NEOS fordern nationales Reformprojekt in der Bildungspolitik

Dringlicher Antrag an Bundesregierung drängt auf grundlegende Neuausrichtung des Bildungssystems

Die jüngsten PISA-Ergebnisse, die laut den NEOS Anlass zur Sorge geben, haben die NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger und NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre verlasst, in der heutigen Nationalratssitzung einen Dringlichen Antrag an die Bundesregierung zu richten. Sie fordern darin eine Neuaufstellung der Bildungspolitik. Sie soll “nicht Mittelmaß verwalten, sondern Zukunft gestalten”, wie die Antragstellerinnen formulieren. Der Entschließungsantrag der NEOS, ein “nationales Reformprojekt” für das Bildungswesen in die Wege zu leiten, wurde jedoch nur von den Abgeordneten ihrer Fraktion unterstützt und damit abgelehnt.

Die NEOS forderten im Antrag eine Reihe von Maßnahmen, beginnend mit einer Qualitätsoffensive in der Elementarpädagogik. Sie drängten auch auf eine Chancenbonus-Finanzierung für Schulen mit sozialen Herausforderungen und eine Attraktivierung des Lehrer:innen-Berufs. Die Schulen müssten durch Schaffung eines mittleren Managements und mit mehr psychosozialem Supportpersonal gestärkt werden. Dringend notwendig sind laut den NESO ein nachhaltiger Bürokratieabbau mit Abschaffung der Bildungsdirektionen und des Lehrerdienstrechts sowie die Schaffung einer echten Schulautonomie. Die NEOS fordern auch mehr Investitionen in die Integration, unter anderem durch ein verpflichtendes Schulfach “Leben in einer Demokratie” ab der ersten Schulstufe, sowie mehr digitale Innovationen bei Lehr- und Lernmitteln.

MEINL-REISINGER: BILDUNGSMINISTER, DER MIT MITTELMASS ZUFRIEDEN IST, IST SELBST NUR MITTELMASS

Die Ergebnisse der jüngsten PISA-Ergebnisse seien besorgniserregend, sagte NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. Viele Kinder hätten enorme Bildungsrückstände, insbesondere wenn sie aus bildungsfernen Familien kommen. Obwohl Österreich eines der teuersten Bildungssysteme der Welt habe, schaffe dieses aber weder Exzellenz noch Bildungsgerechtigkeit. Die Ergebnisse würden aber bei Bildungsminister Martin Polaschek nicht etwa die Alarmglocken schrillen lassen, vielmehr zeige er sich zufrieden damit, dass Österreich weniger stark abgestürzt sei als der Durchschnitt der OECD-Länder. “Ein Bildungsminister, der sich freut über Mittelmaß, ist selbst nur Mittelmaß”, meinte Meinl-Reisinger. Der Bildungsminister sei seiner Aufgabe offenkundig nicht gewachsen und sollte daher gehen. Angesichts des Zustandes des Schulsystems gelte das Aufstiegsversprechen, dass in Österreich immer mit einer guten Bildung verbunden wurde, nicht mehr. Wichtig sei es, alle Kinder zu fördern und die Lehrer:innen bei ihrem Bemühen, ihnen die beste Bildung zu geben, zu unterstützen.

Meinl-Reisinger illustrierte ihren Befund mit den Worten eines Lehrers, der seine Sorgen über die zahlreichen Mängel des Bildungssystems zum Ausdruck brachte. Die freie Entfaltung der Kinder werde behindert, es gebe keine ausreichende Teilhabe und keine ausreichende Unterstützung der Lehrer:innen. Das Bildungssystem müsse endlich ins 21. Jahrhundert transformiert und zeitgemäße Bildungsvorstellungen Einzug halten. Kinder würden aufgrund ihrer sozialen Herkunft oder Muttersprache benachteiligt, junge Pädagog:innen überfordert. Österreich könne nicht mehr so “weiterwurschteln”. Vielmehr müsse ein großes nationales Reformprojekt gestartet werden. Gelinge diese nationale Anstrengung nicht, werde Österreich morgen den Preis für das “Bildungsversagen” bezahlen müssen, warnte die NEOS-Klubobfrau.

POLASCHEK: BETREIBEN EVIDENZBASIERTE BILDUNGSPOLITIK

Bildungsminister Martin Polaschek betonte, dass er seiner Tätigkeit als Bildungsminister seit etwas mehr als zwei Jahren mit “voller Leidenschaft, Hingabe und Engagement und intensivstem Arbeitseinsatz” nachkomme. In den letzten Jahren habe sich sehr viel getan, etwa in der Elementarbildung, wo sehr viele Schritte zur Verbesserung der Ausbildung gesetzt und neue Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen worden seien. Auch unterstütze man Bundesländer und Gemeinden mit substanziellen finanziellen Mitteln. In seiner Rolle als Bildungsminister schaffe er mit vielen Partner:innen den Rahmen, um alle Kinder bestmöglich auf eine komplexe Welt vorzubereiten und ihnen adäquate Schulen zu bieten. Er sei stolz darauf, dass die Schulen mit dem Tempo der heutigen Zeit mithalten und Kompetenzen und Werte vermitteln können, die für die Gesellschaft wichtig seien. Er überzeuge sich in den Schulen und im Austausch mit Lehrer:innen und Verantwortlichen in Ausbildung und Bildungsmanagement ständig davon, was hier geleistet werde. Er sei daher verwundert über die Darstellung von Meinl-Reisinger, die eine Fehleinschätzung und Geringschätzung dessen zeige, was in den Schulen und im gesamten Bildungssystem geleistet werde. Oberste Priorität habe in seiner Arbeit die Bekämpfung des Lehrkräftemangels. Er habe daher eine große Lehrkräfteoffensive gestartet und viele Quereinsteiger:innen gewinnen können. Polaschek sah auch den Zustrom ins Lehramtsstudium als Beweis für den Erfolg der Maßnahmen. Laufend setze sein Ressort auch gut durchdachte Entlastungsmaßnahmen für die Schulen. Auch das Ansehen des pädagogischen Berufs sei gegeben. Er teile daher die Auffassungen von Meinl-Reisinger in keiner Weise.

Was die PISA-Studie angehe, so zeige diese, dass in Österreich trotz der COVID-Pandemie das Niveau gleich und in vielen Bereichen über dem OECD-Schnitt geblieben sei. Das sei ein Erfolg, auf dem man sich aber nicht ausruhe, sondern er denke ständig darüber nach, was verbessert werden könne. So würden etwa die Lehrpläne und die Aus- und Weiterbildung der Lehrer:innen laufend an neue Erfordernisse angepasst. Die raschen gesellschaftlichen Veränderungen würden selbstverständlich immer neue Herausforderungen bieten, denen begegnet werden müsse. Dabei laufe man aber nicht jedem neuen Trend nach, sondern betreibe evidenzbasierte Bildungspolitik, betonte Polaschek. Sein Ressort investiere daher massiv in die Bildungsforschung. Das Bildungssystem leiste mit vielen engagierten Personen sehr viel, es brauche aber natürlich weiterhin jede Unterstützung. Daher sei die Bildungspolitik für ihn Chefsache.

NEOS: RAUS AUS DEM MITTELMASS IN DER BILDUNGSPOLITIK

NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre zeigte sich “erschüttert” darüber, dass der Bildungsminister in seiner Stellungnahme bekräftigt habe, dass er mit den mittelmäßigen Ergebnissen der PISA-Studie zufrieden sei. Sie entnehme dem, dass er keinen höheren Anspruch stelle und über keinerlei Vision verfüge, wohin es gehen solle und welche Schlüsse aus den Ergebnissen der PISA-Studie zu ziehen seien. Die Vorschläge der Bildungsexpert:innen, die der Bildungsminister abwarten wolle, würden längst auf dem Tisch legen. Polaschek habe sich offenbar mit dem Mittelmaß abgefunden. Aus Sicht von Künsberg Sarre ist ein völliger “Reset des Bildungssystems” erforderlich. Die jahrzehntelange bestehenden ideologischen Barrieren in der Bildungspolitik müssten überwunden und eine gemeinsame Anstrengung für ein optimales Bildungssystem unternommen werden. “Wir müssen raus aus dem Mittelmaß”, sagte die Abgeordnete. Das könne nur gemeinsam geschafft werden.

Österreich habe nicht nur in der PISA-Studie, sondern auch bei der Staatenprüfung der Vereinten Nationen schlecht abgeschnitten, kritisierte Fiona Fiedler (NEOS) die nicht zufriedenstellende Verankerung von inklusiver Bildung und damit die systematische Ausgrenzung von Kindern mit Behinderung. Wenn sich der Trend bei den PISA-Ergebnissen verfestigt, sei Österreich mit den Ergebnissen “im Keller”, sagte Yannick Shetty (NEOS) und forderte grundlegende Maßnahmen zur Trendumkehr.

ÖVP: ES GIBT KEINE EINFACHEN LÖSUNGEN FÜR KOMPLEXE FRAGEN DES SCHULSYSTEMS

Rudolf Taschner (ÖVP) warf den NEOS vor, sie würden in Wien, wo sie die Chance hätten, ihre Vorstellungen umsetzen, bei allen bedenklichen Entwicklungen und Mängeln “nur zuschauen”. Gerade in Wien gebe es besonders viele Schüler:innen mit eklatanten Bildungsmängeln. Was dabei aber nicht angesprochen werde, sei die Tatsache, dass diese Probleme zum Großteil aus dem Problem der Migration und einer mangelhaften Integration herrühren würden. Die FPÖ benenne dieses Problem zwar, biete aber keine Lösungen an. Die ÖVP hingegen habe gegen große Widerstände die Deutschförderklassen eingeführt. Insgesamt gebe es keine einfachen Lösungen für die komplexen Fragen, vor denen das Schulsystem stehe. Seine Fraktion höre daher auf die Meinung von Expert:innen. Diese würden unter anderem gute Gründe anführen, warum die immer wieder eingeforderte Gesamtschule nicht die beste Lösung für ganz Österreich sei.

Etliche Länder, die den Bereich Migration ausklammern, würden in den PISA-Ergebnissen vor Österreich liegen und viele Länder würden viel deutlicher als Österreich verlieren, merkte Gertraud Salzmann (ÖVP) an. Bei Herausrechnung jener Kinder mit Migrationshintergrund, die nicht Deutsch können, würde Österreich bei der Studie eine höhere Position einnehmen, führte auch Nico Marchetti (ÖVP) aus. Es gelte daher, diese Kinder besser zu erreichen. Zwar seien die PISA-Ergebnisse weit über dem OECD-Durchschnitt, dennoch dürfe man nicht zufrieden mit den Ergebnissen sein, meinte Maria Theresia Niss (ÖVP). Man müsste mit den Ergebnissen vielmehr an der Spitze sein, dies sei man der Wirtschaft und der Jugend schuldig.

SPÖ: RECHT AUF BILDUNG FÜR ALLE KINDER SICHERSTELLEN

Das österreichische Schulsystem sei in vielen Punkten nicht mehr zeitgemäß, befand Eva Maria Holzleitner (SPÖ). Die Forderungen nach Reformen würden seit langem und über die Parteigrenzen hinweg erhoben und seien daher keine kurzfristigen Trends, wie Bundesminister Polaschek suggeriere. Derzeit werde in das Bildungssystem zwar investiert, es werde jedoch nicht reformiert und bringe keine entsprechenden Ergebnisse. Bildung hänge in Österreich nach wie vor vom Elternhaushalt ab. Das führe dazu, dass Österreich auf viele seiner besten Köpfe verzichten müsse. Daher müsste ein gemeinsame Schule geschaffen und das Recht auf Bildung allgemein umgesetzt werden. Wien zeige vor, dass allen Kindern Bildung zustehe, auch Kindern mit Behinderungen. Eine große Bildungsreform sei daher unumgänglich.

Man sei im Parlament mit zwei Parteien konfrontiert, die grundsätzlich Nein zu bildungspolitischen Reformen sagen, kritisierte Christian Oxonitsch (SPÖ) sowohl ÖVP als auch FPÖ und forderte eine stärkere inhaltliche Auseinandersetzung über eine Bildungsreform. Die Bildungsschere gehe weiter auseinander und die Bildungschancen von Kindern würden sich immer weiter auseinander entwickeln, meinte Andrea Kuntzl (SPÖ), die die Aussagen der ÖVP-Abgeordneten als Zeugnis einer “ideologischen Verbohrtheit in bildungspolitischen Fragen” sah. Das österreichische Bildungssystem “kracht”, konstatierte Katharina Kucharowits (SPÖ). Es sei Realität, dass viele Lehrer:innen unzufrieden und überlastet seien, während die Kinder bereits in der Volksschule unter Leistungsdruck stehen würden. Im Jahr 2023 gelte immer noch, dass Bildung vererbt werde. Österreich brauche “viele kluge Köpfe”, daher müsse endlich Chancengleichheit in der Bildung umgesetzt werden, forderte Michael Seemayer (SPÖ). Gegenseitige Schuldzuweisungen würden hier nicht weiter helfen.

FPÖ: PISA-ERGEBNISSE ZEIGEN SCHEITERN DER INTEGRATIONSPOLITIK

Hermann Brückl (FPÖ) warf Bildungsminister Polaschek vor, die Probleme des Bildungssystems, die von der PISA-Studie bestätigt würden, nicht zur Kenntnis zu nehmen. Er müsse endlich reagieren, sonst sei das Schulsystem insgesamt in Gefahr. Nicht zuletzt mit dem Corona-Regime habe die Bundesregierung das einmal sehr gute österreichische Schulsystem endgültig “heruntergewirtschaftet”. Die Leistungsanforderungen für die Matura seien heruntergefahren und diese damit entwertet worden. Sogar Maturant:innen hätten oft keine ausreichenden Lese- und Schreibkenntnisse. Als Ergebnis einer verfehlten Integrationspolitik wertete es Brückl, dass viele Kinder in den Volksschulen aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse dem Unterricht nicht mehr folgen könnten. Das Niveau der auf Drängen der FPÖ eingeführten Deutschförderklassen werde immer weiter gesenkt.

Das differenzierte Schulsystem habe sich bewährt, sei gut und solle beibehalten werden, meinte Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Wohlstand gebe es nur bei Leistung, in diese Richtung solle man Kinder erziehen und sie nicht in “Watte” packen, sprach sich Belakowitsch auch gegen die Abschaffung von Noten aus. Zudem sei die “massenhafte Zuwanderung” eine Belastung für das Bildungssystem, wie auch die Ergebnisse von Schüler:innen mit nichtdeutscher Muttersprache zeigen würden.

Viele Ursachen der bildungspolitischen Misere würden ausgeklammert, kritisierte Susanne Fürst (FPÖ) und zitierte Berichte, dass aufgrund von vermehrter Gewalt für viele Schulen die Gewährleistung von Sicherheit oberste Priorität habe. Ohne eine restriktive Einwanderungspolitik, eine Verschärfung des Asylrechts und Rückführungen werde sich daran nichts ändern, meinte Fürst. Im Bildungssystem laufe massiv etwas falsch, befand auch Axel Kassegger (FPÖ), der ebenfalls “die massive Migration” als wesentliche Ursache sah. Nur noch mehr Geld in die Integration zu stecken, sei aus Sicht der FPÖ keine Lösung. Anstelle der Digitalisierung müssten die Grundfertigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen forciert werden, forderte Gerald Hauser (FPÖ). Alle Schüler:innen müssten Grundkenntnisse in Deutsch haben, um dem Unterricht folgen zu können.

GRÜNE: POLITISCHE CHANCEN FÜR VERBESSERUNGEN DES BILDUNGSSYSTEMS WAHRNEHMEN

Die NEOS würden sich zwar oft um konstruktive Politik bemühen,  was sie sehr schätze, meinte Sibylle Hamann (Grüne) in Richtung ihrer Vorrednerinnen. Immer wieder würden sie aber populistische Forderungen erheben, was in Widerspruch zu dieser Haltung stehe. Wenn es um den Ruf nach großen Reformen und eine Zusammenarbeit in der Bildungspolitik gehe, wolle sie die NEOS gerne beim Wort nehmen. Gerade jetzt gebe es politische Chancen für Verbesserungen im Bildungssystem, die es wahrzunehmen gelte. Vor allem in der Elementarpädagogik sei so viel weitergegangen, wie unter keiner anderen Bundesregierung. Die Bundesländer hätten viel Geld erhalten, das nun richtig eingesetzt werden müsse, etwa im Ausbau der Elementarbildung. Die Ganztagsschulen seien zwar immer noch “ein Fleckerlteppich”, meinte Hamann, doch liege ein interessanter Vorschlag des Bundesministers vor, die Freizeitpädagogik ins Schulsystem zu integrieren. Das würde neue Chancen für die schulische Ganztagsbetreuung eröffnen. Hamann forderte die NEOS auf, diese Ansätze zu unterstützen.

Ziel  müsse sein, jedem Kind Chancen zu geben, und dies fange bei der Elementarpädagogik an, betonte Barbara Neßler (Grüne). Zu wenig Kinderbetreuung und -bildung würden einen “Chancenraub” nicht nur für Frauen, sondern auch für ihre Kinder bedeuten, sagte Neßler. Daher sei erfreulich, dass die entsprechenden Mittel für einen Ausbau der Elementarpädagogik bereitgestellt werden. (Fortsetzung Nationalrat) sox/pst/gla

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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