12. Europäischer Mediengipfel in Lech: Europäischer Abend – Brexit am Morgen

Mit einem Locationwechsel von Lech nach St. Christoph ins ‚arlberg1800‘ am Freitagabend wurde beim 12. Mediengipfel auch ein neuer Themenschwerpunkt gesetzt.

Lech am Arlberg (OTS) – Sowohl die Eröffnungsrede von Sonja
Ledl-Rossmann (Präsidentin des Tiroler Landtages) als auch die
darauffolgenden Diskussionsrunden widmeten sich dem Generalthema
Europa. Am Samstagmorgen gab Edward Snowdens Anwalt Robert Tibbo
Einblicke, wie „Helfer zu Gejagten“ werden. Abschließend wurde der
Brexit mit seinen Folgen diskutiert.

Bei der ersten Podiumsdiskussion am Freitagabend gingen Sonja
Ledl-Rossmann, Markus Wallner (Landeshauptmann von Vorarlberg), Arno
Kompatscher (Landeshauptmann von Südtirol) und Esther Mitterstieler
(Chefredakteurin von ‚News‘) der Frage nach „Was bleibt vom
österreichischen EU-Vorsitz“. Das eigentliche Thema rückte im Zuge
des Gesprächs jedoch schnell in den Hintergrund. Es herrschte
Einigkeit auf der Bühne – in sechs Monaten Ratsvorsitz könne nicht
viel Dauerhaftes geschaffen werden. „Eine EU-Ratspräsidentschaft
wird überschätzt“, brachte es Mitterstieler auf den Punkt.
Landeshauptmann Wallner zollte seinen Parteikollegen in der
Bundespolitik dennoch Respekt im Hinblick auf die
Brexit-Verhandlungen. In der Diskussion um die künftige
Ausgestaltung Europas sprach sich Wallner für eine stärker
subsidiäre Aufgabenverteilung aus: „Mit einer Aufwertung der
regionalen Ebene ließe sich verloren gegangenes Vertrauen in die EU
und ihre Institutionen zurückgewinnen und ein Mehr an Bürgernähe
erreichen“, stellte der Landeshauptmann klar. Die Regionen könnten
so zum Schrittmacher der europäischen Integration werden, so
Wallner. Die Gesprächsteilnehmer griffen den Kern der einführenden
Worte von Ledl-Rossmann auf: „Regionale Vielfalt, nationale Egoismen
und europäische Einheit“ bestimmten schließlich die Diskussion. Der
Tenor der regionalen politischen Vertreter lautete hier: Regionale
Politik ist der Weg, um der Verdrossenheit gegenüber der EU
entgegenzuwirken. Dabei müsse insbesondere die Jugend angesprochen
werden.

Seine Ansichten zur Lage Europas offenbarte im Anschluss der
österreichische Autor Robert Menasse im Gespräch mit Eva Linsinger
(Leiterin des Innenressorts beim ‚Profil‘). Die Wurzel der Probleme
sieht der Schriftsteller vor allem in nationalen Egoismen: „Es ist
ein Ding der Logik, dass alle Herausforderungen, vor denen wir
stehen, transnational sind. Das schaue ich mir an, wie Strache die
Erderwärmung in Österreich abschaltet.“ In der EU seien vor dem
Recht nicht alle gleich. Eine Lösung dafür sieht Menasse in der
Schaffung einer Europäischen Republik: „Wir müssen in Europa
Gleichheit vor dem Recht herstellen. Der Begriff Europäische
Republik bedeutet nichts anderes als diesen gemeinsamen Rechtsrahmen
herzustellen.“ Auf die Frage, wo er die EU in zehn Jahren sehe,
antwortete Menasse: „Ich bin kein Hellseher. Ich sehe nur, was ist –
und im Moment gibt es keinen Politiker, der die Vision hat.

Zum Tagesabschluss am Freitag gab es eine Podiumsdiskussion,
moderiert von Gerold Riedmann (VN-Chefredakteur). Es diskutierte
Karoline Edtstadler (Staatssekretärin im Bundesministerium für
Inneres) mit Julian Reichelt (Vorsitzender der
‚Bild‘-Chefredaktionen) und Meret Baumann (‚NZZ‘-Korrespondentin in
Wien) über das Thema „Österreich und Europa“. Ausgangspunkt der
Diskussion war ein vorher aufgezeichnetes Video-Interview mit
Bundeskanzler Sebastian Kurz. Dieser gab mit Äußerungen zum Brexit
und dem UN-Migrationspakt die Marschroute des Abends vor. Einige
Staaten würden den Pakt absegnen, die „nicht im Traum daran denken,
alles umzusetzen“, so Kurz. Das anschließende Podiumsgespräch wurde
größtenteils von der Migrationsfrage dominiert. Meret Baumann
konstatierte, dass Österreich als „erstes vernünftiges Land“ die
Debatte um den Migrationspakt angestoßen habe, während Julian
Reichelt eine unzureichende öffentliche Debatte monierte. Das Motto
würde oft lauten: „Bitte gehen sie weiter, es gibt hier nichts zu
sehen“, so Reichelt.

Den Einstieg am Samstagmorgen machte Robert Tibbo, der Anwalt von
Edward Snowden. Im Standard Talk mit Rainer Schüller (Stv.
Chefredakteur ‚Der Standard‘) und Steffen Arora (Tirol-Korrespondent
‚Der Standard‘) waren auch die ‚Snowden Refugees‘ Thema – jene
Personen, die Snowden bei seiner Flucht halfen und dadurch selbst zu
Flüchtlingen wurden. „Die ‚Snowden Refugees‘ haben etwas
Außergewöhnliches gemacht. Sie haben für Edward Snowden und für
jeden hier gekämpft. An sie wird man sich in dreißig Jahren noch
erinnern, genauso wie an Edward Snowden selbst“, so Tibbo. Dabei
betonte er auch, wie wichtig investigativer Journalismus für Fälle
wie dieser ist: „Ohne Journalisten würde niemand wissen, was los
ist. Journalisten sind die ultimativen Whistleblower von außen.“ Zum
Abschluss des Gesprächs wurde Tibbo ein Scheck über 10.000 US-Dollar
für die ‚Snowden Refugees‘ von Peter Mirski vom Management Center
Innsbruck übergeben.

„Wie europäisch bleiben die Briten und wieviel Großbritannien
braucht Europa?“ – diese Frage analysierte zum Abschluss Moderator
Markus Spillmann (Medienmanager, Journalist und Berater) mit
Sebastian Borger (deutscher Journalist, Autor und freier London
Korrespondent), Birgit Schwarz (ORF Korrespondentin in Berlin),
Oliver Washington (Korrespondent des SRF in Brüssel) und Othmar
Karas (Mitglied des Europäischen Parlaments). Dabei hielten die
Diskussionsteilnehmer einen sogenannten ‚harten Brexit‘ für nicht
ausgeschlossen. „Man bereitet sich für einen harten Brexit vor,“ so
Schwarz. Mit dem Brexit „verlieren wir alle“, ergänzt Karas. „Wir
machen es uns zu einfach, wenn wir sagen, der Brexit ist nur eine
Sache von Großbritannien“, führt er weiter aus. Er sieht den Brexit
allerdings auch als Chance, nationalistischen Strömungen in Europa
entgegenzuwirken. Auch der Frage, woher die britische Distanz komme,
wurde nachgegangen. „Die Briten haben das europäische Projekt nie
als politisches Projekt, sondern als Freihandelsprojekt gesehen“,
wusste Schwarz. „Es gibt eine britische Geschichts-Sicht, die
Großbritannien vom Rest des Kontinents losgekoppelt sieht“, ergänzte
Borger und bemerkte final: „Den Chaos-Brexit halte ich für
ausgeschlossen.“

Über den Europäischen Mediengipfel
Seit dem Gründungsjahr 2007 bildet der Europäische Mediengipfel in
Lech am Arlberg einen außergewöhnlichen Rahmen für Diskussionen, in
denen ungefilterte Einblicke und fundierte Ausblicke in die
anhaltend turbulente Welt der Medien, die europäische Politik und
die wirtschaftlichen wie gesellschaftspolitischen Zusammenhänge der
europäischen Lebensrealität geboten werden. Der unter der
Schirmherrschaft des österreichischen Außenministeriums stehende
Europäische Mediengipfel – von der Kommunikationsagentur ProMedia
Kommunikation initiiert und seither federführend mit Lech Zürs
Tourismus GmbH und dem Verband der Auslandspresse in Wien
organisiert – wird von der Gemeinde Lech und dem Land Vorarlberg,
dem Presseclub Concordia sowie von der D. Swarovski Tourism Services
GmbH, der BTV – Bank für Tirol und Vorarlberg und BMW unterstützt.
Weitere Partner sind das Land Tirol, das Verbindungsbüro des
Europäischen Parlaments in Österreich und die Tirol Werbung. Als
Medienpartner der Veranstaltung fungieren Der Standard, die APA –
Austria Presse Agentur, das Handelsblatt, die Tiroler Tageszeitung
sowie die Vorarlberger Nachrichten.

Katja Wirth
Lech-Zürs Tourismus
Dorf 2
6764 Lech am Arlberg
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