Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 1. Dezember 2021. Von KARIN LEITNER. “Politische Brandverstärker”.

Innsbruck (OTS) – Empört geben sich die Freiheitlichen über alles, was zur Minderung der Corona-Pandemie vorgegeben wird – so jetzt gegen die geplante Impfpflicht. Dabei haben sie dazu beigetragen, dass es so kommen musste.

Er ist wieder da. Aus der Quarantäne. Wer Läuterung erwartet hatte – es waren wohl wenige –, lag falsch. Die Corona-Infektion hat Herbert Kickl nicht milder oder gar umgestimmt. Das war nicht einmal bei seinem oberösterreichischen Gesinnungsbruder Manfred Haimbuchner so. Und der war auf der Intensivstation gelegen.
Kickl wütet verbal noch wilder als vor seiner Erkrankung. Gegen alle, die die Pandemie nicht kleinreden, sondern versuchen, etwas gegen diese weltweite Katastrophe zu tun. „Fake News“ ortet just er, der sich mit Verschwörern aller Art verbündet hat, die solche seit Monaten verbreiten – wider alle wissenschaftlichen Befunde. Zu Vitaminkuren und Entwurmungsmitteln, die für Pferde konzipiert sind, rät er – wider die Warnungen jener, die etwas von Medizin verstehen. Von „Diktatur“ spricht er, wohl wissend, dass alle Entscheidungen in Sachen Corona demokratisch legitimiert sind. Beschränkung der Meinungsfreiheit beklagt er, während er und seine Anhänger ständig sagen und sagen dürfen, was sie meinen – und das auch auf den Straßen. Eine „Spaltung der Gesellschaft“ konstatiert der Frontmann jener Partei, die Leute ständig aufganselt, das Gegeneinander forciert. „Ausgrenzung“ ortet Kickl wie einst Jörg Haider, dabei nimmt er sich selbst aus dem Kreis jener, die verantwortlich handeln. Ja, die Regierenden haben etliche Managementfehler gemacht, solche mittler­weile auch eingestanden. Die FPÖ hat aber alles dazu getan, die Lage in jeder Hinsicht zu verschlimmern.
Die Chuzpe: All das, wogegen deren Proponenten anschreien, haben sie mitverschuldet. Den neuerlichen Lockdown ob der stetig gestiegenen Infektionszahlen, die Impfpflicht ab Februar. Dies wie das gibt es und wird es geben, weil sich bis dato viel zu wenige Menschen impfen haben lassen.
Die Blauen haben immer wieder gegen diesen Schutz agitiert. Die Wirkung des Vakzins haben sie weg-, potenzielle Nebenwirkungen großgeredet. Sie bestärken jene, die Ängste haben, statt mitzuhelfen, diese zu nehmen. Sie animieren Ungeimpfte zu demonstrieren – masken-und abstandslos, vereint mit Neonazis und anderen, die den Staat destabilisieren wollen.
Ihr Zentralthema – Hardcore-Kurs gegen Flüchtlinge und Asylwerber – ist den Freiheitlichen vor Langem abhandengekommen. Die Pandemie hat ihnen neuen Stoff gebracht. Ein Alleinstellungsmerkmal. Sie haben rasch erkannt, dass sich politisches Kapital aus der Krise schlagen lässt. Koste es, was es wolle. Auch wenn es Menschenleben sind.

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