gap bei neu anfallenden
Pensionen sogar gestiegen ist.

JETZT: Nettoanpassung liegt deutlich unter der Inflation

Seitens des Parlamentsklubs JETZT wertete es Daniela
Holzinger-Vogtenhuber als grundsätzlich positiv, dass man vom
gesetzlichen Automatismus abgeht und niedrige Pensionen prozentuell
stärker erhöht als hohe. Ihrer Meinung nach geht die soziale
Staffelung aber nicht weit genug. Auch bei niedrigen Pensionen liege
die Nettoanpassung deutlich unter der Inflation, monierte sie. Und
das in Zeiten der Hochkonjunktur. Ein von ihr eingebrachter
Rückverweisungsantrag fand jedoch keine Mehrheit. (Fortsetzung
Nationalrat) gs

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