Nationalrat: NEOS fordern Entlastung für SteuerzahlerInnen

Dringliche Anfrage an Finanzminister Brunner angesichts aktueller Teuerung

Wien (PK) – Die NEOS nutzten die heutige Nationalratssitzung für eine Dringliche Anfrage an Finanzminister Magnus Brunner. Angesichts der Teuerung wollten sie wissen, mit welchen Steuereinnahmen der Finanzminister rechne und welche Maßnahmen geplant seien. Sie forderten nachhaltige Entlastungsschritte, etwa durch die Abschaffung der kalten Progression, eine Senkung der Lohnnebenkosten und eine Anpassung der Einkommenssteuer-Tarifstufen. Finanzminister Brunner argumentierte, dass die ExpertInnen im Ressort laufend die Inflationsentwicklung analysierten und nachhaltige Entlastungsmaßnahmen entwickelten. Auch mit der Abschaffung der kalten Progression setze man sich auseinander. Deren Effekte würden jedoch durch die ökosoziale Steuerreform „mehr als kompensiert“.

Für die Abschaffung der kalten Progression setzten sich die NEOS auch mit einem eigenen, im Zuge der Debatte eingebrachten Antrag ein, der jedoch in der Minderheit blieb. Die SPÖ sprach sich ebenfalls für Änderungen bei den Steuern aus und schlug dafür in einem Entschließungsantrag etwa eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuern, eine Integration des Familienbonus in die Familienbeihilfe und höhere Steuern auf Einkommen aus Kapital und sehr hohe Vermögen vor. Auch dieser Antrag fand keine Mehrheit. Einen kostenfreien Kindergarten forderten die Freiheitlichen mit einem Entschließungsantrag, der ebenfalls abgelehnt wurde. Im Rahmen der Debatte wurde auch die Causa Inserate rund um den Wirtschaftsbund Vorarlberg von mehreren Abgeordneten thematisiert.

Meinl-Reisinger fordert Ende der „Almosenpolitik“

Die Parteivorsitzende der NEOS Beate Meinl-Reisinger leitete die Dringliche Anfrage mit einer Charakterisierung der gegenwärtigen Lage als „politischen Krisenmodus“ ein, der mittlerweile drei Jahre andauere. Drei Jahre, die de facto verloren seien, da seit dem Erscheinen des Ibiza-Videos und der darauf folgenden Corona- und Ukrainekrise kaum politische Handlungsfähigkeit bestehe. Dies schlage sich laut Meinl-Reisinger nun auch in den aus ihrer Sicht mangelhaften Maßnahmen der Koalition gegen die höchste Inflation seit 40 Jahre nieder. Diese bekäme mittlerweile jeder in Form einer Kostenexplosion in verschiedenen Bereichen zu spüren: von Unternehmen, die um die Fortführung ihres Betriebes bangen würden, bis zu Haushalten, die viele Einschränkungen zu erdulden hätten.

Der Staat könne wenig tun, um die Ursachen dieser prekären Situation zu bekämpfen, so Meinl-Reisinger. Sehr wohl könne er jedoch deren Effekte auf die BürgerInnen abfedern. Dafür müsse besonders stark Betroffenen akut mit Zuschüssen geholfen, die Lohnnebenkosten gesenkt, die Einkommenssteuer-Tarifstufen an die aktuelle Inflationsentwicklung angepasst und vor allem die kalte Progression abgeschafft werden, die in ihren Augen einen „Zukunftsraub“ darstelle. Letztere Maßnahme würde jedoch trotz jahrelanger Ankündigungen der ÖVP konsequent nicht realisiert werden, da es für den Finanzminister vorteilhaft sei, durch die kalte Progression ein „Körberlgeld“ zu lukrieren, das er anschließend großzügig verteilen könne. Es dürfe nicht sein, dass angesichts der kritischen Situation vieler BürgerInnen der Finanzminister als größter Krisengewinner dastehe und „Almosenpolitik“ betreibe.

In ihrer Anfrage zitieren die NEOS Schätzungen, wonach die hohen Inflationsraten in den Jahren 2022 und 2023 zu Steuer-Mehreinnahmen für den Staat zwischen 7,5 Mrd. € und 11,2 Mrd. € führen. Die Fraktion fordert daher dringend nachhaltige Entlastungsschritte, um die Abgabenquote von derzeit 44% zu senken. Vom Finanzminister wollten die NEOS unter anderem konkret wissen, mit welchem Abgabenaufkommen er für die Jahre 2022 und 2023 rechne und wie die Einnahmen der verschiedenen Steuerarten prognostiziert werden. Außerdem fragten sie nach Maßnahmen zur Senkung der Lohnnebenkosten, weiteren Anti-Teuerungspaketen, der geplanten weiteren Steuerreform sowie der Anpassung des Budgets für 2022. Auch die im Finanzministerium eingerichtete Arbeitsgruppe zur kalten Progression war für die NEOS von Interesse.

Brunner: Teuerungsbekämpfung benötigt kühlen Kopf und ruhige Hand

Um der Teuerung wirksam entgegentreten zu können, benötige es zunächst einen politischen Grundkonsens über alle Gebietskörperschaften, der die Entlastung der BürgerInnen ins Zentrum stellt, erläuterte Finanzminister Magnus Brunner. Dafür müssten vor allem in den Bundesländern, wo es teilweise kontraproduktive Gebührenerhöhungen gebe, Sensibilität geschaffen werden. Einerseits sei es notwendig, hier an einem Strang zu ziehen und andererseits bei den Maßnahmen einen „kühlen Kopf und eine ruhige Hand“ zu bewahren. Denn gegenwärtig werde vieles gefordert, was sich auf dem zweiten Blick als kontraproduktiv oder gar inflationstreibend erweise, wie Brunner erklärte. So würde es beispielsweise der von der SPÖ geforderten Senkung der Mehrwertsteuer an der notwendigen sozialen Treffsicherheit mangeln.

Der Staat könne nicht jede Krise hundertprozentig kompensieren. Wo es notwendig ist, müsse geholfen werden, um die schlimmsten Auswirkungen der Krise abzufedern, so Brunner. Österreich habe hier, beispielsweise mit dem Teuerungsausgleich und den Energiekostengutscheinen, schneller gehandelt, als die meisten anderen EU-Länder und mit insgesamt 4 Mrd. € ein viel höheres Volumen zur Verfügung gestellt. Auch die ökosoziale Steuerreform beginne gerade jetzt ihre konkrete Wirkung zu entfalten. Ziel müssten laut Brunner nachhaltige Entlastungsmaßnahmen und keine kurzfristigen Ad-hoc-Hilfestellungen sein. Deshalb werde auch die kalte Progression und deren Auswirkungen auf die verschiedenen Bevölkerungsgruppen unter die Lupe genommen.

Auf die Fragen der NEOS nach dem aktuellen Abgabenaufkommen antwortete Finanzminister Brunner, dass es 2021 ein Bruttogesamtsteueraufkommen in der Höhe von 94,3 Mrd. € gegeben habe. 2022 belaufe es sich voraussichtlich auf 98,1 Mrd. €, was 200 Mio. € weniger seien, als noch im Herbst budgetiert wurde. Beim Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) rechnet das Finanzressort 2022 mit Einnahmen von 7,8 Mrd. € und 2023 mit 8,2 Mrd. €. Eine Steigerung, die sich aus der hohen positiven Arbeitsmarktlage ergebe. Die künftige Inflationsrate gab Brunner auf Basis einer Prognose des WIFO für 2022 mit 5,8% und für 2023 mit 3,2% an.

Die Expertenkommission im Finanzministerium analysiere laufend die Entwicklung der Inflation aus sozial- und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten. Auch mit der Abschaffung der kalten Progression setze man sich tiefgehend auseinander, erklärte Brunner, betonte jedoch, dass die ökosoziale Steuerreform die Effekte der kalten Progression „mehr als kompensiert“. Eine Überarbeitung der Behaltefrist bei langfristigen Veranlagungen sei in Verhandlung und ziele auf einen niederschwelligen Einstieg in den Kapitalmarkt auch für Menschen mit geringerem Einkommen.

NEOS pochen auf Abschaffung der kalten Progression

Von den NEOS wiederholte Karin Doppelbauer die Forderung, die kalte Progression abzuschaffen. Die Steuer-Tarifstufen seien seit 2009 nicht mehr angepasst worden. Die Steuerfreigrenze liege seit damals bei einem Monatseinkommen von 11.000 €, müsste inflationsbereinigt aber mittlerweile bei 13.420 € liegen. Würde man auch die anderen Stufen entsprechend anpassen, ergebe das eine jährliche Entlastung von 5,5 Mrd. €. Doppelbauer ging auch auf den vom Finanzminister eingerichteten Arbeitskreis ein und appellierte, endlich ins Tun zu kommen. Sie brachte deshalb einen Entschließungsantrag ein, mit dem sie vom Finanzminister eine Regierungsvorlage forderte, mit der die kalte Progression abgeschafft wird. Die Steuer-Tarifstufen sollen demnach jährlich an die Inflation angepasst werden. Der Antrag blieb in der Minderheit. Vor einer Insolvenzwelle warnte Michael Bernhard (NEOS) und forderte eine Senkung der Lohnkosten.

ÖVP für Unterstützung besonders vulnerabler Gruppen

ÖVP-Mandatar Ernst Gödl konnte dem NEOS-Vorschlag nach der Abschaffung der kalten Progression nicht viel abgewinnen. In der aktuellen Phase der Teuerung habe diese nicht oberste Priorität, wenngleich es sich um einen wichtigen Punkt handle. Es gehe jetzt darum, besonders vulnerable Gruppen zu entlasten. Die soziale Lage habe sich verschärft, gestand Gödl ein. Deshalb müsse jetzt zielgerichtet unterstützt werden, in der Folge könnte man über andere Maßnahmen, wie die Abschaffung der kalten Progression, diskutieren. Die nächste Generation dürfe nicht über Gebühr belastet werden, meinte Martina Kaufmann (ÖVP).

SPÖ fordert Entlastung für arbeitende Menschen und höhere Steuern auf Kapital und Vermögen

Für Kai Jan Krainer (SPÖ) hat die ÖVP das Thema Teuerung verschlafen. Die Teuerungswelle sei seit Sommer spürbar, erste Maßnahmen habe es aber erst im Dezember vergangenen Jahres gegeben. Während es nun immerhin zu den Inflationstreibern Energie und Treibstoffe Antworten von der Regierung gebe, sei bei den Bereichen Wohnen und Lebensmittel noch immer nichts passiert. Die Inflation habe mittlerweile Bevölkerungsschichten erreicht, die früher nicht von Armut gefährdet waren, zeigte Krainer auf. Er kritisierte auch, dass die Abgabenquote gestiegen sei, seit die ÖVP den Kanzler stelle. Gestiegen seien jedoch die Steuern der kleinen Betriebe, der PensionistInnen und der arbeitenden Menschen, nicht jene von MillionärInnen und Konzernen. Für Krainer ist das der falsche Weg.

Er brachte daher einen Entschließungsantrag ein, mit dem die SPÖ ein Gesetzespaket für eine strukturelle Steuerreform einforderte. Damit sollten Lohn- und Einkommensteuern gesenkt werden, sodass zumindest 1.000 € mehr Nettoeinkommen jährlich übrig bleibt. Weiters wollte die SPÖ sicherstellen, dass die Mittel der kalten Progression ausschließlich für die Senkung der Lohn- und Einkommensteuern verwendet werden und höhere Steuern auf Einkommen aus Kapital und sehr hohe Vermögen einhoben werden. Der aus Sicht der SozialdemokratInnen unfaire Familienbonus sollte in die Familienbeihilfe integriert werden. Der Antrag fand keine Mehrheit.

FPÖ: Steuersenkung statt Umverteilungsbürokratismus

Für Hubert Fuchs (FPÖ) ist der Finanzminister der größte Profiteur der explodierenden Preise. Je höher der Grundpreis, desto höher seien auch die Steuereinnahmen, so Fuchs. Das „Abkassieren“ gehe mit der kalten Progression und der CO2-Steuer weiter, kritisierte er. Die Regierung hebe zuerst Energiesteuern und Umweltabgaben kompliziert ein und gebe dann einen kleinen Teil mit einem hohen Verwaltungsaufwand an die Bevölkerung zurück. Statt diesem „Umverteilungsbürokratismus“ forderte Fuchs die sofortige Senkung von Steuern auf Energie und Treibstoffe, die vorübergehende Aussetzung der Umsatzsteuer bei lebenswichtigen Grundnahrungsmitteln und die Abschaffung der kalten Progression. Angesichts der dramatischen Preisentwicklung müsse die Bundesregierung ins Handeln kommen, um die BürgerInnen endlich zu entlasten, meinte auch Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Für einen kostenfreien Kindergarten trat Erwin Angerer (FPÖ) mittels Entschließungsantrag ein, der in der Minderheit blieb. Diese würden dem Staat zwar kurzfristig etwas kosten, aber Familien entlasten und sie hätten langfristig positive wirtschaftliche Effekte. Für die Inflation machte Gerald Hauser (FPÖ) die Schuldenpolitik vieler EU-Mitglieder verantwortlich.

Grüne halten Abschaffung der kalten Progression als Maßnahme gegen Teuerung für verfehlt

Jakob Schwarz (Grüne) zeigte sich von der NEOS-Forderung nach der Abschaffung der kalten Progression nicht überrascht, da diese bereits wiederholt aufgebracht worden sei. Man könne grundsätzlich darüber sprechen. Als Maßnahme gegen die aktuelle Teuerung halte er sie jedoch für besonders verfehlt. Von der Teuerung seien nämlich Menschen mit geringem Einkommen besonders betroffen. Die Abschaffung der kalten Progression mit einem von den NEOS geforderten Automatismus stütze hingegen insbesondere große Einkommen. Der Staat würde nicht nur höhere Einnahmen, sondern auch steigende Ausgaben durch die Inflation haben, gab Markus Koza (Grüne) zu bedenken.

Debatte über Inseratenpolitik des Wirtschaftsbundes Vorarlberg

Im Rahmen der Dringlichen Anfrage wurde auch die Causa Inserate rund um den Wirtschaftsbund Vorarlberg von mehreren Abgeordneten thematisiert. So betonte Gerald Loacker (NEOS), dass die wirtschaftliche Entwicklung die Bevölkerung und die UnternehmerInnen unter Druck setze. In Vorarlberg würden die UnternehmerInnen aber auch vom ÖVP-Wirtschaftsbund unter Druck gesetzt, meinte er mit Blick auf die kürzlich bekannt gewordene Causa rund um Inserate im Magazin des Wirtschaftsbundes. Loacker stellte die Frage in den Raum, ob Finanzminister Magnus Brunner als früherer politischer Direktor des Österreichischen Wirtschaftsbundes von der Praxis gewusst habe, die es laut dem NEOS-Abgeordneten seit Jahrzehnten gebe. Er kritisierte, dass das Steuergeld nicht korrekt verwendet werde. Ein grundlegendes strukturelles Problem in der ÖVP, das kein Einzelfall sei, ortete Nikolaus Scherak (NEOS) und hoffte, dass das neue Parteientransparenzgesetz dem einen Riegel vorschieben werde.

Es falle schwer, mit Finanzminister Brunner als ehemaligen Wirtschaftsbunddirektor über Steuergerechtigkeit zu diskutieren, warf Reinhold Einwallner (SPÖ) ein und forderte die ÖVP und den Finanzminister auf, sich von der Steuerhinterziehung und der „Inseratenkeilerei“ sowie der im Raum stehenden Korruption zu distanzieren und dementsprechende Konsequenzen einzufordern.

Niemand zahle gerne Steuern, es müssten aber alle tun. Umso mehr sei es verwunderlich, dass der Wirtschaftsbund Vorarlberg meine, dass für ihn andere Regeln gelten würden, sagte Nina Tomaselli (Grüne) und sprach von einer „Geldvermehrungsmaschine“ zugunsten der ÖVP. Die Akten des ÖVP-Untersuchungsausschusses würden viele aufklärungsbedürftige Vorgänge dokumentieren, erklärte Tomaselli. Solche Systemfehler müsse die Politik beenden, das neue Parteientransparenzgesetz werde solche Flüsse transparent machen.

Offensichtlich seien „kritisierungswürdige Dinge“ beim Wirtschaftsbund Vorarlberg vorgefallen und es gebe steuerliche Fragen, wo es unterschiedliche Auffassungen zwischen Steuerberatern und Finanzprüfung gebe, erklärte ÖVP-Abgeordneter und Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich Karlheinz Kopf und trat für eine volle Aufklärung ein. Zudem kritisierte Kopf die Angriffe der Opposition auf Finanzminister Brunner und den Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner. (Fortsetzung Nationalrat) kar/pst/wit

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