TIROLER TAGESZEITUNG “Leitartikel” Ausgabe vom Mittwoch, 19. Jänner 2022, von Manfred Mitterwachauer: “Laut gebrüllt, schlecht gelacht”

Innsbruck (OTS) – Die regierende CSU in Bayern fährt zum x-ten Mal gegen die Tiroler Lkw-Fahrverbotspolitik ihre Krallen aus. Detto die Frächter-Lobby im Süden. Einschüchterungsversuche im Vorfeld eines möglichen trilateralen Transit-Treffens. Eine Posse.

In bester „Mia san mia“-Mentalität wird aktuell wieder gegen Tirol die Transit-Keule geschwungen. Am lautesten klopfen sich dabei die Damen und Herren der bayerischen CSU rund um Ministerpräsident Markus Söder gegen die eigene Brust, in der Hoffnung, endlich in Brüssel mit ihren Klagsaufforderungen Gehör zu finden. Dem stehen in den vergangenen Monaten die Südtiroler und italienischen Frächtervereinigungen um kein einziges Dezibel nach. Zusammen ergibt das mittlerweile eine nahezu kabaretthafte Mixtur aus Scheuklappen-Mentalität und alternativen Fakten. Darüber könnte hierzulande gut gelacht werden, stünde nicht zu viel auf dem Spiel. So aber sind es düstere Vorzeichen angesichts der laufenden Bestrebungen eines trilateralen Treffens zwischen Österreich, Deutschland und Italien.
Das, was der CSU bei ihrer Winterklausur gestern als Resolutionsentwurf in Sachen Verkehrspolitik vorlag, kann nur als gezielte Provokation in Richtung Tirol verstanden werden. Söder und Co. wollen damit nicht nur die verhasste Lkw-Blockabfertigung endgültig aushebeln, nein, sie wollen gleich die gesamte Tiroler Anti-Transitpolitik in Schutt und Asche legen. Dass die CSU betont, für eine Verhandlungslösung dennoch offen zu sein, ist blanker Hohn. Ein Treppenwitz ist indes der gleichzeitige bayerische Appell an die neue Ampelkoalition im deutschen Bund, endlich bei der Verlagerung auf die Schiene Gas zu geben. So, als wäre von 2009 bis 2021 nicht die CSU ununterbrochen (!) im Verkehrsministerium am Steuer gesessen. Sowohl der Tiroler Fahrverbotskatalog als auch die Blockabfertigungen bei Kufstein bewegen sich (noch) innerhalb des EU-Rahmens. Deshalb entbehren die Klagsaufforderungen aus dem Norden und Süden jeder Grundlage. Deutschland hingegen ist beim Brenner-Nordzulauf säumig und pfeift auch sonst weitgehend auf getroffene Vereinbarungen. Wie das Berliner 10-Punkte-Programm für den Brennerkorridor aus 2019. Umso mehr gleicht das Ganze einer Posse.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat zuletzt alle drei Staaten an den Verhandlungstisch gemahnt. Auf gute Karten in diesem Poker kann Österreich aber nur bedingt hoffen. Der Beschluss zur Eurovignette spielt unseren Nachbarn in die Hände, das hiesige Festhalten u. a. am Dieselprivileg schadet der Tiroler Verlagerungs-Position.
Bayerns Brüllen soll einschüchtern. Tirol will keinen Millimeter weichen und brüllt zurück. Wir kennen das. Das Durchsetzen von Maximalforderungen hat aber noch nie einen Kompromiss geboren. Bayern hat hier wohl mehr Spielraum. Tirol nicht. Weil es primär um die Gesundheit der Bevölkerung geht.

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