Nationalrat: Rekord bei Sitzungen und Gesetzesbeschlüssen

Corona-Krise hinterlässt in Tagungsbilanz 2020/21 deutliche Spuren

Wien (PK) – Der Nationalrat ist noch nie so oft zu Sitzungen zusammengetreten und hat noch nie so viele Gesetzesbeschlüsse gefasst wie im vergangenen Arbeitsjahr. Das zeigt die Bilanz der Tagung 2020/21, die am Montag zu Ende geht. Größte Herausforderung war die Corona-Krise, die sich nicht nur in der Zahl der Beschlüsse niederschlug. Auch die Arbeit der Ausschüsse, allen voran des Hauptausschusses, war stark von der Pandemie geprägt. Gleichzeitig haben die schriftlichen Anfragen erstmals die 4.000er-Marke übersprungen. Außergewöhnlich hohe Werte sind auch bei der Zahl der Sondersitzungen und bei den Misstrauensanträgen zu verzeichnen. Hier schlägt allerdings nicht alleine die Corona-Krise zu Buche, auch der Ibiza-Untersuchungsausschuss und der Terroranschlag in Wien haben ihre Spuren hinterlassen.

Insgesamt trat der Nationalrat in der Tagung 2020/21 zu 70 Sitzungen mit einer Gesamtdauer von rund 332 Stunden zusammen. Das sind um 20 bis 30 Sitzungen mehr als in normalen Arbeitsjahren, wobei darunter auch Zuweisungssitzungen fallen. Dabei wurden 231 Gesetze beschlossen sowie 15 Staatsverträge und eine Vereinbarung mit dem Land Oberösterreich genehmigt. Zudem stimmten die Abgeordneten dem EU-Eigenmittelbeschluss zur Sicherstellung der Finanzierung der EU und des EU-Wiederaufbaufonds zu und verhandelten über 52 Berichte der Regierung, des Rechnungshofs und der Volksanwaltschaft sowie über zahlreiche weitere Initiativen. Alles in allem wurden 383 Debatten -oft über mehrere Tagesordnungspunkte gemeinsam – geführt. 38,1% der Gesetzesbeschlüsse erfolgten einstimmig.

Dass die Tagung eine recht ungewöhnliche war, zeigt auch die hohe Zahl an Sondersitzungen. Gleich an 13 Tagen traten die Abgeordneten außerhalb des Arbeitsplans zusammen, wobei zwei dieser außertourlichen Sitzungen – eine nach dem Terroranschlag in Wien, eine zur Reparatur eines fehlerhaften Gesetzesbeschlusses – vorab einvernehmlich vereinbart worden waren. Drei gingen auf Verlangen der Regierungsparteien zur beschleunigten Beschlussfassung von Corona-Gesetzen zurück, die übrigen acht wurden von der Opposition in die Wege geleitet, wobei sich SPÖ, FPÖ und NEOS viermal zusammenschlossen.

Zu den Plenarsitzungen hinzu kommen 188 Ausschusssitzungen, 33 Unterausschusssitzungen und 43 Sitzungen des Ibiza-Untersuchungsausschusses, der nächste Woche noch zu einer weiteren Sitzung zusammenkommen wird. An der Spitze der Ausschüsse steht der Hauptausschuss, der allein 23 Mal zusammentrat, um über Covid-Verordnungen zu beraten, zweimal davon am Sonntag.

11 Dringliche Anfragen, 5 Dringliche Anträge, 12 Misstrauensanträge

Im Rahmen der 70 Plenarsitzungen hielten die Abgeordneten auch 9 Aktuelle Stunden, 4 Aktuelle Europastunden und 6 Fragestunden ab. Dazu kommen 11 Erklärungen einzelner Regierungsmitglieder, etwa zur Vorstellung der beiden neuen Minister Martin Kocher und Wolfgang Mückstein sowie zur EU-Zukunftskonferenz. 10 Gesetzesanträge, der Budgetentwurf 2021 und 7 Volksbegehren wurden einer Ersten Lesung unterzogen. In 103 Entschließungen erhielt die Regierung Arbeitsaufträge vom Nationalrat, auch das ist ein Rekord.

Auf Verlangen der Opposition diskutierte der Nationalrat über 11 Dringliche Anfragen sowie 5 Dringliche Anträge und hielt 12 Kurze Debatten zu Anfragebeantwortungen und Fristsetzungsanträgen ab. Dazu kommen 3 Kurze Debatten über die – von SPÖ und NEOS vergeblich beantragte – Verlängerung des Ibiza-Untersuchungsausschusses.

Ein deutliches Zeichen des Unmuts der Opposition über die Arbeit der Regierung ist auch die hohe Zahl an Misstrauensanträgen. Gleich 12 Mal wollte zumindest eine Oppositionspartei die Abberufung eines Regierungsmitglieds bzw. der gesamten Regierung erzwingen. Die meisten der Anträge wurden von der FPÖ eingebracht, dreimal schlossen sich SPÖ, FPÖ und NEOS zusammen, ein Antrag ist auf das Konto der SPÖ zu verbuchen. Adressat von je vier Misstrauensanträgen waren Finanzminister Gernot Blümel und Innenminister Karl Nehammer, die übrigen waren gegen die gesamte Regierung (2), Bundeskanzler Sebastian Kurz (1) und Verteidigungsministerin Claudia Tanner (1) gerichtet. Inhaltlich ging es unter anderem um die coronabedingte Einschränkung von Grundrechten, die Untersagung von Corona-Demonstrationen, die bekanntgewordenen Chat-Protokolle des ehemaligen ÖBAG-Chefs Thomas Schmid, die Abschiebung gut integrierter SchülerInnen, den Terroranschlag in Wien und die Bundesheerreform.

Die FPÖ startete zudem zwei Versuche, den später zurückgetretenen Gesundheitsminister Rudolf Anschober wegen schuldhafter Rechtsverletzungen beim Verfassungsgerichtshof anzuklagen. Zwei weitere angestrebte Ministeranklagen waren gegen Finanzminister Gernot Blümel sowie Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck gerichtet. Sie hätten sich, wäre es nach der Opposition bzw. der SPÖ gegangen, wegen verzögerter Aktenlieferungen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss bzw. wegen des “Flops” rund um das “Kaufhaus Österreich” vor dem VfGH verantworten müssen. Weder die Misstrauensanträge noch die Anträge auf Ministeranklage erhielten allerdings im Nationalrat eine Mehrheit.

184 Gesetzesanträge der Abgeordneten

Mehr als die Hälfte der Gesetzesbeschlüsse geht – wie schon in der vergangenen Tagung – auf Anträge von Abgeordneten bzw. Ausschussanträge zurück. Auch das ist eine Nebenwirkung der Corona-Krise. Um Beschlüsse zu beschleunigen, haben ÖVP und Grüne zuletzt außerdem gehäuft Gesetzesanträge ohne konkreten Inhalt eingebracht. Erst im Zuge der Ausschussberatungen, zum Teil überhaupt erst im Plenum, wurden diese Initiativen per Abänderungsantrag mit Leben erfüllt. Das führte immer wieder zu Protesten bei der Opposition, zumal davon nicht nur dringende Covid-Gesetze betroffen waren.

In Summe haben die fünf Fraktionen in dieser Tagung 184 Gesetzesanträge eingebracht. Davon gehen 119 auf das Konto der Koalition, dazu kommen 6 gemeinsame Anträge der beiden Koalitionsparteien mit zumindest einer weiteren Fraktion und 3 All-Parteien-Anträge. Die SPÖ kann 27 Anträge für sich verbuchen, die NEOS 16 und die FPÖ 10. 3 Anträge waren von den Oppositionsparteien gemeinsam eingebracht worden.

Zu den 184 Gesetzesanträgen kommen außerdem 309 selbständige Entschließungsanträge.

Erstmals mehr als 4.000 Schriftliche Anfragen

Einen Rekordwert hat die Zahl der schriftlichen Anfragen erreicht. Exakt 4.088 Anfragen haben die Abgeordneten bis gestern Abend an Regierungsmitglieder eingebracht. Dazu kommen 21 Anfragen an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, 3 Anfragen an Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker und 3 Anfragen an die jeweiligen Vorsitzenden des Finanz-, Kultur- und Umweltausschusses.

Mehr als die Hälfte der Anfragen geht auf das Konto der FPÖ (2.118), gefolgt von der SPÖ (993) und den NEOS (909). Von den Grünen wurden 42 Anfragen gestellt, von ÖVP-Abgeordneten 24, 2 waren fraktionsübergreifend.

An der Spitze der AnfragestellerInnen liegt auch heuer wieder FPÖ-Abgeordneter Michael Schnedlitz, wobei sich unter den 250 von ihm eingebrachten Anfragen auch Serienanfragen an alle Ministerien befinden. Dahinter rangieren NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker (208) sowie die FPÖ-Abgeordneten Dagmar Belakowitsch (201) und Hannes Amesbauer (200). Auch SPÖ-Abgeordneter Philip Kucher (170), die NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper (147) sowie die FPÖ-Abgeordneten Peter Wurm (145), Gerhard Kaniak (138) und Alois Kainz (137) sind im Spitzenfeld zu finden.

Was die Adressaten der Anfragen betrifft, hat das Sozial- und Gesundheitsministerium – wohl coronabedingt – das Innenministerium überholt und liegt nun mit 782 Anfragen deutlich voran. Hinter dem Innenressort (555) folgen das Justizministerium (358) und das Finanzministerium (312).

Die BürgerInnen wandten sich nicht nur mit 7 Volksbegehren, sondern auch mit 7 Bürgerinitiativen und 34 Petitionen an das Hohe Haus. Die Präsidialkonferenz trat insgesamt zu 21 Sitzungen zusammen.

Corona-Krise ließ Gesetzgebungsmotor auf Hochtouren laufen

Wie die zweite Hälfte der vorangegangenen Tagung war auch die Tagung 2020/21 stark von der Corona-Krise geprägt. Einer Grobzählung zufolge sind fast 40% der Gesetzesbeschlüsse auf die Pandemie und ihre Folgen zurückzuführen. So wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche Corona-Hilfen verlängert und aufgestockt bzw. neue Fördermaßnahmen beschlossen, wobei die Corona-Kurzarbeit, die Investitionsprämie und weitere Unternehmenshilfen die budgetär größten Brocken waren. Unter anderem haben die Abgeordneten in diesem Zusammenhang etwa die ursprünglich bis Ende 2020 befristete Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie, Hotellerie und Kulturbranche um ein Jahr verlängert und den Weg für weitreichende Haftungsübernahmen und Steuerstundungen geebnet.

Unterstützungsmaßnahmen gab es aber auch für selbständig Beschäftigte, KünstlerInnen, Arbeitslose, Familien, SozialhilfebezieherInnen, besonders gefährdete ArbeitnehmerInnen, freiwillige HelferInnen und weitere Zielgruppen wie Vereine und Non-Profit-Organisationen, wobei die Maßnahmen von der Einrichtung maßgeschneiderter Fördertöpfe über Kreditstundungen und Steuerbefreiungen bis hin zu arbeitsrechtlichen Sonderinstrumenten wie der Sonderbetreuungszeit und der Freistellungsregelung für schwangere Beschäftigte in Berufen mit Körperkontakt reichten. Ebenso wurden erhebliche Budgetmittel für die Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen und -Arzneimitteln sowie medizinischer Ausrüstung, die Umsetzung der von der Regierung beschlossenen breitflächigen Teststrategie sowie für die Unterstützung von Ländern und Gemeinden bereitgestellt.

Laufend überarbeitet wurden auch das Epidemiegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz, in denen unter anderem geregelt wird, unter welchen Umständen Ausgangsbeschränkungen und Betretungsverbote verhängt werden dürfen und welche Schritte im Infektionsfall bzw. bei Verdachtsfällen zu setzen sind. Sie räumen der Regierung – vorerst befristet bis Ende 2021 – relativ großen Spielraum bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ein. Infolge von massiven Protesten der Opposition und Teilen der Öffentlichkeit wurden allerdings nicht alle geplanten Vorhaben in der ursprünglich vorgesehenen Form verabschiedet. Außerdem haben die Abgeordneten seit Herbst vergangenen Jahres teilweise Mitspracherechte bei einschlägigen Verordnungen, und zwar in Form des Hauptausschusses. Ebenso hat der Nationalrat im Zuge einer ersten großen Novelle verfassungsrechtlich besonders heikle Bestimmungen entschärft und ausdrücklich gesetzlich verankert, dass Besuche im allerengsten Familienkreis auch im Falle eines Lockdowns grundsätzlich nicht unterbunden werden dürfen.

Weitere Änderungen standen in Zusammenhang mit der Einführung des “Grünen Passes” und der sogenannten 3-G-Regel als Türöffner und Eintrittsticket. Dadurch wurde es dem Gesundheitsminister ermöglicht, Personen, die gegen COVID-19 geimpft bzw. getestet oder genesen sind, eine Bevorzugung bei Zutritten bzw. der Nutzung bestimmter Angebote einzuräumen. Auch die Vorschreibung verpflichtender Corona-Tests für bestimmte Berufsgruppen ist per Verordnung möglich. Coronabedingte Sonderregelungen gelten nach wie vor auch für Behörden und die Justiz sowie für diverse Gremien.

Ein eigenes Gesetz soll gewährleisten, dass Corona-Hilfen grundsätzlich nur an Unternehmen gehen, die sich steuerlich “wohlverhalten”. Außerdem wurden durch ein neues COVID-19-Transparenzgesetz regelmäßige Information des Nationalrats über Corona-Hilfen sichergestellt.

Neuerlicher Lockdown sorgte für Diskussionen

Immer wieder diskutiert wurde im Parlament auch über den neuerlichen Lockdown, der ab dem 3. November das öffentliche Leben in Österreich massiv einschränkte, wobei die Maßnahmen Mitte November zunächst deutlich verschärft, zwischenzeitlich aber auch wieder gelockert wurden. So durfte der Handel zwischen 7. und 25. Dezember und ab 8. Februar wieder öffnen, auch die Ausgangsbeschränkungen waren während dieser Zeit weniger restriktiv. Regionale Sonderregelungen gab es ab 15. März für Vorarlberg und ab 1. April für Wien, Niederösterreich und das Burgenland, wobei Vorarlberg als Musterregion von Lockerungen profitierte, während für die Ostregion aufgrund der hohen Belastung der Intensivstationen vorübergehend ein vierter harter Lockdown galt. Größere Öffnungsschritte – unter Beachtung der 3-G-Regel und weiterer Sicherheitsmaßnahmen – erfolgten bundesweit erst ab 19. Mai, etwa was die Gastronomie, die Hotellerie und Veranstaltungen betrifft. Schon vier Tage davor waren die noch geltenden nächtlichen Ausgangsbeschränkungen ausgelaufen.

Besondere Aufregung gab es zwischenzeitlich um das von der Regierung angekündigte Vorhaben, den Lockdown für Personen mit negativem Corona-Test im Jänner vorzeitig zu beenden. Zu einem Ministerialentwurf des Gesundheitsministeriums, der am 31. Dezember für drei Tage in Begutachtung geschickt wurde, langten trotz der knapp bemessenen Frist und der Feiertage über die Parlamentswebsite mehr als 14.000 Stellungnahmen sowie tausende zusätzliche Mails ein, was zeitweise zu einer Überlastung der Server führte. Das Vorhaben wurde schließlich, auch wegen des geschlossenen Widerstands der Opposition, nicht umgesetzt. Vielmehr musste der harte Lockdown aufgrund der weiterhin hohen Infektionszahlen und der erhöhten Risikolage aufgrund einer neuen Virusmutation sogar bis 7. Februar verlängert werden.

Auf breites Interesse in der Öffentlichkeit stieß auch eine im März in Begutachtung geschickte Novelle zum COVID-19-Maßnahmengesetz und zum Epidemiegesetz: Hierzu langten sogar mehr als 35.000 Stellungnahmen ein, wobei es unter anderem um etwaige Zutrittstests für den Handel ging.

Opposition drängt weiter auf parlamentarischen Kontrollausschuss für Corona-Hilfen

Bisher ohne Erfolg blieb das Bemühen der Opposition, einen parlamentarischen Unterausschuss zur Kontrolle der Corona-Hilfen einzusetzen. Auch 10 Fristsetzungsanträge – darunter sieben in der laufenden Tagung – änderten daran nichts.

Auch allgemein wurde im Nationalrat viel über die Corona-Pandemie diskutiert. Dabei ging es nicht nur um die Verhältnismäßigkeit von Ausgangssperren und Betretungsverboten, sondern beispielsweise auch um die Untersagung von Demonstrationen durch das Innenministerium sowie um die schrittweise Ausweitung der Maskenpflicht. Auch im Parlamentsgebäude wurde zum Schutz vor Infektionen eine allgemeine FFP2-Maskenpflicht angeordnet. Dass sich nicht alle Abgeordneten daran hielten, löste viel Unmut aus, führte letztlich aber zu keinen Konsequenzen, da sich die Fraktionen nicht auf gesetzliche Grundlagen für Geldbußen verständigen konnten.

Um in der Corona-Pandemie einen reibungslosen Parlamentsbetrieb zu gewährleisten, wurden auch zahlreiche weitere Maßnahmen gesetzt. So hat die Parlamentsdirektion etwa Glas- bzw. Plexiglaswände zwischen den Sitzplätzen der Abgeordneten im Plenarsaal und in den Ausschusslokalen anbringen lassen und ein breites Testangebot zur Verfügung gestellt. Auch war es den MandatarInnen möglich, Plenarsitzungen von der Galerie bzw. vom Dachfoyer aus zu verfolgen.

Gesetzespakete gegen Hass im Netz und zur Förderung von Ökostrom

Die Corona-Krise war allerdings nicht das einzige Thema, mit dem sich der Nationalrat in der abgelaufenen Tagung befasste. So haben die Abgeordneten auch abseits der Krise zahlreiche Gesetze verabschiedet. Dazu gehören unter anderem Gesetzespakete gegen Hass im Netz und zum deutlichen Ausbau der Ökostrom-Förderung sowie eine umfassende Reform des Insolvenz- und Exekutionsrechts. Zudem wurde zuletzt der Weg für ein Anti-Terror-Paket und für eine Reform des Bundesamts für Terrorismusbekämpfung und Verfassungsschutz (BVT) geebnet. Auch eine Kartellrechts-Novelle und strengere Strafen für RaserInnen haben diese Woche den Nationalrat passiert.

Weitere Beschlüsse in der zu Ende gehenden Tagungsperiode betrafen die Erhöhung der NoVA für verbrauchsstarke Fahrzeuge, mehr Preisgestaltungsspielraum für Taxis und Mietwägen, ein Teilverbot des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat, die Abschaffung des Kumulationsprinzips bei Verwaltungsstrafen gegen Lohn- und Sozialdumping, die Stärkung von Konsumentenrechten im Bereich des Gewährleistungsrechts und bei der vorzeitigen Rückzahlung von Krediten, die Finanzierung von Pilotprojekten zur Etablierung sogenannter “Community Nurses”, die Sicherstellung von Netzreserven für eine gesicherte Stromversorgung, die Einführung eines ermäßigten Steuersatzes von 10% für bestimmte Reparaturdienstleistungen und für Damenhygieneprodukte, neue Anti-Doping-Bestimmungen im Sportbereich sowie ein neues Medizinproduktegesetz und ein neues Tierärztegesetz. Zudem haben die Abgeordneten die gesetzliche Grundlage für das sogenannte “Klimaticket” zur unbeschränkten Nutzung des öffentlichen Verkehrs in Österreich geschaffen und für eine Erhöhung der Fördermittel für Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudesektor und die Einrichtung eines Bundesamts für Verbrauchergesundheit gestimmt.

Neuerlich abgeschafft wurde die abschlagsfreie Frühpension bei 45 Arbeitsjahren. An ihre Stelle tritt ab kommendem Jahr ein Pensionsbonus für Menschen, die früh ins Berufsleben eingestiegen sind. Ein neues Landarbeitsgesetz hat die bundesweite Harmonisierung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen für Land- und ForstarbeiterInnen zum Inhalt. Für den Bahnausbau haben die Abgeordneten wieder budgetäre Vorbelastungen in Milliardenhöhe genehmigt, auch die Kompensationszahlungen an die Länder in Folge der Abschaffung des Pflegeregresses wurden fortgeschrieben. Für Parlamentarismus und Demokratie von Bedeutung ist die Ausweitung der Stellungnahmemöglichkeit zu Gesetzentwürfen für BürgerInnen und ExpertInnen ab August dieses Jahres.

Im Bildungsbereich wurde unter anderem beschlossen, die Neue Oberstufe zur “semestrierten Oberstufe” weiterzuentwickeln, einen Ethik-Unterricht als alternatives Pflichtfach zu Religion an Oberstufen einzuführen und die Jahresbeurteilung dauerhaft in die Maturanote einzubeziehen. Zudem werden SchülerInnen ab der 5. Schulstufe demnächst einheitlich mit digitalen Endgeräten ausgestattet. Studierende an Universitäten müssen künftig in den ersten beiden Studienjahren eine Mindeststudienleistung erbringen, die Zugangsbeschränkungen zu stark nachgefragten Studien bleiben in Kraft. Auch eine Verschärfung der Plagiatsregeln an Hochschulen, die Reglementierung von Weiterbildungsangeboten im akademischen Bereich und die Erleichterung des Quereinstiegs in pädagogische Berufe haben die Abgeordneten auf Schiene gesetzt. Jüdische Gemeinden und andere Religionsgemeinschaften erhalten höhere staatliche Zuwendungen.

Drei Gesetzesbeschlüsse im zweiten Anlauf

Erst im zweiten Anlauf beschlossen wurde ein Gesetzespaket zur Verhinderung von Geldwäsche und von Steuerbetrug, das unter anderem auch die Aufnahme von Schließfächern in das Kontenregister zum Inhalt hatte. Die ursprüngliche Regierungsvorlage war an der notwendigen Zweidrittelmehrheit gescheitert. Auch für das 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2020 und das neue Bundesfinanzrahmengesetz brauchte es – diesfalls aufgrund von Formalfehlern – jeweils zwei Versuche. In einem Fall war eine Verfassungsbestimmung nicht als solche gekennzeichnet gewesen, im anderen Fall trug ein angenommener Abänderungsantrag nur vier statt fünf Unterschriften. Beide Pannen wurden jedoch rasch behoben, wobei der Bundesrat im Falle des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes mit einem einhelligen Einspruch Schützenhilfe leistete.

Bundesrat legte mehrere Gesetzesvorhaben vorübergehend auf Eis

Abseits dieses Vetos gegen das 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz hat der Bundesrat in dieser Tagung keine Einsprüche gefasst, wobei die jüngsten Nationalratsbeschlüsse erst kommende Woche zur Diskussion stehen. SPÖ, FPÖ und NEOS nutzten ihre knappe Mehrheit in der Länderkammer jedoch dazu, um die Kundmachung von insgesamt acht Nationalratsbeschlüssen um mehrere Wochen zu verzögern. Neben der umstrittenen Novelle zum Epidemiegesetz und zum COVID-19-Maßnahmengesetz, die im März beschlossen worden war, waren davon beispielsweise auch das neue Tierärztegesetz, die Verlängerung der arbeitszeitrechtlichen Sonderregelungen für SpitalsärztInnen und die Universitätsgesetz-Novelle betroffen.

Umgekehrt hat der Bundesrat aber auch in mehreren Fällen zur Beschleunigung des Gesetzgebungsprozesses beigetragen. So wurden mehrere Sondersitzungen einberufen und außerdem zwei reguläre Sitzungen – unter anderem in die Karwoche – vorverlegt.

Rochaden auf der Regierungsbank und in den Abgeordnetenreihen

Mit einer Novelle zum Bundesministeriengesetz wurden die Kompetenzen für Familie und Jugend vom Arbeitsministerium ins Bundeskanzleramt zu Frauen- und Integrationsministerin Susanne Raab verschoben. Anlass dafür war die Übernahme des Ressorts durch den früheren IHS-Chef Martin Kocher, nachdem Christine Aschbacher aufgrund von Plagiatsvorwürfen in Zusammenhang mit ihrer Diplomarbeit als Arbeits-und Familienministerin im Jänner zurückgetreten war. Auch einen zweiten Wechsel gab es auf der Regierungsbank: Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler stellten den Abgeordneten im April Wolfgang Mückstein als Nachfolger von Sozial-und Gesundheitsminister Rudolf Anschober vor, der gesundheitsbedingt aus dem Regierungsteam ausgeschieden ist.

Einige prominente Abgänge gab es auch in den Abgeordnetenreihen. So legten etwa die ehemalige Bildungsministerin Sonja Hammerschmid und der ehemalige Kulturminister Thomas Drozda (beide SPÖ) ihr Mandat zurück. Auch NEOS-Wirtschaftssprecher Josef Schellhorn und der neue ÖSV-Präsident Karl Schmidhofer (ÖVP) haben ihr Ausscheiden aus dem Hohen Haus angekündigt.

Budget mit Rekorddefizit

Abgesehen von der Beschlusspanne rund um das Bundesfinanzrahmengesetz verliefen die Beratungen über das Budget 2021 weitgehend in gewohnten Bahnen. So konnte Finanzminister Gernot Blümel seine erste Budgetrede halten, nachdem die Premiere im Frühjahr zur Vorstellung des Budgets 2020 der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen war. Ein – der Corona-Pandemie geschuldeter – Rekordwert ist allerdings beim Budgetdefizit zu erwarten: Laut aktuellem Bundesfinanzgesetz dürfte es heuer, nach zweimaliger Korrektur nach oben, bei 30,73 Mrd. € liegen, wobei Einnahmen von 72,52 Mrd. € Ausgaben von 103,25 Mrd. € gegenüberstehen. Begleitend zum Budget wurde ein Budgetbegleitgesetz mit 33 Gesetzesnovellen und fünf neuen Gesetzen beschlossen.

Nachwirkungen des Terroranschlags in Wien

Für allgemeine Betroffenheit sorgte der Terroranschlag in der Wiener Innenstadt am 2. November mit vier Toten und mehr als 20 Verletzten. Am Tag nach dem Anschlag gaben die Mitglieder der Präsidialkonferenz eine gemeinsame Stellungnahme ab, in der sie Terror und Gewalt eine klare Absage erteilten und den Angehörigen der Opfer ihr Beileid ausdrückten. Zudem trat der Nationalrat zu einer Sondersitzung zusammen, bei der sich neben Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler auch Innenminister Karl Nehammer und Justizministerin Alma Zadić zu Wort meldeten und die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission zur Untersuchung etwaigen Behördenversagens ankündigten. Auch das Anti-Terror-Paket hatte seinen Ursprung im Terroranschlag, der von einem jungen IS-Sympathisanten verübt wurde.

Ibiza-Untersuchungsausschuss sorgte für viel Gesprächsstoff

Ebenfalls für viel Gesprächsstoff sowohl im Hohen Haus als auch in der Öffentlichkeit sorgte der Ibiza-Untersuchungsausschuss, der der Frage nachgeht, ob es unter der türkis-blauen Regierung zu Korruption, Untreue und Amtsmissbrauch gekommen ist. So standen etwa drei Sondersitzungen des Nationalrats in unmittelbarem Zusammenhang mit den laufenden Untersuchungen, wobei es konkret um die bei Finanzminister Gernot Blümel durchgeführte Hausdurchsuchung, verzögerte Aktenlieferungen des Finanzministers an den U-Ausschuss und die bekanntgewordenen Chatprotokolle des ehemaligen ÖBAG-Chefs Thomas Schmid ging. Auch das Nichterscheinen von Auskunftspersonen, Erinnerungslücken, die Wahrnehmung von Entschlagungsrechten sowie mögliche Befangenheiten und Falschaussagen führten zu zum Teil emotionalen Diskussionen.

Eingesetzt worden war der U-Ausschuss im Jänner 2020 auf Verlangen von SPÖ und NEOS. Zuletzt wurde er auf Wunsch der beiden Fraktionen um drei Monate verlängert. Eine weitere Verlängerung hätte eines Beschlusses des Nationalrats bedurft, dafür gabe es – trotz dreimaliger Anläufe der Opposition – aufgrund der Ablehnung der Koalitionsparteien aber keine Mehrheit. Damit muss die Beweisaufnahme Mitte Juli beendet werden und der Abschlussbericht bis Mitte September vorliegen.

Anlass für den Untersuchungsausschuss war das sogenannte Ibiza-Video mit Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus im Mittelpunkt. Dieses hat der U-Ausschuss – nach Einschaltung des VfGH – am 18. Dezember in voller Länge bekommen. Über mehr Daten und Fakten zum U-Ausschuss wird die Parlamentskorrespondenz nächste Woche in einer eigenen Bilanz berichten.

Mitwirkung in EU-Angelegenheiten, Asylpolitik, Außenpolitik

Immer wieder Gegenstand von Diskussionen war auch die Aufnahme von Kindern aus dem abgebrannten griechischen Flüchtlingslager Moria in Österreich, wobei die Meinungen dazu nicht nur innerhalb der Opposition, sondern auch zwischen den Koalitionsparteien divergierten. Auch die erfolgte Abschiebung gut integrierter SchülerInnen mit ihren erziehungsberechtigten Elternteilen nach Georgien und Armenien sorgte für Irritationen innerhalb der Koalition. Außenpolitisch waren unter anderem die Demonstrationen in Weißrussland, die Entwicklungen in Bergkarabach und Myanmar, die Verurteilung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny und die Situation der UigurInnen in China im Nationalrat Thema.

Wichtigster Beschluss in Zusammenhang mit der EU-Politik war wohl der sogenannte EU-Eigenmittelbeschluss. Die Abgeordneten gaben damit nicht nur grünes Licht für die Neuberechnung der österreichischen EU-Beiträge, sondern auch für den 750 Mrd. € umfassenden EU-Wiederaufbaufonds zur Überwindung der Corona-Krise. Auch die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus zur besseren Wappnung der Eurozone gegen Finanzkrisen und ein begleitendes Gesetzespaket zur Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft wurden vom Nationalrat gebilligt. Zuletzt wiederholt Thema war die EU-Zukunftskonferenz.

Der EU-Hauptausschuss und der EU-Unterausschuss kamen in der vergangenen Tagung zu insgesamt 12 Sitzungen zusammen, um ihre Mitwirkungsrechte in EU-Angelegenheiten wahrzunehmen. Dabei wurde der Regierung in fünf Fällen ein bindender Verhandlungsauftrag mitgegeben. Inhaltlich ging es hierbei vor allem um die europäische Klimapolitik und den “Green Deal” sowie um EU-weit einheitliche Regeln für Reisebeschränkungen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Auch dem Wunsch nach einer stärker auf Ökologie und Nachhaltigkeit ausgerichteten Industriepolitik wurde von den Abgeordneten mit einer Stellungnahme Nachdruck verliehen.

Zwei an die EU-Kommission adressierten Mitteilungen betrafen das Thema Mindestlohn bzw. die laufenden Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen Polen und Ungarn, wobei die Abgeordneten, was letztere betrifft, auf rasche Ergebnisse drängen. Beschlossen wurde zudem eine unverbindliche Stellungnahme, in der der EU-Unterausschuss auf die Bedeutung einer möglichst breiten Bürgerbeteiligung bei der EU-Zukunftskonferenz hinweist.

Sieben Volksbegehren

Gleich sieben Volksbegehren langten in dieser Tagungsperiode im Nationalrat ein, wobei das Tierschutzvolksbegehren und das Klimavolksbegehren die erfolgreichsten waren. Anliegen der weiteren Initiativen waren der Austritt Österreichs aus dem EURATOM-Vertrag, eine EU-weit faire Verteilung von Asyllasten, die Beibehaltung des absoluten Rauchverbots in der Gastronomie und die Einführung eines Ethikunterrichts in allen Schulstufen, unabhängig vom Religionsunterricht. Das Volksbegehren “für Impffreiheit” macht gegen verpflichtende Impfungen mobil. Ergebnis der Beratungen über das Klimavolksbegehren war eine umfangreiche Entschließung mit mehr als 50 Einzelpunkten, die Beratungen über das Tierschutzvolksbegehren sind noch im Laufen.

Auswirkungen hatte die COVID-19-Pandemie auch auf die Tätigkeit des Parlaments abseits von Gesetzgebung und Kontrolle (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 878/2021). (Schluss) gs

———————————————————————

Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at
http://www.parlament.gv.at
www.facebook.com/OeParl
www.twitter.com/oeparl

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender