„kulturMontag“: Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ an der Burg, Klimts Meisterwerk als NFT und das Comeback der Berlinale

Am 14. Februar um 22.30 Uhr in ORF 2, danach: „In memoriam Gerhard Roth: Schreiben ist Leben – Gerhard Roth“

Wien (OTS) – Der von Peter Schneeberger präsentierte „kulturMontag“ berichtet am 14. Februar 2022 um 22.30 Uhr in ORF 2 u. a. über Klimts Meisterwerk „Der Kuss“ als NFT im Wiener Belvedere und das Comeback der Berlinale. Anlässlich Martin Kušejs Inszenierung des Sartre-Klassikers „Geschlossene Gesellschaft“ an der Burg ist Tobias Moretti live zu Gast im Studio. In memoriam Gerhard Roth steht danach die Dokumentation „Schreiben ist Leben – Gerhard Roth“ (23.30 Uhr) auf dem Programm.

Ein Kuss zum Valentinstag: Klimts Meisterwerk als NFT

Am internationalen Tag der Liebenden, dem 14. Februar, schießt das Wiener Belvedere einen der wohl originellsten Pfeile aus, den Gott Amor im Köcher hat. Mitten ins Herz will man Kunstfreunde mit digitalen Originalen treffen und das mit einem der bekanntesten Kunstwerke der Welt, dem Herzstück der Sammlung. Gustav Klimts berühmter „Kuss“ aus dem Jahr 1907 mutiert zu einem NFT-Projekt. Eine hochaufgelöste digitale Kopie wird in einem 100 x 100-Raster aufgeteilt. So entstehen 10.000 unverwechselbare Einzelteile, die als „Non-Fungible Token“, kurz NFTs, zum Verkauf angeboten werden. Der virtuelle Kuss, zumindest ein winziges Teilchen in der Größe von 1 cm x 1 cm, kann um 1.850 Euro erstanden werden. Sollte die Idee fruchten, könnten die NFTs 18,5 Millionen Euro einbringen. Der Hype um digitale Echtheitszertifikate zieht seine Kreise, nachdem vor rund einem Jahr die digitale Collage des Grafikdesigners „Beeple“ um 70 Millionen Dollar bei Christie’s in London versteigert wurde. In Österreich ist das Belvedere das erste Bundesmuseum, das ein Kunstwerk als NFT mintet, also erstellt. Für Museums-Chefin Stella Rollig ist die Aktion nicht nur ein kurioser Marketing-Gag am Valentinstag, sondern eine vielleicht zukunftsträchtige Einnahmequelle. Der Erlös wäre nicht zweckgebunden, würde aber in einer pandemiebedingt angespannten finanziellen Situation mehr als hilfreich sein. Denn von einer Normalität ist der Museumsbetrieb bei einem Besucherrückgang von 80 Prozent weit entfernt. Ist die angesagte Technologie für digitale Zertifikate somit ein Retter in der Not? Oder dienen die Mega-Deals mit digitalen Kunstwerken vor allem als Propaganda für das Zocken mit Kryptowährungen, wie es Metropolitan-Chef Max Hollein einschätzt? Was bedeutet der Besitz eines Kunstwerks im digitalen Zeitalter?

Die Hölle, das sind die Anderen: Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ an der Burg

Isolation, Ängste, Paranoia, Wut, Verzweiflung – weltweit haben Menschen ihre Erfahrungen gesammelt, was es heißt, mit wenigen anderen eingeschlossen zu sein. Eine Gesellschaft in Quarantäne ist buchstäblich eine „geschlossene Gesellschaft“, in der die Menschen mit wenigen Ausnahmen ihr Leben zum Stillstand bringen. Seit Beginn der Pandemie verbringen die meisten Menschen einen Großteil ihrer Zeit in den eigenen vier Wänden. Während die einen unter Einsamkeit leiden, kann für andere gerade die dauernde Gesellschaft ihrer Mitbewohnerinnen und Mitbewohner zur Last werden. Lange vor Corona hat der französische Existenzialist Jean-Paul Sartre die menschliche Daseins-Hölle in seinem Stück „Geschlossene Gesellschaft“ beschrieben. Die existenzielle Freiheit zeigt sich laut Sartre besonders deutlich in Ausnahmesituationen. Sein Credo: „Du bist nicht nur frei, du bist Freiheit. Du kannst nicht nur, du musst wählen:
nicht nur was du tust, sondern wer du bist und was du wirst.“ Auch die Coronakrise hätte Sartre nicht als Einschränkung unserer Freiheit verstanden, denn sie sei ebenfalls eine „Grenzsituation“, erklärt Sartre-Kenner Vincent von Wroblewsky. Wir seien dieser Tage in besonderem Maße herausgefordert, Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen. Die Ungleichheit der Menschen sei auch für Sartre im Laufe seines Werkes immer wichtiger geworden, so Wroblewsky. Das habe ihn in seinen späteren Arbeiten zur These gebracht: „Die Freiheit des Einzelnen setzt die Freiheit aller voraus.“ Burg-Chef Martin Kušej bringt den Klassiker aus dem Jahr 1944 mit Dörte Lyssewski, Regina Fritsch und Tobias Moretti auf die Bühne. Über Eigenverantwortlichkeit, Selbstbestimmung und darüber, ob der Mensch zur Freiheit verurteilt ist, wie Sartre sagt, diskutiert Peter Schneeberger mit Tobias Moretti live im Studio.

Jagd nach dem Goldenen Bären: Das Comeback der Berlinale

Im vergangenen Jahr noch musste die Berlinale als Präsenzfestival im Februar ausfallen. Mitten in der Omikron-Welle soll sie heuer zwar verkürzt, aber dennoch stattfinden. Für internationales Flair sorgt gleich der Eröffnungsfilm. Der französische Regisseur François Ozon liefert mit „Peter von Kant“ eine freie Interpretation von Rainer Werner Fassbinders Meisterwerk „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“. In seinem neuen Film spielen u. a. Denis Menochet, Isabelle Adjani und Hanna Schygulla. Isabelle Huppert wird mit dem Goldenen Ehrenbären ausgezeichnet und als Jurypräsident fungiert der US-amerikanische Regisseur M. Night Shyamalan, dem sein internationaler Durchbruch 1999 mit dem Psychothriller „The Sixth Sense“ gelang. Auch die österreichischen Filmschaffenden geben auf dem Festival ein starkes Lebenszeichen von sich. Mit drei im Rahmen des Film/Fernseh-Abkommens kofinanzierten Filmen ist der ORF bei der diesjährigen Berlinale vertreten: Allen voran Ulrich Seidl, der mit „Rimini“, einem Drama rund um einen abgehalfterten Schlagerstar, im Wettbewerb um einen Bären rittert. In der Sektion „Encounters“ mit dabei ist auch „Sonne“, Kurdwin Ayubs Spielfilm über Jugendliche zwischen Social Media, Selbstfindung und Rebellion, der von Ulrich Seidl produziert wurde. Vertreten ist der ORF außerdem im „Forum“ mit „Für die Vielen – Die Arbeiterkammer Wien“: Im Direct-Cinema-Stil porträtiert Constantin Wulffs Dokumentarfilm während der Vorbereitungen für das 100-Jahr-Jubiläum eine österreichische Institution zwischen reicher Vergangenheit und herausfordernder Zukunft als einzigartige Anlaufstelle für Menschen, die um ihre Rechte kämpfen. Mit an Bord der diesjährigen Berlinale ist auch Ruth Beckermann, deren Dokumentarfilm „Mutzenbacher“ – einer Erkundung der Prostitution von damals und heute – in der Sektion „Encounters“ läuft. Über die Chancen der österreichischen Beiträge, die besten Filme und die Atmosphäre am Festival berichtet Christian Konrad in einer Live-Schaltung aus Berlin.

In memoriam Gerhard Roth: „Schreiben ist Leben – Gerhard Roth“ (23.30 Uhr, ORF 2)

Gerhard Roth, nach eigenen Angaben „schreibsüchtig“ und „besessen“ von der Literatur, war einer der produktivsten deutschsprachigen Autoren und zudem ein stets wachsamer Kritiker gesellschaftspolitischer Zustände und Entwicklungen. Am Dienstag ist der gebürtige Grazer nur wenige Monate vor seinem 80. Geburtstag in seiner Heimatstadt gestorben. Schwerpunkt seines Tausende Seiten umfassenden Werks bilden die beiden Zyklen „Archive des Schweigens“ und „Orkus“, an denen Roth mehr als 30 Jahre gearbeitet hatte:
Literarische Tiefenbohrungen in die verdrängte jüngere Vergangenheit Österreichs. In Venedig und in der Südsteiermark, wo sich Gerhard Roth am liebsten aufhielt, schrieb der Autor bis zuletzt an einer Venedig-Trilogie. Das Verbrechen und die brutale, rücksichtslose Natur des Menschen im Kontrast zu seiner Schönheit bilden den Kern dieser Romane. Nach der von Katja Gasser und Sophie Weilandt gestalteten Dokumentation folgt der TV-Krimi „Ein Hund kam in die Küche“ (0.00 Uhr), den Xaver Schwarzenberger nach einem Drehbuch von Gerhard Roth inszenierte.

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