Agenturfoto für Tatverdächtigen schwerwiegender Ethikverstoß

Wien (OTS) – Nach Meinung des Senats 3 verstößt die Ankündigung des Artikels „Sekten-Josef: Das soll der Vater der Kinder sein“, abrufbar am 17.10.2019 auf der Startseite von „oe24.at“, gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex für die österreichische Presse (Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten).

Die Ankündigung bezog sich auf einen Beitrag über einen Österreicher, der in den Niederlanden wegen Freiheitsberaubung verhaftet wurde und angeblich Mitglied der Moon-Sekte sei. Bei der Ankündigung wurde ein Foto veröffentlicht, auf dem ein Mann mit Kappe in der Natur gezeigt wird. Seine Gesichtszüge sind aufgrund der Kappe nur teilweise erkennbar. Kurz nach der Veröffentlichung dieser Ankündigung twitterte der Chefredakteur eines anderen Mediums: „Äh, @Oe24.at, euer Foto von ‚Sekten-Josef‘ gibt es bei Feature-Agenturen (CanStock, Shutterstock) zu kaufen. Kostet 8 Euro.“ Wenig später wurde vom Chefredakteur von „oe24.at“ mit folgendem Posting darauf geantwortet: „Das wurde bereits geändert. Danke. Und ich habe auch ein Telefon. Liebe Grüße.“

Eine Leserin wandte sich an den Presserat und kritisierte, dass auf dem veröffentlichten Bild nicht die beschriebe Person gezeigt, sondern ein Agenturfoto veröffentlicht worden sei. Die Medieninhaberin von „oe24.at“ nahm am Verfahren des Presserats nicht teil.

Der Senat hält zunächst fest, dass hier ein Agenturfoto eines unbekannten Mannes für die Bebilderung eines konkreten Kriminalfalles eingesetzt wurde. Die Schlagzeile lässt bei den Lesern keine andere Schlussfolgerung zu, als dass auf dem Bild der Tatverdächtige gezeigt werde. Die Leser wurden bewusst getäuscht – für den Senat ist es nicht vorstellbar, dass das Agenturfoto versehentlich für den Tatverdächtigen eingesetzt wurde und eine Verwechslung vorlag. Diese Vorgangsweise des Mediums widerspricht diametral den Bestimmungen des Punkt 2.1 des Ehrenkodex, wonach Informationen gewissenhaft recherchiert und korrekt wiedergegeben werden müssen.

Der Senat begrüßt zwar die rasche Entfernung des Fotos durch die Redaktion. Da die Leser jedoch gezielt in die Irre geführt wurden, hält er es für notwendig, einen schwerwiegenden Verstoß gegen den Ehrenkodex festzustellen. Er fordert die Medieninhaberin von „oe24.at“ auf, freiwillig über die Entscheidung zu berichten.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats aufgrund einer Mitteilung eines Lesers ein selbständiges Verfahren durch. In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht.

Die Medieninhaberin von „oe24.at“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht. Die Medieninhaberin von „oe24.at“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.

Wolfgang Unterhuber, Sprecher des Senats 3, Tel.: 05 9030-22760

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