SOS Mitmensch: Tirol an der Spitze und Niederösterreich Schlusslicht bei Deutschkursen für Asylsuchende

Erhebung zeigt insgesamt Verschlechterung bei Deutschkursangebot seit 2016

Wien (OTS) – Eine aktuelle Bundesländer-Erhebung von SOS Mitmensch kommt zum Ergebnis, dass sich der Zugang von Asylsuchenden zu Deutschkursen deutlich verschlechtert hat. Viele Asylsuchende hätten derzeit keine Möglichkeit, einen passenden Kurs zu besuchen. Von den Bundesländern sei Tirol an der Spitze und Niederösterreich Schlusslicht beim Deutschkursangebot, so die Menschenrechtsorganisation.

Negative Entwicklung

„Die Ergebnisse unserer Erhebung sind teilweise alarmierend. Der unter Türkis-Blau beschlossene Ausstieg des Bundes aus der Finanzierung von Deutschkursen für Asylsuchende hat zu negativen Auswirkungen geführt. Das Deutschkursangebot ist deutlich zurückgegangen. Einige Bundesländer haben versucht, das abzufedern, aber das ist nicht überall gelungen“, sagt Sonja Kittel, die für SOS Mitmensch die Erhebung geleitet hat.

Ranking mit Tirol an der Spitze und Niederösterreich als Schlusslicht

Die Unterschiede zwischen den Bundesländern beim Deutschkursangebot für Asylsuchende seien weiter gewachsen, erklärt Kittel. So variieren etwa die Wartezeiten auf Kurse, je nach Bundesland, zwischen einem und 6 Monaten, sofern überhaupt passende Kursniveaus angeboten werden. Auch die Intensität der Deutschkurse schwanke erheblich, zwischen 60 Übungseinheiten pro Kurs in Salzburg und bis zu 195 Übungseinheiten in Wien. Insgesamt sei Tirol vergleichsweise gut aufgestellt, gefolgt von Wien und Oberösterreich. Demgegenüber gebe es in Niederösterreich und der Steiermark gar keine eigenständigen Landes-Deutschkurse mehr für Asylsuchende, so SOS Mitmensch.

Tirol: Gute Rahmenbedingungen, aber geringere Abdeckung als
2016

Tirol hat wie auch schon 2016 im Gesamtranking den ersten Platz erreicht und zeigt bei allen erhobenen Kriterien ein vergleichsweise gutes Angebot. Dennoch gab es auch in Tirol einen deutlichen Rückgang beim Anteil an Asylsuchenden, die effektiven Zugang zu passenden Deutschkursen haben. Verbessert hat sich die Intensität des Angebots. Kinderbetreuung für KursteilnehmerInnen wird fallweise angeboten.

Wien: Hohe Kursintensität, aber fragmentierte
Angebotslandschaft

Wien konnte seinen zweiten Platz halten. Grund dafür ist die hohe Kursintensität, die Offenheit aller Deutschkursangebote für Asylsuchende (unabhängig vom Herkunftsland) sowie ein Masterplan, der „Integration ab Tag 1“ als Ziel vorgibt. Auch bei der Breite der angebotenen Kursniveaus hat Wien ein vergleichsweise gutes Angebot. Die Angebotslandschaft in Wien ist allerdings fragmentiert. Durch den Rückzug des Bundes aus der Finanzierung von Deutschkursen gibt es in einigen Kursniveaus zu wenige Plätze, was zu Wartezeiten führt.

Oberösterreich: Gutes Gesamtkonzept, aber Einschränkung der TeilnehmerInnen

Oberösterreich gehört zu den ambitioniertesten Bundesländern beim Deutschkursangebot. Ein großes Manko ist allerdings die Einschränkung auf bestimmte Herkunftsländer, wodurch etwa ein Drittel der Asylsuchenden von vornherein vom Angebot ausgeschlossen werden. Positiv sind die genauen Vorgaben in den Sprachförderrichtlinien betreffend hoher Intensität, guter Niveaubreite und guter Rahmenbedingungen, mit Ausnahme der teilweisen Kostenabwälzung auf die KursteilnehmerInnen.

Kärnten: Professionalisierung, aber verbesserungsbedürftige Kursabdeckung

Kärnten konnte sich im Vergleich zur Erhebung 2016 steigern. Das Deutschkursangebot wurde professionalisiert, ein guter Masterplan entwickelt. Bisher ist die Kursabdeckung jedoch trotz guter Niveaubreite noch nicht ausreichend. Positiv ist, dass weder durch die Kurse selbst noch durch die Anfahrt Kosten für die TeilnehmerInnen anfallen.

Salzburg: Selbstverpflichtung, aber keine hohen Kursniveaus

Salzburg ist das einzige Bundesland, das Asylsuchende zur Teilnahme an Deutschkursen verpflichtet – und sich damit auch selbst zur Bereitstellung von Kursen verpflichtet. Allerdings gilt die Selbstverpflichtung nur für niedrige Kursniveaus von Alphabetisierung bis A1. Das erklärt auch die geringe Abdeckung der Asylsuchenden mit Deutschkursen, denn gerade höhere Kursniveaus sind inzwischen sehr gefragt. Auch bei der Kursintensität und den Rahmenbedingungen hat Salzburg Nachholbedarf. Es gibt weder Unterstützung bei der Anfahrt noch bei der Kinderbetreuung.

Vorarlberg: Kein Fokus auf Asylsuchende und beim Angebot im Mittelfeld

Vorarlberg hat es sich nicht ausdrücklich zum Ziel gesetzt, flächendeckend Deutschkurse für Asylsuchende anzubieten, sondern der Fokus liegt auf Asylberechtigten. Asylsuchende, die an einem Deutschkurs teilnehmen können, bekommen ein Angebot, das im Bundesländervergleich im Mittelfeld liegt – mit guter Kursintensität und Niveaubreite, sowie Unterstützung bei der Anfahrt. TeilnehmerInnen müssen einen Selbstkostenbeitrag von fünf Euro pro Kurs zahlen.

Burgenland: Leichte Verbesserung, aber Kurse nur auf Antrag

Das Burgenland geht bei der Umsetzung der Deutschkurse für Asylsuchende einen eigenwilligen Weg. Die Gemeinden, in denen es Asylsuchende gibt, müssen einen Deutschkurs erst beantragen, bevor er organisiert wird. Wenn der Kurs stattfindet, ist er kostenlos und findet möglichst direkt in der Gemeinde statt, um die Anfahrt kurz zu halten. Dieses Angebot gibt es jedoch nur für Alphabetisierungs- und A1-Kurse, nicht jedoch für höhere Sprachniveaus.

Steiermark: Markante Verschlechterung und nur noch wenig
Förderung

Die Steiermark hat sich im Vergleich zur letzten Erhebung am markantesten verschlechtert. Nach Wegfall der Ko-Finanzierung durch den Bund hat man sich entschlossen, kein eigenes Deutschkursangebot mehr zu entwickeln. Es werden nur in geringem Maße bereits bestehende Kursprojekte, die von Gemeinden und Ehrenamtlichen durchgeführt werden, gefördert. Die Abdeckung ist damit sehr gering.

Niederösterreich: Kein eigenes Deutschkursangebot mehr

Niederösterreich hatte bei der Erhebung 2016 noch betont, gerade dabei zu sein, Deutschkurse anlaufen zu lassen. Auch damals beschränkte man sich ausschließlich auf Asylsuchende aus bestimmten Herkunftsländern, doch nachdem sich der Bund aus der Finanzierung der Deutschkurse zurückgezogen hatte, wurden auch diese Kurse beendet. Das Land bietet derzeit keinerlei eigene Deutschkurse für Asylsuchende an.

ÖIF-Kurse nur für SyrerInnen und IranerInnen

Die Deutschkurse des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) seien ausschließlich für Asylsuchende mit sehr hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit zugänglich, was zur Ausgrenzung eines Großteils der Asylsuchenden führe, kritisiert SOS Mitmensch. Derzeit werden vom ÖIF nur Asylsuchende aus Syrien und dem Iran, die sich im erstinstanzlichen Verfahren befinden, zu Deutschkursen zugelassen.

SOS Mitmensch richtet neun Forderungen an die Bundesregierung
und die Bundesländer:

1. Ende des Lotteriespiels für Asylsuchende: Schaffung einer
österreichweiten Regelung für geförderte Deutschkurse für
Asylsuchende.
2. Finanzielle Beteiligung des Bundes: Der Bund sollte sich wieder
an der Finanzierung der Deutschkurse in den Bundesländern beteiligen.
3. Keinen Ausschluss von Asylsuchenden aufgrund des Herkunftslandes
oder des Verfahrensstands: Asylverfahren werden individuell geführt
und nicht kollektiv. Deutschkurse von Anfang an leisten in jedem Fall
einen wichtigen Beitrag zur Selbständigkeit und zu einem guten
Gesellschaftsklima.
4. Mindeststandards: Einführung von Mindeststandards für
Kursintensität und Rahmenbedingungen, die den effektiven Zugang zu
Deutschkursen sowie gute Qualität sichern.
5. Deutschkursangebot auf allen Niveaustufen: Inzwischen brauchen
viele Asylsuchende höhere Sprachkursniveaus. Doch gerade auf höheren
Niveaustufen ist das Kursangebot sehr lückenhaft.
6. Zumutbare Anfahrtswege: Insbesondere in Bundesländern mit
schwacher öffentlicher Verkehrs-Infrastruktur braucht es ein
regionales Kursangebot mit zumutbaren Anfahrtswegen und
Fahrtkostenzuschüssen, um Ausschlüsse zu verhindern.
7. Unbedingt Kinderbetreuung anbieten: Nur ausreichend
Kinderbetreuung stellt sicher, dass auch Personen mit Kindern an
Deutschkursen teilnehmen können – betrifft insbesondere Frauen.
8. Ehrenamtliche HelferInnen nicht gesamte Aufgabe aufbürden:
Ehrenamtliche HelferInnen leisten Unschätzbares, auch im Bereich der
Sprachvermittlung. Doch es darf nicht an ehrenamtlicher Hilfe liegen,
die strukturellen Lücken im Deutschkursangebot notdürftig zu stopfen.
9. Öffnung des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF): Der ÖIF
sollte nicht länger einen großen Teil der Asylsuchenden von seinem
Sprachkursangebot ausschließen.

Grundstein für Integration

„Der Zugang zu Deutschkursen von Anfang an ist ein wichtiger Grundstein für die Integration von Asylsuchenden in Österreich. Wer hier spart, verursacht später hohe Kosten, und wer hier ausgrenzt, betreibt keine Integrationspolitik, sondern eine Desintegrationspolitik“, betont Kittel.

Die Detailergebnisse der Recherche zum Herunterladen finden Sie [auf der Webseite von SOS Mitmensch]
(https://www.ots.at/redirect/sosmitmensch24).

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Alexander Pollak
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