Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 13. Dezember 2019. Von KARIN LEITNER. “Die Rache von Strache”.

Innsbruck (OTS) – Wieder Hauen und Stechen im Dritten Lager. Getreue des ehemaligen FPÖ-Obmanns bereiten dessen Polit-Comeback vor. Er wird bei der Wien-Wahl zum größten Konkurrenten der vormaligen Gesinnungsfreunde.

Obwohl der Bruch vollzogen war, vollzogen ihn die Blauen nicht – formal. Sie zauderten und zögerten. Nur suspendiert haben sie ihren Ex-Chef Heinz-Christian Strache, eine Weile später kündigten sie an, ihn aus der Partei zu werfen. Getan haben sie es nicht – trotz seines Verhaltens auf Ibiza und der Spesen-Affäre. Nun haben Wiener Strache-Getreue das vollzogen, was Norbert Hofer als Frontmann verabsäumt hat. Sie sorgen für den Schlussstrich – mit ihrem Austritt aus der FPÖ und der Gründung eines Klubs im Gemeinderat.
Das Polit-Comeback jenes Mannes wird vorbereitet, der Anfang Oktober kundgetan hatte, kein Amt, keine Funktion mehr anzustreben. Es gehe ihm darum, „eine Zerreißprobe und Spaltung der FPÖ um jeden Preis zu verhindern“. Geschwätz von gestern eines Menschen, dem Unrechtsbewusstsein fehlt. Bei der Wahl in der Bundeshauptstadt will Strache antreten. Seine Rache an der „freiheitlichen Familie“, von der er sich fallen gelassen fühlt. Er wird zu deren größtem Widersacher. Auch wenn es angesichts seiner moralischen Verfehlungen unverständlich ist: Strache hat nach wie vor Sympathisanten, Leute, die ihm nicht übel nehmen, dass er Anstand predigte, selbst aber keinen hat. Die Opfer-Nummer zieht noch immer. Das hat sich bei der EU-Wahl mit den 45.000 Vorzugsstimmen für Strache gezeigt.
Hofer und andere FPÖ-Spitzen wissen das. Und so werden auch sie nicht zimperlich sein beim Wettstreit in Wien. Öffentliches Hauen und Stechen wird es nicht erst im Wahlkampf geben – zum Gaudium der Polit-Konkurrenz. Strache weiß viel über die ehemaligen Gesinnungsgefährten, sie wissen viel über ihn. Ausgespielt könnte das werden. Programmatisch werden sich die beiden Parteien ja nicht unterscheiden, nicht um Inhaltliches, um Persönliches wird es gehen. Vorerst spötteln Hofer und Co. lediglich. „Bündnis Zukunft Ibiza“ nennt der FPÖ-Obmann die neue Truppe – auf das BZÖ Jörg Haiders verweisend. „Der Affenzirkus Österreich“ wird sie vom niederösterreichischen FPÖ-Chef Udo Landbauer geheißen. Und eine Hoffnung haben alle Freiheitlichen: dass Erkenntnisse und Handlungen der Justiz Straches Kandidatur vereiteln.
Ein neues Phänomen ist es nicht, was da vonstatten geht. Haiders Putsch beim Parteitag 1986, Heide Schmidts Abgang, die BZÖlerei, die Causa Strache – das Dritte Lager scheint ein Spalt-Gen in sich zu haben. Faktum ist: Niemand kann so verfeindet sein wie einstige Parteifreunde.

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