Festakt im Parlament: Fraktionen sehen Debatten als wesentliches Element der Demokratie

Sowohl Nationalrat als auch Bundesrat haben ihre Sitzungssäle wieder “in Besitz” genommen

Auch Vertreter:innen der fünf Parlamentsfraktionen kamen beim heutigen Festakt im Parlament anlässlich der Wiedereröffnung des historischen Parlamentsgebäudes zu Wort. Wie reagieren die Parteien auf den massiven Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber der Politik und dem Parlament und wie kann man die Debattenkultur im Hohen Haus verbessern, wollte Moderatorin Rebekka Salzer unter anderem von den Klubobleuten wissen. Einig waren diese sich darin, dass Emotionen zu einer Diskussion gehören, persönliche Angriffe und Diffamierungen sollten ihrer Meinung nach aber vermieden werden. Als Vorsatz für 2023 nannte ÖVP-Klubobmann August Wöginger, wieder mehr mit den Vertreter:innen anderer Fraktionen zu reden, um gemeinsam Lösungen zustande zu bringen. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner mahnte mehr Respekt der Regierung gegenüber dem Parlament ein. Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger forderte selbstbewusstere Parlamentarier:innen. Auf baldige Neuwahlen hofft der stellvertretende FPÖ-Klubobmann Erwin Angerer, Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer will das Informationsfreiheitsgesetz noch heuer beschließen.

WÖGINGER: FRAKTIONEN SOLLEN WIEDER MEHR MITEINANDER REDEN

Allgemein betonte Wöginger, es sei eine Ehre, als Abgeordneter dienen zu dürfen. Auch er diene den Bürger:innen so gut er könne, meinte er. Emotional unterschiedlicher Meinung zu sein, sei nicht das Problem in Sachen Debattenkultur, sagte er, vielmehr gehe es darum, wie man miteinander umgehe. Es müsse nicht sein, jemanden persönlich anzugehen oder zu beleidigen. Das nehme er auch für sich selbst mit, da er immer wieder mit viel Leidenschaft diskutiere, wiewohl er bei seinen über 400 Reden bisher nur zwei Ordnungsrufe bekommen habe. Die letzten Jahre seien sehr herausfordernd gewesen, unterstrich Wöginger, nicht nur von der Anzahl der Sitzungen her, sondern auch von den Themen. Im neuen Gebäude hofft er, dass die Abgeordneten wieder insgesamt mehr parteiübergreifend miteinander reden, auch er selbst will diesbezüglich aktiv werden.

RENDI-WAGNER FORDERT MEHR RESPEKT DER REGIERUNG GEGENÜBER DEM PARLAMENT

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner betonte, dass Transparenz die Qualität der Arbeit immer verbessere. Die Menschen sollten nachvollziehen können, warum welche Gesetze beschlossen werden und welche Vorschläge nicht, erklärte sie. Demokratie dürfe sich nicht und müsse sich nicht verstecken. Auch Emotion sei wichtig, diese dürfe in der politischen Debatte nicht verloren gehen. Vielmehr brauche es ein kollektives Wollen eines guten Klimas. Dazu gehört für Rendi-Wagner neben mehr Bemühen um Konsens in der Präsidiale auch, dass die Regierung dem Parlament mit Respekt begegnet, etwa Regierungsvorlagen rechtzeitig vorgelegt werden und parlamentarische Termine ernst genommen würden. Basis für eine Diskussion müssten zudem wissenschaftliche Erkenntnisse sein. Als Vorsatz für das neue Parlamentsjahr nannte Rendi-Wagner “Mut und Zuversicht”.

ANGERER WÜNSCHT SICH SO BALD WIE MÖGLICH NEUWAHLEN

Das Parlament sei ein Haus des Volkes, daher sei es wichtig, dass das Parlament ein offenes Haus ist, unterstrich der stellvertretende FPÖ-Klubobmann Erwin Angerer, der den erkrankten FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl vertrat. In diesem Sinn sei auch ein persönlicher Dialog mit den Bürger:innen wichtig. Bodenständige und ehrliche Politik werde honoriert, zeigte er sich aufgrund seiner 20-jährigen Erfahrung als Bürgermeister sicher. Zum Thema Debattenkultur meinte Angerer, Emotionen und Auseindersetzungen müsse es geben. Wo, wenn nicht im Parlament, solle man streiten dürfen. Meist reiche ohnehin “ein strenger Blick der Präsidentin” und man finde wieder den richtigen Ton, zudem falle niemandem ein Stein aus der Krone, sich bei einem Fehler zu entschuldigen. Innenpolitisch hofft Angerer darauf, dass der Neuwahlantrag der FPÖ “möglichst rasch” eine Mehrheit findet, außenpolitisch ist ihm eine diplomatische Beendigung des Kriegs “zwischen Russland und der Ukraine” ein Anliegen.

MAURER WILL INFORMATIONSFREIHEITSGESETZ NOCH HEUER BESCHLIESSEN

Großes Lob für die Parlamentssanierung äußerte Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer. Das Gebäude sei viel transparenter und zugänglicher geworden, zeigte sie sich erfreut. Diesen Transparenzgedanken will Maurer auch in der Politik fortführen: Sie sei fest entschlossen, dass das Parlament das Informationsfreiheitsgesetz noch heuer beschließe. Luft nach oben sieht Maurer in puncto Debattenkultur: “Wir könnten uns alle ein bisschen nach der Decke strecken.” Man solle weniger vorbereitete Reden verlesen und mehr auf Vorredner:innen eingehen. Zudem ortet sie einen gewissen Vertrauensverlust zwischen den Fraktionen, dem es entgegenzuwirken gelte. Wichtig ist Maurer für die Zukunft ein selbstbewusstes Parlament. “Wir sind das Herz der Demokratie”, nicht jede Diskussion sei ein Streit, bekräftigte sie.

MEINL-REISINGER: PARLAMENT MUSS SELBSTBEWUSSTER WERDEN

Als “außerordentlich gut gelungen” wertete auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger die Öffnung des Hauses für Besucher:innen. Zugleich brach sie eine Lanze für den Parlamentarismus. Die Abgeordneten müssten sowohl gegenüber der Regierung als auch gegenüber den Medien und den Bürger:innen mehr Selbstbewusstsein zeigen, ist sie überzeugt. Es gelte, eigenständige Entscheidungen “nach unseren Überzeugungen und im Sinne des Gemeinwohls” zu treffen. Ihrer Meinung nach wartet man im Parlament außerdem zu oft darauf, dass Regierungsvorlagen ins Haus kommen, statt selbst aktiv zu werden und nach einer Lösung zu suchen. Über den Stil der Debatten könne man diskutieren, räumte Meinl-Reisinger ein, klar sei aber auch, dass Demokratie nicht von Harmonie lebe, sondern von Diskussion. Es sei wichtig, über verschiedene Lösungswege zu streiten. Gerade in Zeiten multipler Krisen sei Widerspruch notwendig. Meinl-Reisinger ärgert sich in diesem Sinn, dass Debatten immer wieder als “Streit” geframt würden.

Beschlossen wurde der Festakt zur Wiedereröffnung des Parlaments mit der Intonierung der Bundeshymne und der Europahymne, wobei die Wiener Philharmoniker von den Wiener Sängerknaben und den Wiener Chormädchen unterstützt wurden.

ABGEORDNETE UND BUNDESRÄT:INNEN NAHMEN ERSTMALS IN SITZUNGSSÄLEN PLATZ

Bereits vor dem gemeinsamen Festakt im historischen Sitzungssaal konnten sowohl die Abgeordneten als auch die Mitglieder des Bundesrats ihre jeweiligen Sitzungssäle wieder “in Besitz” nehmen. Unter dem Vorsitz von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka bzw. von Bundesratspräsident Günter Kovacs fanden sich die Mandatar:innen zu Eröffnungsakten erstmals auf jenen Plätzen ein, von denen aus sie künftig die Plenardebatten verfolgen werden. Im umfassend sanierten Nationalratssaal sorgt dabei nicht nur die große Glaskuppel für ein verändertes Raumgefühl, auch die Positionierung des Redner:innenpults zwischen der geteilten Regierungsbank ist ein Novum. Die Bundesrät:innen werden ihre Reden künftig unter den Wappen der ehemaligen Kronländer der Monarchie halten: Der Sitzungssaal der Länderkammer ist in den früheren Budgetsaal übersiedelt.

Mit dem heutigen Tag kehrt jedoch nicht nur der parlamentarische Betrieb wieder an seine historische Wirkungsstätte zurück, auch digital präsentiert sich das Parlament ab sofort mit einem neuen Gesicht. Die Website www.parlament.gv.at wurde runderneuert und bietet ein breites Informationsangebot sowohl für Fachexpert:innen als auch für interessierte Bürger:innen.

Noch heute Abend auf Reisen geschickt wird außerdem die Ausstellung “Parlament on Tour”. Die in vier Containern untergebrachte interaktive Wanderausstellung über Parlamentarismus und Demokratie soll das Parlament und seine Akteur:innen zu den Bürgerinnen und Bürgern in die Bundesländer bringen. Erste Station ist Eisenstadt – dort kann man die Ausstellung ab 16. Jänner täglich von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr vor dem alten Landhaus besuchen. Das Burgenland hat derzeit den Vorsitz im Bundesrat und in der Landeshauptleutekonferenz inne. (Schluss Festakt) gs

HINWEIS: Der Festakt kann als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments abgerufen werden. Fotos vom Festakt finden Sie im Webportal des Parlaments.

Weitere Informationen, Fotos und Videos zum Parlament und seiner Sanierung gibt es in einer multimedialen Pressemappe sowie unter www.oeparl2023.at.

————————-

Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at
http://www.parlament.gv.at
www.facebook.com/OeParl
www.twitter.com/oeparl

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender