SPÖ fordert Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Mieten

Keine Mehrheit für Dringlichen Antrag im Nationalrat

Wien (PK) – Mit einem Dringlichen Antrag auf Abschaffung der
Mehrwertsteuer auf Mieten verlieh die SPÖ heute im Nationalrat ihrer
Forderung nach leistbarem Wohnen Nachdruck. Pamela Rendi-Wagner
erinnerte an die hohen Wohnkosten und an die in den letzten 20 Jahren
überproportional gestiegenen Mieten und argumentierte, ein Wegfall
der Steuer wäre ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit und würde zu einer
wesentlichen Entlastung für kleinere und mittlere Einkommen führen.
Staatssekretär Hubert Fuchs konnte ebenso wie die ÖVP dem Antrag der
SPÖ wenig abgewinnen und gab zu bedenken, eine Streichung der
Mehrwertsteuer auf Wohnungsmieten sei aufgrund der unionsrechtlichen
Bestimmungen nicht möglich.

Rendi-Wagner und Becher erwarten sich Entlastung für 1,6 Millionen
Haushalte

Die Mieten seien seit 1998 doppelt so hoch gestiegen wie die
Inflation, zeigte sich SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner alarmiert.
Wohnen ist in Österreich zu einem Luxus geworden, in einigen Regionen
sind Mieten für NormalverdienerInnen mittlerweile nicht mehr
leistbar, lautet ihr Befund. Durch die Abschaffung der Mehrwertsteuer
auf Wohnungsmieten könnte die Bundesregierung ein Stück mehr
Gerechtigkeit schaffen und 1,6 Mio. Haushalten eine Entlastung in der
Höhe von einer Monatsmiete ermöglichen, meinte sie. Konkret fordert
Rendi-Wagner Verhandlungen auf EU-Ebene, um eine entsprechende
Ausnahme von der Mehrwertsteuer zu erwirken. Außerdem sollten ihrer
Meinung nach die Maklergebühren vom Vermieter und nicht vom Mieter
bezahlt werden. Klar ist für die SPÖ-Chefin überdies, dass mehr in
den Neubau zu investieren sei, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen.
„Die Mieten liegen jenseits aller Schmerzgrenzen“, pflichtete ihr
auch Ruth Becher bei. Der von der Bundesregierung immer wieder
propagierte freie Markt führe zu keinerlei Lösungen im Sinne der
Wohnungssuchenden, beklagte die Bautensprecherin der SPÖ und forderte
ein Gegensteuern der Politik.

Fuchs: Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Wohnungsmieten nach
EU-Recht nicht möglich

Staatssekretär Hubert Fuchs spielte den Ball an die SPÖ zurück und
betonte, die Steuerreformkommission 2014 habe unter SPÖ-Beteiligung
über eine Verdoppelung des Mehrwertsteuersatzes auf Wohnungsmieten
diskutiert. Nun fordere die SPÖ in der Opposition Maßnahmen, die sie
als Kanzlerpartei nicht umsetzen wollte. Der Staatssekretär gab aber
überdies zu bedenken, dass nach EU-Recht eine Steuerbefreiung von
Wohnungsmieten jedenfalls nicht möglich sei, zumal das
ausschließliche Initiativrecht für eine Änderung der
Mehrwertsteuer-Richtlinie bei der Europäischen Kommission liege.
Darüber hinaus gelte in Steuersachen das Einstimmigkeitsprinzip, was
wiederum langwierige Verhandlungen voraussetze. Die Abschaffung der
Mehrwertsteuer würde aber auch zu einem Steuerausfall von 1.2 Mrd. €
führen, unterstrich Fuchs und warf der SPÖ vor, keinerlei Vorschlag
zur Gegenfinanzierung gemacht zu haben.

Singer will Angebot an Wohnraum erhöhen

Auch Johann Singer (ÖVP) hält die Umsetzung der SPÖ-Forderung aus
gemeinschaftsrechtlichen Überlegungen heraus nicht für möglich und
erinnerte, schon der Steuersatz von 10% sei eine österreichische
Sonderregelung, die anlässlich des EU-Beitritts verhandelt worden
war. Der jeweilige SPÖ-Bundeskanzler hätte in den letzten zehn Jahren
schon längst jene Verhandlungen mit der EU führen können, die
Rendi-Wagner jetzt von der türkis-blauen Bundesregierung einmahnt. Es
frage sich vor diesem Hintergrund, wie ernst der Dringliche Antrag
überhaupt gemeint sei. Nach Ansicht Singers würde die SPÖ gerade in
Wien ein reiches Betätigungsfeld zu mehr leistbarem Wohnen vorfinden,
dies etwa durch Absenken der zahlreichen Gebühren. Insgesamt trat
Singer dafür ein, das Angebot an Wohnraum zu erhöhen und
entsprechende Anreize dafür zu setzen.

Brückl: SPÖ soll vor ihrer eigenen Tür kehren

Hermann Brückl (FPÖ) will die vorhandenen Mittel effizienter
einsetzen, um die Wohnkosten niedrig zu halten. Als vorbildhaft sei
in diesem Sinn das oberösterreichische Wohnbauförderungsmodell unter
FPÖ-Verantwortung. Der Weg zu niedrigeren Mieten führt seiner
Einschätzung nach vor allem über Reformen im Baurecht sowie eine
Deregulierung von überschießenden Verordnungen. Der SPÖ empfahl
Brückl, vor der eigenen Tür zu kehren. In Wien hätten die
Sozialdemokraten jedenfalls gezeigt, dass sie nicht in der Lage sind,
billigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, betonte er und
kritisierte in diesem Zusammenhang die ständig wiederkehrenden
Gebührenerhöhungen.

Loacker: Steuerbefreiung würde zu Mehrkosten für MieterInnen führen

Gerald Loacker (NEOS) warnte, die von der SPÖ geforderte
Steuerbefreiung würde bloß zu Mehrkosten führen, die dann
insbesondere die neu eintretenden MieterInnen zu bezahlen hätten.
Auch der Sozialsprecher der NEOS sah die öffentliche Hand gefordert,
zur Senkung der Wohnkosten beizutragen und plädierte für eine Senkung
der Gebühren sowie der Steuer auf Haushaltsversicherungen. Nicht
durchsetzen konnte er sich mit einem Entschließungsantrag auf
Rücknahme der unechten Umsatzsteuerbefreiung für Geschäftsraummieten
an nicht vorsteuerabzugsberechtigte MieterInnen.

Zinggl: Regierung bremst bei der Mietrechtsreform

Wolfgang Zinggl (JETZT) sieht ebenfalls Handlungsbedarf bei der
Politik, warf der Regierung allerdings vor, immer dann auf der Bremse
zu stehen, wenn es um die Mietrechtsreform geht. Von der ÖVP als
„Partei der Immobilienbranche“ könne man nichts zur Entlastung der
MieterInnen erwarten, stellte er überdies fest. Wenn die Regierung
nun empfiehlt, in Wohnungseigentum zu investieren, dann sei dies eine
zynische Aussage, zumal viele Menschen überhaupt keine finanzielle
Perspektive dazu hätten. Zinggl forderte vielmehr eine Abschaffung
der befristeten Mietverträge sowie Maßnahmen gegen
Kurzzeitvermietungen an Touristen und meinte ebenfalls, die
Maklergebühr sollte in Zukunft von den Vermietern und nicht von den
Mietern bezahlt werden.

SPÖ: Grundrecht auf Wohnen durch Maßnahmenpaket sichern

Wohnen sei ein Grundrecht, betonte Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ). Die
Realität sei jedoch, dass viele Menschen sich aufgrund der schlechten
Entwicklung ihrer Einkommen das Wohnen nicht mehr leisten können.
Daher sei gerade eine rasche Entlastung der niedrigen Einkommen
wichtig. Die von der SPÖ vorgeschlagene Steuersenkung würde sofort in
den Konsum gehen, damit würde die Gegenfinanzierung praktisch von
selbst eintreten. Sein Fraktionskollege Andreas Kollross meinte, er
sehe grundsätzliche Einigkeit, dass die Situation auf dem
Wohnungsmarkt dringend Maßnahmen erfordere. Der Vorschlag der SPÖ
würde hingegen eine Entlastung vieler MieterInnen bedeuten. Konsens
herrsche aus seiner Sicht auch darüber, dass hohe Mieten kein rein
urbanes Problem mehr seien und die Politik darauf reagieren müsse.
Die Bundesregierung biete jedoch bisher keine Maßnahmen an.

Dringenden Handlungsbedarf aufgrund der ständig steigenden Mietpreise
sieht auch Katharina Kucharowits (SPÖ). Die Vorschläge der SPÖ zu
einem Universalmietrecht seien durchgerechnet, sie würden Transparenz
bei den Mieten schaffen und leistbaren Wohnraum ermöglichen.
Kucharowits sprach sich für die Zweckwidmung der Wohnbaufördermittel
und die Senkung der Mehrwertsteuer bei Mieten aus. Kai Jan Krainer
(SPÖ) verwies ebenfalls auf das Maßnahmenpaket, das die SPÖ bereits
vorgelegt habe und in dem der heute diskutierte Vorschlag nur einer
von vielen sei. Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Mieten werfe
zweifellos einige technische Fragen auf, sei grundsätzlich aber
umsetzbar. Die Koalition interessiere sich aber offenbar nicht für
jene fünfzig Prozent der ÖsterreicherInnen, die in Mietwohnungen
leben. Die SPÖ werde sich weiter für sie einsetzen.

ÖVP: Anreize für mehr Angebot an günstigen Wohnungen schaffen

Der Vorschlag der SPÖ würde Wohnen nicht leistbarer machen, sagte
Michaela Steinacker (ÖVP), er sei nicht umsetzbar. Hier fehle es an
Hausverstand und Sachkenntnis darüber, wie leistbares Wohnen
gesichert werden kann. Die Bundesregierung bekenne sich zu leistbarem
Wohnen und wolle die richtigen Anreize setzen, damit tatsächlich
günstiger Wohnraum entsteht. Dazu brauche es die Pluralität des
Angebots auf dem Wohnungsmarkt sowie Maßnahmen mit sozialer
Treffsicherheit. Gerade diese Treffsicherheit fehle jedoch im
Vorschlag der SPÖ. Steinacker sprach sich für mehr gemeinnützigen
Wohnbau, die Förderung der Schaffung von Wohneigentum sowie für die
Schaffung eines transparenten Mietrechts aus, das soziale Aspekte
berücksichtige. Die Bundesregierung werde dazu entsprechende
Vorschläge machen.

Die Bundesregierung setze die richtigen Maßnahmen, zeigte sich auch
Norbert Sieber (ÖVP) überzeugt. Leistbares Wohnen sei zweifellos ein
wichtiges Thema, auch wenn die Mieten in Österreich immer noch
vergleichsweise günstig seien. Man müsse aber reagieren, wenn für
viele Haushalte der Anteil der Mietkosten an den allgemeinen Ausgaben
zu hoch ist. Für Sieber liegt die kritische Grenze bei 25 Prozent des
Einkommens. Die Antwort besteht für ihn in der Mobilisierung des
Leerstands und der Erhöhung des Angebots durch Wohnbau.

FPÖ: SPÖ-Vorschlag nicht praktikabel, Regierung setzt richtige
Maßnahmen

Es gelte, die Ursachen der Mietsteigerungen zu bekämpfen, sagte Erwin
Angerer (FPÖ). Schuld an der Wohnungsverknappung seien neben einer
unkontrollierten Migrationspolitik auch die Abwanderung aus dem
ländlichen Raum. Die SPÖ und die Grünen hätten diese Problematik noch
gefördert, sagte Angerer. Die Forderung, die die SPÖ nun vorlege,
brauche die Zustimmung der EU und sei zudem nur eine Einzelmaßnahme.
Die Bundesregierung setze hingegen auf ein ganzes Bündel von
Maßnahmen zur Stärkung des ländlichen Raums und der Erhöhung der
allgemeinen Kaufkraft, die zum Teil schon umgesetzt seien. Robert
Lugar (FPÖ) warf der SPÖ vor, in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich
keine Antworten anzubieten. So werde etwa in Wien durch unnötige
Vorschriften der Wohnbau immer weiter verteuert. Die klassisch
sozialistischen Antworten der SPÖ würden Wohnraum letztlich immer
weiter verknappen, ist Lugar überzeugt.

Das Thema leistbares Wohnen sei komplex und brauche eine ernsthafte
Diskussion, nicht plakative Vorschläge, wie sie die SPÖ vorlege,
sagte Peter Wurm (FPÖ). Bei allen Maßnahmen sei stets gut zu
überlegen, wie sie sich letztlich auswirken werden. Der Vorschlag der
SPÖ wäre nur nach langwierigen Verhandlungen mit der EU umsetzbar,
kritisierte Walter Rosenkranz (FPÖ). Die Bundesregierung schaffe
hingegen genau jene Entlastungen, die dafür sorgen werden, dass
Menschen sich auch das Wohnen wieder leisten können.

NEOS sehen Reformbedarf bei Mietrecht und Bauordnungen

Die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt sei nichts Neues und leistbares
Wohnen ein Dauerthema sagte Irmgard Griss (NEOS). Es berühre aber
andere Bereiche, etwa die Raumordnung, die Zersiedelung des Landes
zeige Versäumnisse früherer Zeiten. Der gemeinnützige Wohnbau sei ein
wichtiger Faktor, um die soziale Durchmischung zu sichern. Mietrecht
sei nur ein kleiner Teil der Frage, außerdem bilde es ein komplexes
System, dessen Reform nicht einfach sei. Griss regte an, die geplante
Reform des Mietrechts unter Einbindung von ExpertInnen und der
Opposition in Angriff zu nehmen. Wichtig wäre es unter anderem auch,
die Vorschriften für gemeinnützigen Wohnbau zu durchforsten, wieder
eine Zweckwidmung der Wohnbauförderung zu schaffen und die
Bauordnungen zu vereinheitlichen.

JETZT: Leistbares Wohnen durch Besteuerung der höchsten Vermögen
gegenfinanzieren

Die Regierung biete keine Vorschläge an, wie man ausreichend
leistbaren Wohnraum schaffen könne, und biete nur Ankündigungen,
sagte Bruno Rossmann (JETZT). Die ÖVP ignoriere mit ihrem Schlagwort
vom Eigentum als Freiheit, dass für die untere Hälfte der
EinkommensbezieherInnen der Erwerb einer Wohnung praktisch unmöglich
sei, und dass sich die Realeinkommen des untersten Einkommensdrittels
in den letzten Jahren reduziert hätten. Der Vorschlag der SPÖ sei nur
auf den ersten Blick überzeugend, wenn auch schwer umsetzbar. Bei
genauerer Betrachtung sehe man, dass gerade für Menschen mit
befristeten Mietverträgen auf Dauer keine Entlastung eintreten würde.
Solange Wohnraum knapp sei, würden Mieterhöhungen den Effekt rasch
wieder unwirksam machen. Eine rasch wirksame und tatsächlich
nachhaltige Maßnahme wäre für Rossmann hingegen die Absenkung der
Sozialversicherungsbeiträge für die unteren Einkommen. Zur
Gegenfinanzierung würde laut Rossmann schon die Einführung einer
Erbschaftssteuer für die obersten zehn Prozent der Vermögen
ausreichen. (Fortsetzung Nationalrat) hof/sox

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