Gesundheitsausschuss: Novelle zum Medizinproduktegesetz sieht erweiterte ärztliche Informationspflichten bei schadhaften Implantaten vor

Debatte über Sicherstellung der Medikamentenversorgung und zahlreiche Vorschläge der Opposition zur Reform des Gesundheitswesens

Eine Novellierung des Medizinproduktegesetzes, die aktuellen Probleme bei der Versorgung mit Medikamenten in Österreich sowie zahlreiche Reformvorschläge der Opposition standen im weiteren Verlauf der heutigen Sitzung des Gesundheitsausschusses im Mittelpunkt der Debatte. Sollten von Implantaten gesundheitliche Gefährdungen ausgehen, so müssen in Hinkunft die Patient:innen “nachweislich” und “ohne unnötigen Aufschub” von den behandelnden Ärzt:innen oder den Krankenanstalten informiert werden, sieht eine mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS beschlossene Regierungsvorlage vor. Anlassfall dafür seien schadhafte Verhütungsspiralen eines spanischen Herstellers gewesen, die auch in Österreich vielen Frauen eingesetzt wurden, erinnerte Ralph Schallmeiner (Grüne). Die zahlreichen – allesamt vertagten – Oppositionsanträge deckten thematisch eine breite Palette ab und reichten von Erleichterungen beim grenzüberschreitenden Rettungseinsatz bis hin zum forcierten Ausbau der Primärversorgungseinheiten. 

Gesundheitsminister Johannes Rauch informierte darüber, dass er mit der Pharmabranche eine Vereinbarung bezüglich einer ausreichenden Versorgung mit Medikamenten anstrebe, um für den nächsten Winter besser gerüstet zu sein. Grundsätzlich war er überzeugt davon, dass

aufgrund der anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen im heurigen Jahr ein entscheidendes Zeitfenster offen stehe, um Reformen anzugehen, die ihren Namen auch wert sind.

MEDIZINPRODUKTEGESETZ: STRENGERE INFORMATIONSPFLICHTEN FÜR BEHANDELNDE ÄRZT:INNEN UND GESUNDHEITSEINRICHTUNGEN

Die mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS beschlossene Novelle des Medizinproduktegesetzes 2021 dient primär der Implementierung von EU-rechtlichen Vorgaben (1899 d.B.). Neu eingeführt wird aber auch die ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung zur sofortigen Information betroffener Patient:innen über bestehende Gesundheitsgefährdungen durch Implantate durch die behandelnden Ärzt:innen oder die Gesundheitseinrichtungen. Als zuständige Marktüberwachungsbehörde fungiert das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG), das laut geltender Rechtslage ein koordiniertes Zusammenwirken von Herstellern, Gesundheitseinrichtungen und Gesundheitsberufen gewährleistet, heißt es in den Erläuterungen. Eine Mitteilung des Bundesamts über bestehende, d.h. im Rahmen der entsprechenden Untersuchungen festgestellte, Gesundheitsgefährdungen durch Implantate, wird einerseits auf der Homepage des BASG veröffentlicht, andererseits an die Landessanitätsdirektionen und die Ärztekammer weitergeleitet, damit die “betroffenen Verkehrskreise” informiert sind, ist der Regierungsvorlage zu entnehmen.

Es handle sich dabei um eine sehr wichtige weitere Sicherheitsmaßnahme im Sinne der Patient:innen, hob Abgeordneter Josef Smolle (ÖVP) hervor. Wenn es behördliche Informationen über eine Gesundheitsgefährdung gebe, dann müssten die Ärzt:innen und Spitäler unverzüglich die Patient:innen informieren, erläuterte er den Gesetzesentwurf.

Zustimmung kam auch von Seiten der Abgeordneten Fiona Fiedler (NEOS), die die Änderungen sehr begrüßte.

Abgeordneter Gerhard Kaniak (FPÖ) machte darauf aufmerksam, dass im Laufe des Begutachtungsverfahrens auch kritische Stellungnahmen, die u.a. die Einhaltung des Datenschutzes betrafen, eingelangt seien.

Bundesminister Johannes Rauch verwies darauf, dass nur die im Implantatsregister enthalten Informationen den Ärzt:innen und Krankenanstalten vorliegen. Die Einhaltung der Datenschutzvorschriften sei aus seiner Sicht gewährleistet.

VORSCHLÄGE FÜR BESSERE MEDIKAMENTENVERSORGUNG UND DER FÖRDERUNG DES HEIMISCHEN PHARMASTANDORTES  

Bereits während der COVID-19-Pandemie sei die Versorgungssicherheit Österreichs im Bereich von medizinischen Gütern gefährdet gewesen, führte SPÖ-Abgeordneter Philip Kucher ins Treffen. Grund dafür war unter anderem die Abhängigkeit vom asiatischen Markt, die sich in den letzten Monaten noch verschärft habe. Mittlerweile seien laut Datenbank der AGES schon über 600 Medikamente nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Die SPÖ fordert die Bundesregierung daher auf, endlich gezielte Maßnahmen zur Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Medikamenten zu ergreifen. Insbesondere sollte ein “Made-In-Austria-Fonds” in der Höhe von 3 Mrd. € eingerichtet werden, mit dem das strategische Ziel einer künftigen Unabhängigkeit im Bereich der Medikamentenversorgung durch Förderung entsprechender Projekte finanziert werden soll. Weiters soll ein durch den Bund verwaltetes Krisenlager für definierte Medizinprodukte errichtet werden. Darüber hinaus müssten sich die politisch Verantwortlichen auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass all jene Pharmaunternehmen, die in Hinkunft Medikamente in der EU verkaufen wollen, diese zumindest zu einem gewissen Teil in Europa herstellen. Weiters sollte festgelegt werden, dass sie einen bestimmten Anteil der Produktion in Form einer “Notreserve” zurückhalten (3151/A(E)).

Dazu lag auch ein umfangreicher Antrag der FPÖ vor, der im Zuge der Sitzung eingebracht wurde. Aus ihrer Sicht war die noch von Bundesminister Anschober erlassene Verordnung zur “Sicherstellung der Arzneimittelversorgung” vom Februar 2020 war ein “untauglicher Versuch”, die Situation zu verbessern. Abgeordneter Gerhard Kaniak (FPÖ) schlug daher eine komplette Neufassung vor, wobei vor allem das Exportverbot fallen müsse. Gerade während der Coronakrise, als eine akute Mangelsituation bestand, sei diese Maßnahme kontraproduktiv gewesen. Es würde ganz andere Instrumente brauchen, wie zum Beispiel eine ergänzende Gebührenregelung für die regelmäßige amtswegige Überprüfung der Nichtlieferbarkeit von Medikamenten für die Zulassungsinhaber, eine Änderung des Notfallparagraphen im Rezeptpflichtgesetz oder die Einführung einer gesetzlichen Lieferverpflichtung für die pharmazeutische Industrie an den pharmazeutischen Großhandel.

Aufgrund der hohen Inflation könnten sich viele Menschen das Leben nicht mehr leisten, zeigte die SPÖ in einem weiteren Entschließungsantrag auf. Dies betreffe auch den Gesundheitsbereich, da sich kranke Personen mittlerweile überlegen müssten, ob sie sich die verordneten Arzneimittel noch kaufen können. Deutlich gestiegen sei aber auch die Rezeptgebühr (2023: 6,85 €), wodurch zahlreiche Medikamente schon unter dieser Preisgrenze liegen würden, konstatiert Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ). Dies wirke sich nachteilig insbesondere auf Menschen mit geringem Einkommen aus, zumal die Arzneimittel auch nicht im ELGA-System aufscheinen. Die SPÖ schlägt daher die Umwandlung der im Jahr 2007 eingeführten Rezeptgebührendeckelung (2 % des Jahresnettoeinkommens) in eine Arzneimittelkostendeckelung vor, wodurch alle verordneten Medikamente in die Kostenobergrenze eingerechnet würden (3061/A(E)).

Auch die NEOS machten in einem Entschließungsantrag auf das mittlerweile seit einem Jahr bestehende Problem der Arzneimittelknappheit in Österreich aufmerksam, das sich durch die Corona-Krise noch verstärkt habe (510/A(E)). Aufgrund der überzogen pharmakritischen Haltung der letzten Jahre sei es zu einer Abwanderung der Arzneimittelforschung und -produktion gekommen. Außerdem werde Österreich bei klinischen Studien immer seltener eingebunden und auch bei der Auslieferung von Arzneimittelinnovationen nicht vorrangig berücksichtigt. Zu den dringlichsten Forderungen des Arzneimittelsektors gehörten der Abbau der Bürokratie, eine geringere Lohnnebenkostenbelastung sowie eine bessere Innovationsförderung, argumentierte Fiona Fiedler (NEOS), die auf ein Pharmastandortkonzept drängte.

In einem weiteren von den NEOS eingebrachten Initiativantrag geht es um eine Änderung einer Bestimmung im ASVG, die reguliert, in welchem Rahmen Arzneimittelpreise gesenkt werden müssen, um im Erstattungskodex zu bleiben (1134/A). Durch den von den NEOS eingebrachten Antrag soll nun gewährleistet werden, dass das entsprechende Verfahren automatisch regelmäßig wiederholt wird und dass auch die Fristen für den Verbleib im Erstattungskodex angepasst werden.

Er sei in intensiven Gesprächen mit der Pharmabranche, berichtete Bundesminister Johannes Rauch, um einen Arzneimittelmangel im nächsten Winter zu verhindern. Was derzeit nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa Probleme bereite, sei auf eine Fehleinschätzung der Pharmafirmen zurückzuführen, die nicht mit einer so starken Infektionswelle mit unterschiedlichen Viren gerechnet haben. Problematisch sei natürlich auch, dass man bei einzelnen Wirkstoffen bis zu 100 % von chinesischen Produzenten abhängig sei, weshalb es eine europäische Strategie brauche.

Alle Anträge wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

FPÖ SIEHT ENORMEN HANDLUNGSBEDARF IM GESUNDHEITSWESEN UND BRINGT UMFANGREICHES FORDERUNGSPAKET EIN

Von Seiten der Freiheitlichen lag ein Bündel an Forderungen vor, die von einem umfassenden Maßnahmenpaket für das österreichische Gesundheitssystem und der Stärkung des niedergelassenen Bereichs (783/A(E)), einem Akut-Finanzierungspaket für die Krankenanstalten in der Höhe von 150 Mio. € (2991/A(E)), der Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes insbesondere durch eine Erhöhung der Planstellen für Amtsärzt:innen (1353/A(E)), der Erhöhung des amtlichen Kilometergeldes sowie der Einbeziehung der Ehrenamtlichen (2992/A(E)), einer Reform bei der Abrechnung der medizinischen Behandlungen von Häftlingen (3007/A(E)), der zeitnahen Umsetzung der versprochenen Erleichterungen bei der Beantragung des Behindertenpasses (3047/A(E)) sowie der Verankerung der Musiktherapie in den Gesundheitseinrichtungen (2935/A(E)) reichten. Auch diese Anliegen wurden bei der Abstimmung mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt. Als Gründe dafür wurden laufende Gespräche mit den jeweiligen Stakeholdern bzw. auch die Finanzausgleichsverhandlungen genannt.

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek nahm zum Antrag betreffend Musiktherapie Stellung und erinnerte daran, dass sich die SPÖ für ein umfassendes Angebot eingesetzt habe. Vor allem würden kassenfinanzierte Psychotherapieplätze für Kinder und Jugendliche fehlen, betonte sie.

Abgeordneter Josef Smolle (ÖVP) stimmte darin überein, dass es eine bessere und vor allem transparente Lösung für die Abrechnung der medizinischen Behandlungen von Häftlingen brauche. Dabei müsse man aber darauf achten, dass keine Mehrkosten entstünden.

Abgeordneter Gerhard Kaniak (FPÖ) wies darauf hin, dass die Krankenanstalten gerade in einer Zeit unterdotiert waren, als die Belastungen enorm gestiegen seien. Es brauche daher zusätzliche Mittel für diesen Bereich. Mit einem Zuschuss von 150 Mio. € könnte man zumindest den schon bisher “bescheidenen Status Quo” noch etwas aufrechterhalten. Ähnliches gelte für den Öffentlichen Gesundheitsdienst, wo viele Stellen seit Jahren nicht besetzt seien, bezog er sich auf einen weiteren Antrag seiner Fraktion. Was vor allem fehle, sei ein zukunftsfähiges und attraktives Berufsbild für Ärzt:innen sowie eine ausreichende Anzahl an Planstellen für Amtsärzt:innen. Sein Fraktionskollege Gerald Hauser (FPÖ) beklagte, dass sogar der Antrag zur Stärkung des niedergelassenen Bereichs vertagt wurde, obwohl ein gleichlautender im Tiroler Landtag einstimmig angenommen wurde.

Die Intention des Antrags zum Ausbau des niedergelassenen Bereichs teile er zu 100 %, da es dabei um die zentrale Säule der Gesundheitsversorgung insbesondere am Land gehe, versicherte Gesundheitsminister Johannes Rauch. Um Reformen einzuleiten, die auch ihren Namen verdienen, müsse man die Finanzausgleichsverhandlungen im Jahr 2023 nützen. Dies sei der einzige Hebel, wo man ansetzen könne.

NEOS-VORSCHLÄGE ZUR REFORM DES PRIMÄRVERSORGUNGSGESETZES SOWIE ZU ERLEICHTERUNGEN BEIM GRENZÜBERSCHREITENDEN RETTUNGSEINSATZ

Die Erfahrungen mit der Umsetzung des Primärversorgungsgesetzes in den letzten Jahren haben nach Einschätzung der NEOS gezeigt, dass es in einigen Bereichen praktikabler und realitätsnaher ausgestaltet werden müsse. Dies würde auch durch das deutliche Verfehlen der angepeilten Zielwerte – Errichtung von 75 Primärversorgungszentren bis 2022 – eindeutig belegt, zeigt Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler (NEOS) auf. Für besonders wichtig erachtet sie, dass der Betrieb von Primärversorgungseinheiten nicht nur Ärzt:innen, sondern auch Vertreter:innen anderer Gesundheitsberufe offen stehen sollte. Um den Ausbau weiter voranzutreiben, müssten zudem vereinfachte Gründungsformen ermöglicht und die nicht-ärztlichen Stellen in der Personalstruktur von Primärversorgungszentren abgesichert werden (2697/A(E)).

Auch Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hielt es für wichtig, dass die Primärversorgungseinheiten auch für andere Berufsgruppen offen stehen.

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne) zeigte Verständnis für diese Forderungen und wies darauf hin, dass mittlerweile schon einiges in Bewegung gekommen sei. Aufgrund der laufenden Gespräche stellte er einen Vertagungsantrag, der mit ÖVP-Grünen-Mehrheit angenommen wurde.

Weiters machten die NEOS auf rechtliche Probleme beim grenzüberschreitenden Einsatz von Rettungsdiensten aufmerksam (1958/A(E)). So gebe es pro Jahr rund 200 Einsätze, bei denen österreichische Rettungskräfte in Deutschland tätig werden und rund 130 Fälle, bei denen deutsche Sanitäter:innen in Österreich Einsätze absolvieren würden. Diese würden derzeit allerdings in einem rechtsfreien Raum agieren, da sich etwa die deutschen Ärzt:innen in solchen Fällen erst bei der österreichischen Ärztekammer melden müssten. Die naheliegendste Lösung wäre der Abschluss eines Rahmenabkommens, ein solches würde bereits mit Tschechien seit dem Jahr 2016 bestehen. Im Sinne der Rechtssicherheit sollten daher auch mit den Nachbarländern Deutschland, Schweiz, Italien und Slowenien Gespräche über solche Abkommen aufgenommen werden, appellierte Katharina Werner (NEOS). Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ) merkte an, dass es sogar in den einzelnen Bundesländern in Österreich unterschiedliche Regelungen für Sanitäter:innen gebe, was in der Praxis zu Problemen führen würde. Der Antrag wurde ebenso vertagt. (Schluss Gesundheitsausschuss)

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