Trimedialer ORF-Schwerpunkt zu „80 Jahre Novemberpogrom“

Zeitzeugen erinnern sich – u. a. in „Orientierung“, „kreuz und quer“, „Universum History“, „Religionen der Welt“, „Was ich glaube“, ORF III und Ö1

Wien (OTS) – In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 begann mit
den Novemberpogromen im Deutschen Reich die systematische Verfolgung,
Enteignung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung. 80 Jahre danach
erinnert der ORF in einem trimedialen Programmschwerpunkt an die
Geschehnisse von damals. Auf dem Programm von ORF 2 stehen ab 4.
November u. a. der „Orientierung“-Beitrag „Novemberpogrom 1938 – Ein
Zeitzeuge erinnert sich“, die „kreuz und quer“-Dokumentationen
„Vergiss nicht deinen Namen“ und „Hitlers Kinder“, das
Holocaust-Drama „Die Kinder von Paris“, die „Universum
History“-Produktion „Die Nacht des Terrors“ und Steven Spielbergs
preisgekröntes Drama „Schindlers Liste“. ORF III gedenkt der
Novemberpogrome 1938 mit einem dreiteiligen „zeit.geschichte spezial“
am 8. November, ab 3. November ist „80 Jahre Novemberpogrom“ Thema
mehrerer Ö1-Sendungen, Specials auf ORF.at, ORF-TVthek und im ORF
TELETEXT ergänzen den Schwerpunkt.

Die einzelnen ORF-2-Programmpunkte im Überblick

„Orientierung“-Beitrag „Novemberpogrom 1938 – Ein Zeitzeuge erinnert
sich“ (4. November)

Robert Rosner war 14 Jahre alt, als am 10. November 1938 auch in Wien
Synagogen und jüdische Bethäuser niedergebrannt, jüdische Geschäfte
zerstört, Wohnungen willkürlich durchsucht und Tausende Jüdinnen und
Juden misshandelt, inhaftiert oder ermordet wurden. In der Wohnung
seiner Familie in der Förstergasse in Wien-Leopoldstadt harrte er in
diesen Tagen aus. Wenige Monate später gelang es ihm, im Rahmen eines
sogenannten „Kindertransports“ nach Großbritannien zu gelangen. Dort
überstand er die Jahre des Krieges, bevor er nach dem Ende des
Zweiten Weltkriegs wieder in seine alte Heimatstadt Wien
zurückkehrte. Im Gespräch mit der „Orientierung“ (12.30 Uhr) erinnert
sich der mittlerweile 94-Jährige an seine Jugendzeit, aber auch an
das Leben nach den Jahren von Krieg und Verfolgung.

„kreuz und quer“-Dokumentationen „Vergiss nicht deinen Namen“ und
„Hitlers Kinder“, Holocaust-Drama „Die Kinder von Paris“ (6.
November)

Als fünfjähriger Bub wird der in Wien geborene Robert Perels mit
seiner Mutter in einem Eisenbahntransport Richtung KZ Auschwitz
gebracht. Bei einem kurzen Halt entschließt sich die Mutter spontan,
den Fünfjährigen im letzten Augenblick aus dem Zug zu werfen. Ihrem
Sohn Robert hat sie damit das Leben gerettet. Sie selbst wird wenige
Tage später in der Gaskammer von Auschwitz ermordet. In Andrea
Eckerts „kreuz und quer“-Dokumentation „Vergiss nicht deinen Namen“
(22.35 Uhr) schildert Robert Perels seine dramatische Geschichte und
spricht darüber, wie er den Verlust seiner Mutter bewältigt hat, was
er unter Heimat versteht und wie er als Vollwaise an der Hoffnung auf
Zukunft festhalten konnte. Hermann Göring, Rudolf Höß, Heinrich
Himmler und Amon Göth – ihre Namen stehen für die grauenhaften
Verbrechen des Nationalsozialismus. Chanoch Ze’evis Film „Hitlers
Kinder“ (23.05 Uhr) zeigt eine intensive Auseinandersetzung der
Nachfahren mit der eigenen Herkunft und dem Thema Schuld und
Aussöhnung. Um 0.05 Uhr folgt mit „Die Kinder von Paris“ ein
erschütterndes Holocaust-Drama im von Hitler-Deutschland besetzten
Frankreich. Bei der Pariser Razzia im Juli 1942 werden mehr als
13.000 Juden verhaftet und deportiert. Der kleine Joseph gibt die
Hoffnung nie auf, dem Schrecken zu entgehen – doch nur 25 der
Deportierten haben überlebt. Unter der Regie von Rose Bosch spielen
u. a. Jean Reno, Mélanie Laurent und Gad Elmaleh.

„Universum History: Die Nacht des Terrors“ und „Schindlers Liste“ (9.
November)

Mit den Novemberpogromen am 9./10. November 1938 begann die
systematische Vertreibung, Enteignung und Vernichtung der jüdischen
Bevölkerung in der Zeit des Nationalsozialismus. „Universum History“
rekonstruiert um 22.35 Uhr in der ZDF/ORF-Koproduktion von Peter
Hartl und Gordian Maugg „Die Nacht des Terrors“ aus der Sicht von
Augenzeugen auf Opfer- und Täterseite. Um 23.20 Uhr steht mit
„Schindlers Liste“ das vielfach Oscar-gekrönte Meisterwerk von Steven
Spielberg auf dem Programm von ORF 2: 1939 wird Krakau von den
Nationalsozialisten besetzt. Durch gute Beziehungen zum Militär kann
der deutsche Industrielle Oskar Schindler (Liam Neeson) jüdische
Arbeitskräfte in seiner Fabrik beschäftigen. Bald entdeckt der
Kriegsgewinnler aber sein Gewissen und nimmt sich der
schutzbedürftigen Menschen an. Mit Hilfe einer Liste seines
Buchhalters Itzhak Stern (Ben Kingsley) versucht er, sie vor ihrem
Schicksal im Konzentrationslager zu bewahren.

„Religionen der Welt – Versteckte Jahre“ und „Was ich glaube – Wie
ist das mit dem Erinnern?“

Anna Goldenberg, 29, ist Journalistin und Enkelin von Hans und Helga
Feldner-Bustin. Die Großeltern – beide jüdischer Herkunft – überleben
die Zeit des Nationalsozialismus in Österreich. Enkelin Anna
Goldenberg erzählt in ihrem Buch „Versteckte Jahre“ eine
Familienzeitgeschichte. Sie zeichnet ein Bild von der
unterschiedlichen Wahrnehmung angesichts des herannahenden Holocaust
und den Reaktionen auf die Geschehnisse innerhalb der jüdischen
Bevölkerung in Wien. In „Religionen der Welt – Versteckte Jahre“ (10.
November, 16.55 Uhr) erzählen Großmutter und Enkelin, warum es
wichtig ist, die Erinnerung wachzuhalten. Zum 80. Jahrestag der
Novemberpogrome geht die evangelische Pfarrerin Ines Knoll in „Was
ich glaube – Wie ist das mit dem Erinnern?“ (11. November, 16.55 Uhr)
der Frage nach, weshalb immer wieder um eine angemessene und
zeitgemäße Erinnerungskultur gerungen werden muss.

ORF-III-Themenabend am 8. November mit Zweiteiler „Arisierung“ und
neuer Doku über Oskar Schindlers Erbe

Den Auftakt macht die von Danielle Spera präsentierte
ORF-III-Produktion „Arisierung“, die mit den Dokumentationen „Der
große Raubzug“ (21.55 Uhr) von Sabrina Peer und Ernst Pohn sowie „Die
verlorenen Jahre“ (22.45 Uhr) von Kurt Mayer eine intensive
Aufarbeitung der Geschichte der systematischen Zwangsenteignung von
Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus bietet. Jüdisches
Vermögen, darunter Geschäfte, Wohnungen und andere Besitztümer, wurde
„arisiert“. Bereits unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs im
März 1938 fanden regelrechte Plünderungsaktionen durch die Nazis
statt. Der Zweiteiler schildert mit umfangreichem Archivmaterial
sowie Experten- und Zeitzeugeninterviews das Ausmaß des Massenraubs
und seine Folgen.
Anschließend zeigt ORF III die neue Dokumentation „Oskar Schindlers
schwieriges Erbe. Die Fabrik in Brünnlitz“ (23.35 Uhr). Die
Geschichte des Unternehmers Schindler, der die Rettung von rund 1.200
jüdischen Zwangsarbeiter/innen verantwortete, ist seit Steven
Spielbergs Drama „Schindlers Liste“ weltberühmt. Oskar Schindler
veranlasste 1944 die Verlegung dieser Menschen aus dem
Konzentrationslager Plaszow bei Krakau in seine Fabrik im
tschechisch-mährischen Brnĕnec/Brünnlitz und bewahrte die KZ-Insassen
damit vor dem sicheren Tod. Doch was passierte mit der so bekannt
gewordenen Fabrik, die nur zwei Stunden nördlich von Wien gelegen ist
und demnächst zur Gedenkstätte werden soll? Die Dokumentation von
Werner Müller begibt sich auf Spurensuche.

„80 Jahre Novemberpogrom“ in Ö1

Unter dem Titel „Ein dunkler Schatten ohne Namen“ geht „Logos –
Glauben und Zweifeln“ am Samstag, dem 3. November, ab 19.05 Uhr der
Frage nach, wie sich ererbte Traumen auf die zweite Generation
auswirken. Die Nachkommen der Schoah-Überlebenden haben als Kinder
ganz eigene Erfahrungen gemacht: Während alle anderen Großeltern
hatten, Onkel und Tanten, gab es für sie nur Mutter und Vater,
vielleicht Geschwister. Und auch die Eltern verhielten sich oft
eigenartig: Sie wirkten irgendwie abwesend oder hatten panische
Angst, es könnte ein Unglück geschehen. Manche sprachen immer nur von
früher – andere benahmen sich, als gäbe es genau das nicht, ein
Früher, eine Vergangenheit. Und so entdeckten viele erst als
Jugendliche, dass ihre Eltern den Horror der Schoah erlebt hatten.
Und dass diese Erfahrungen von Verfolgung, Sadismus und
allgegenwärtigem Sterben auch auf sie selbst, die zweite Generation,
ihre Auswirkungen hatten.

„Erinnerung als bleibende Aufgabe“ steht im Mittelpunkt von
„Lebenskunst“ am Sonntag, dem 4. November, um 7.05 Uhr. Allein in
Wien wurden bei den Novemberpogromen insgesamt 42 Synagogen und
Bethäuser zerstört. Darunter auch der sogenannte Leopoldstädter
Tempel, das zweite große Synagogenprojekt Wiens nach dem Bau des
Wiener Stadttempels in der Seitenstettengasse. An Ort und Stelle des
zerstörten Leopoldstädter Tempels befindet sich heute das
Psychosoziale Zentrum ESRA. Es bietet Menschen, die durch Verfolgung,
Folter, Migration und andere schwerwiegende Ereignisse traumatisiert
wurden, umfassende professionelle Hilfe an. Nach wie vor werden Opfer
der NS-Verfolgung und deren Nachkommen psychosozial betreut, das
mahnende Gedenken an die Pogrome ist ESRA ein wichtiges Anliegen.
Deshalb wurden bei ESRA verschiedenste Erinnerungen an die
Pogromnacht gesammelt, angefangen von Fotos bis hin zu Erzählungen
jüdischer Familien, die in einer großen Veranstaltung am 8. November
präsentiert und reflektiert werden.

Unter dem Titel „Was hat das mit mir zu tun?“ teilt die Direktorin
der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Barbara Glück, in ihren „Gedanken für
den Tag“ die Gedanken von jungen Menschen, die die Gedenkstätte
besuchten – von Montag, dem 5., bis Samstag, den 10. November,
jeweils um 6.56 Uhr in Ö1. Mit jedem Generationswechsel stelle sich
die Frage: Was wollen wir weitergeben? Barbara Glück: „Wie gelingt es
uns, junge Menschen mit der Geschichte dieses Orts zu erreichen? Sie
anzusprechen? Sie zu motivieren, sich ihre eigenen Gedanken zu
machen? Darüber nachzudenken: Was gedenke ich zu tun? Was ist für
mich bedenkenswert?“ Fragen, die sie und ihre Mitarbeiter/innen
jungen Menschen jeden Tag an der Gedenkstätte stellen. Die Antworten
der Jugendlichen, so Glück, seien besonders, manchmal provokant, oft
inspirierend und immer wert, gehört zu werden.
Alle Sendungen im Detail sind unter
https://oe1.ORF.at/80jahrenovemberpogrom abrufbar.

Im Rahmen der Ö1-Reihe „Hundert Häuser“ wird am Donnerstag, dem 8.
November, um 17.25 Uhr für das Jahr 1938 stehend die Geschichte der
Synagoge Tempelgasse erzählt.

Am Freitag, dem 9. November, liest Karl Menrad in den
„Radiogeschichten“ (11.05 Uhr) einen Ausschnitt aus Erich Hackls
Roman „Am Seil. Eine Heldengeschichte“. Der Kunsthandwerker und
Bergsteiger Reinhold Duschka rettete während der Nazizeit die Jüdin
Regina Steinig und ihre Tochter, Lucia Heilmann vor der Deportation.
Der wortkarge Mann versteckte sie vier Jahre lang im „Werkstättenhof“
zwischen Linker Wienzeile, Hornbostelgasse und Mollardgasse und
involvierte sie in die handwerkliche Produktion. Das gemeinsame
Arbeiten lenkte von der Angst ab. Reinhold Duschka, der 1993 mit 93
Jahren starb, erzählte nach dem Krieg niemandem von seinem
selbstlosen Einsatz, u. a. aus Angst vor antisemitischen Anfeindungen
und Boykott der Lokalbevölkerung. Erich Hackl entwirft ein
dokumentarisches Porträt des Retters und der Geretteten, gestützt auf
die Erinnerungen von Lucia Heilmann. Um 22.00 Uhr beginnt die Sendung
„Klagender Klang – Musik als Erinnerung“. Mehr als der „Anschluss“
ist der 9. November Anlass zu Klage und Komposition, sie findet
unmittelbaren Niederschlag in Gedichten und Musik. Bis in die
Gegenwart ist das Novemberpogrom ein Thema der Musik. Sebastian
Sprenger, Pavel Haas, Bert Breit, Benjamin Britten, Heinz Holliger
und Michael Tippett erinnern sich in ihren Kompositionen an die
Opfer, die in dieser Nacht gedemütigt wurden. Viele der in den
„exil.arte“-Konzerten Aufgeführten waren Zeitzeugen des 9. November:
Zu hören sind Ausschnitte aus den ORF RadioKulturhaus-Konzerten „Echo
des Unerhörten“ von „exil.arte“ mit Werken von Hugo Kauder, Hans
Winterberg, Jan Urban und Gustav Lewi.

Specials auf ORF.at, ORF-TVthek und im ORF TELETEXT

Das ORF.at-Netzwerk und der ORF TELETEXT werden den Novemberpogromen
im Rahmen ihrer aktuellen Berichterstattung breiten Raum widmen. Die
ORF-TVthek stellt ein aus Sendungen und Beiträgen des
TV-Programmschwerpunkts bestehendes Video-on-Demand-Themenpaket
zusammen, und erinnert im Rahmen des ORF-TVthek Videoarchivs „Das
Schicksalsjahr 1938“ an die Novemberpogrome. Das Archiv ist Teil der
Reihe „ORF-TVthek goes school“ und unter
https://tvthek.ORF.at/archive unbefristet abrufbar.

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