
Nationalrat: Umsetzung des elektronischen Eltern-Kind-Passes auf 1. Oktober 2026 verschoben
FPÖ hält Kritik aufrecht und pocht weiterhin auf das Recht auf Wahlfreiheit
Die ursprünglich für Anfang 2026 geplante Ablöse des „gelben Papierheftes“ durch den elektronischen Eltern-Kind-Pass verzögert sich und wird auf den 1. Oktober 2026 verschoben. Grund dafür sei die „Komplexität des Projekts“, heißt es in den Erläuterungen des Gesetzesentwurfs der Regierungsfraktionen, der heute im Nationalrat mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen angenommen wurde. Wie schon im Ausschuss brachten die Freiheitlichen eine Reihe von Kritikpunkten vor und plädierten vor allem für ein Recht auf Wahlfreiheit.
Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig sprach von der Weiterentwicklung eines Erfolgsmodells, das durch die Etablierung von digitalen Schnittstellen beispielsweise die Vernetzung mit weiterführenden Unterstützungsangeboten wie etwa den „Frühen Hilfen“ erleichtern werde. Sie versicherte, dass bei der technischen Umsetzung des elektronischen Eltern-Kind-Passes die höchsten Datenschutzstandards beachtet werden und dass der Schutz der Privatsphäre gewährleistet sei.
TECHNISCHE UMSETZUNG UND AKTUALISIERUNG DES UNTERSUCHUNGSPROGRAMMS
Grundsätzlich soll der Eltern-Kind-Pass (EKP), der bis Ende 2023 als Mutter-Kind-Pass bezeichnet wurde, die Früherkennung von gesundheitlichen und psychosozialen Risikofaktoren von Müttern und deren Kindern ermöglichen. Die nun von der Regierung vorgelegte Novelle sieht vor, dass ab dem 1. Oktober 2026 alle neu festgestellten Schwangerschaften ausschließlich in elektronischer Form dokumentiert werden. Außerdem sollen erstmals ab 1. März 2027 die Daten zu den Kindern, die ab diesem Tag geboren werden, elektronisch gespeichert werden.
Das seit 2014 unveränderte Untersuchungsprogramm, das laut Regierungsvorlage jährlich rund 425.000 Kinder sowie 82.000 Schwangere und Neugeborene erfasst, soll weiterentwickelt und unter anderem durch eine zusätzliche Hebammenberatung vor der Geburt ergänzt werden, durch einen zusätzlichen Ultraschall gegen Ende der Schwangerschaft, weitere Laborleistungen sowie durch ein Gesundheitsgespräch, wie der Vorlage zu entnehmen ist. Bei Letzterem soll der Schwerpunkt auf der Erhebung von psychosozialen und sozioökonomischen Belastungen liegen. Der genaue Umfang, die Art und der Zeitpunkt der Untersuchungen und Gespräche sollen aber erst mittels Verordnung festgelegt werden.
FPÖ ORTET EINE REIHE VON VERSCHLECHTERUNGEN UND POCHT AUF RECHT AUF WAHLFREIHEIT
Ebenso wie im Gesundheitsausschuss konnte die freiheitliche Fraktion dem Vorhaben wenig abgewinnen. Schon die Umbenennung des Mutter-Kind-Passes „aus schrägen und ideologischen Gründen“ sei aus Sicht von Peter Wurm (FPÖ) abzulehnen. Wenn in Hinkunft nur mehr die digitale Variante zur Verfügung stehen werde, dann werde das – auch früher von der SPÖ geforderte – Recht auf analoges Leben „mit den Füßen getreten“. Außerdem seien von vielen Seiten datenschutzrechtliche Bedenken geäußert worden. Wie Dagmar Belakowitsch (FPÖ) beklagte er, dass bei der Geburt eines Babys nicht nur männlich oder weiblich, sondern auch inter, divers, offen oder keine Angabe angekreuzt werden können. In der Biologie gebe es aber nur zwei Geschlechtschromosomen, unterstrich auch Ricarda Berger (FPÖ). Vernunft und Realitätssinn müssten endlich wieder Platz in der Politik finden.
Christoph Steiner (FPÖ) betonte noch einmal, dass es den Freiheitlichen vor allem um die Wahlfreiheit gehe. Viele Eltern und vor allem Mütter hätten eine emotionale Bindung zum gelben Mutter-Kind-Pass. Erbost zeigte er sich auch darüber, dass schon bei der Geburt andere Zuschreibungen als männlich oder weiblich möglich sein werden. Dies sei aus wissenschaftlicher Sicht in der Regel gar nicht möglich. Für Irene Eisenhut (FPÖ) stand vor allem die Frage im Mittelpunkt, ob man seine persönlichen Gesundheitsdaten digitalisieren wolle oder nicht. Dies sei ein Grundrecht, das man schützen müsse.
SPÖ: ELTERN-KIND-PASS WIRD IN DAS 21. JAHRHUNDERT GEHOLT
Österreich habe bis 1974 noch eine der höchsten Säuglingssterblichkeitsraten aufgewiesen, zeigte Rudolf Silvan (SPÖ) auf, nach der Einführung des Mutter-Kind-Passes sei diese deutlich gesunken. Durch die Umbenennung in Eltern-Kind-Pass soll zudem zum Ausdruck kommen, dass auch Väter Verantwortung übernehmen müssen. Für ihn habe die digitale Variante eine Reihe von Vorteilen, die unter anderem die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Gesundheitsdiensteanbietern erleichtere, die Zuweisung zu diversen Unterstützungsangeboten ermögliche und Erinnerungsfunktionen umfasse. Während in der analogen Welt Missbrauch oft schwer aufzudecken sei, sei im digitalen Bereich gesichert, dass jeder seine Fingerabdrücke hinterlasse. Zudem sei das „gelbe Papierheft“ fehleranfällig gewesen und konnte leicht verloren worden.
Verena Nussbaum (SPÖ) schloss an die Ausführungen ihres Fraktionskollegen an und hob hervor, dass mit dem digitalen EKP ein zeitgemäßes und sicheres Instrument geschaffen werde. Dies umfasse unter anderem die zentrale und sichere Speicherung von Daten, die in Hinkunft auch per ELGA einsehbar sein werden. Dadurch könnten Familien frühzeitig auf Unterstützungsangebote hingewiesen werden. Erweitert werde auch das Untersuchungsprogramm, wodurch die Vorsorge für alle Familien gestärkt werde. Nussbaum stellte mit Nachdruck fest, dass die anonyme Geburt weiterhin als Möglichkeit erhalten bleibe und dass keine Schwangerschaftsabbrüche dokumentiert würden. Was die Eintragung von Geschlechtern angehe, so könne man nur männlich, weiblich oder offen angeben, hielt Nussbaum den freiheitlichen Abgeordneten entgegen.
Bernhard Herzog (SPÖ) bekannte sich zum „Recht auf analoges Leben“, da niemand um Leistungen umfallen dürfe. Beim digitalen Eltern-Kind-Pass, der eine deutliche organisatorische Verbesserung für die Familien bringe, werde aber niemand ausgeschlossen, bekräftigte er.
ÖVP: ZEITGEMÄSSE LÖSUNG FÜR EIN SEIT JAHRZEHNTEN BEWÄHRTES INSTRUMENT
Von einem zentralen Instrument der Gesundheitsversorgung, das seit Jahrzehnten bestehe, sprach Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP). Der Eltern-Kind-Pass trage entscheidend dazu bei, Risiken frühzeitig zu erkennen und eine bestmögliche Entwicklung sicherzustellen. Neu zum Untersuchungsprogramm hinzukommen werden eine zusätzliche Hebammenberatung, eine dritte Ultraschalluntersuchung am Ende der Schwangerschaft sowie ein weiteres Hörscreening für Neugeborene. Ferner sollen psychische Belastungen durch ein Beratungsgespräch frühzeitig erkannt werden.
In Richtung der Freiheitlichen merkte Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) an, dass der E-EKP auch jederzeit ausgedruckt werden könne. Was jedoch wegfalle, sei die Zettelwirtschaft, hob sie hervor. Laurenz Pöttinger (ÖVP) verwahrte sich gegen die Behauptung, dass die „Hebammen unter die Räder kommen“. Es werde sogar eine zusätzliche Beratung durch diese Berufsgruppe eingeführt. Pöttinger legte auch Wert auf die Unterscheidung zwischen „Geschlechtern und Geschlechtseinträgen“. Sowohl die ÖVP als auch VfGH gingen von zwei Geschlechtern aus, also männlich und weiblich.
NEOS: QUALITATIVE WEITERENTWICKLUNG EINES EFFIZIENTEN UND GUTEN SYSTEMS
NEOS-Mandatarin Gertraud Auinger-Oberzaucher warf den Freiheitlichen vor, ein “ gelbes Heft zu instrumentalisieren“, wodurch die Zukunft der Kinder gefährdet werde. Ab dem nächsten Jahr werde „endlich der elektronische Eltern-Kind-Pass eingeführt“, zeigte sie sich erfreut. Dies sei ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der medizinischen Versorgung, weil damit nicht nur mehr Datensicherheit verbunden sei, sondern auch eine bessere Vernetzung zwischen den einzelnen Gesundheitsdiensteanbietern. Positiv bewertete sie zudem die Ausweitung des Untersuchungsprogramms.
GRÜNE SETZEN SICH FÜR VERPFLICHTENDE HEBAMMENBERATUNG EIN
Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne) erinnerte daran, dass seine Fraktion die Zustimmung zum Gesetz von der Beantwortung einer Reihe von Fragen abhängig gemacht habe. Was die Hebammenberatung betreffe, so hätte er sich eine verpflichtende Regelung gewünscht. Den Freiheitlichen gegenüber stellte er noch fest, dass es der frühere Innenminister Kickl gewesen sei, der die Eintragung von sechs Geschlechtern ermöglicht habe.
In einer tatsächlichen Berichtigung machte Dagmar Belakowitsch (FPÖ) ihren Vorredner darauf aufmerksam, dass Kickl in seiner Funktion als Innenminister aufgrund eines OGH-Urteils das dritte Geschlecht „divers“ eingeführt habe.
KÖNIGSBERGER-LUDWIG: WICHTIGE GRUNDLAGE FÜR EFFIZIENTE PLANUNG DES GESUNDHEITSWESENS
Durch die Einführung des Mutter-Kind-Passes im Jahr 1974 sei Österreich ein Vorreiter in Sachen Kinder- und Müttergesundheit geworden, zeigte sich Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig überzeugt. In den folgenden zehn Jahren sei die Säuglingssterblichkeit um über 60 % zurückgegangen. Da der Erfolg von früher nicht immer für die Herausforderungen der Gegenwart reiche, soll auf diesem Meilenstein aufgebaut und die Inhalte weiterentwickelt werden, betonte sie.
Der moderne Eltern-Kind-Pass biete daher nicht nur digitale Schnittstellen, sondern diene auch der Vernetzung mit weiterführenden Unterstützungsangeboten wie zum Beispiel den „Frühen Hilfen“. Als weitere Fortschritte führte sie die automatische Erinnerungsfunktion oder die Bereitstellung von Informationen in mehreren Sprachen an. Auch in Hinkunft sei die Durchführung einer „anonymen Geburt“ gewährleistet sowie die Bereitstellung der Informationen in gedruckter Version.
Königsberger-Ludwig versicherte, dass bei der technischen Umsetzung des digitalen Eltern-Kind-Passes die höchsten Standards im Bereich des Datenschutzes beachtet und der Schutz der Privatsphäre gewährleistet sei. Es sei aber für die Politik entscheidend, über eine gute Datenbasis zu verfügen, um Gesundheitswesen evidenzbasiert planen und steuern zu können. (Fortsetzung Nationalrat) sue
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