Epilog des Skandals: Von Österreich geplantes Gefängnis für Geflüchtete in Bosnien wurde ohne Baugenehmigung begonnen

Das mit drei Millionen Euro vom Innenministerium geförderte, ÖVP-nahe Institut ICMPD steht hinter dem Gefängnis für Geflüchtete in Bosnien, bestätigt das dortige Fremdenamt.

Mittlerweile tauchen im Skandal rund um das von Österreich finanzierte und politisch mit Druck und Geldern erzwungene Flüchtlingsgefängnis im Lager Lipa völlig neue Erkenntnisse auf. Dabei wird klar, dass das von Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger geleitete, ÖVP-nahe Institut ICMPD (International Centre for Migration Policy Development) mit Sitz in Wien, in gemeinsamer Zusammenarbeit mit dem bosnischen Fremdenamt, nicht einmal um eine Baugenehmigung bei den lokalen Behörden ansuchte, bevor es begann das umzäunte Gefängnis-Containerdorf zu bauen. 

“ARROGANZ UND NEOKOLONIALISMUS”

“Dass man etwas zu bauen beginnt, noch dazu ein Gefängnis in ein Flüchtlingscamp, ohne den Grundstückbesitzer nach einer Genehmigung zu fragen, demonstriert sehr gut das Westbalkan-Verständnis der ÖVP und ihren Glauben, in Bosnien tun und lassen zu können, was man wolle. Abgsehen von menschenrechtlichen Aspekt des Skandals: Mehr Arroganz und Neokolonialismus geht ja gar nicht”, sagt Petar Rosandić, Obmann der SOS Balkanroute.

Dass das Gefängnis im Wiener Institut geplant wurde und von diesem auch umgesetzt wird, bestätigen erneut die Aussagen des Bürgermeisters, des kantonalen Premierministers als auch die gestrige Stellungnahme des bosnischen Fremdenamts selbst. „Für alle Fragen zu den Gefängniseinheiten wenden sie sich an den Implementationspartner ICMPD“, so das bosnische Fremdenamt in einer Stellungnahme für das bosnische Medium Klix.ba.

„NGOS AUF LIPA WOLLTEN GEFÄNGNIS NICHT BETREIBEN“

„Das Grundstück des Camp Lipa gehört der Stadt Bihać und bei unserer Zusage für den Bau des Camps war nie die Rede von Gefängniseinheiten innerhalb des Lagers. Es bräuchte dafür auch eine entsprechende Baugenehmigung der Stadt. Ebenso möchte ich sagen, dass die Organisation (ICMPD), die das implementiert, in all den letzten Jahren der humanitären Krisen niemals hier war und auch keine der im Camp tätigen Organisationen, einen derartigen Gefängnisbetrieb überhaupt betreuen wollten oder so etwas sich vorstellen konnten“, stellt Elvedin Sedić, Bürgermeister von Bihac, nach einer Krisensitzung der Operativen Gruppe klar. Die Operative Gruppe, ein Zusammenschluss aus dem Premierminister und den Bürgermeister:innen, fordert ein sofortiges Ende der Massenabschiebungen ins Camp Lipa bzw. der illegalen gemeinasmen Pushbacks, die die letzten Tage von der kroatischen und bosnischen Grenzpolizei gemeinsam durchgeführt wurden. Dabei wurden unter Zwang mindestens 500 Menschen ins Gefängniscamp gebracht.

VIELE FRAGEN FÜR EU-DIPLOMAT SATTLER

„Obwohl wir mehrmals gefragt haben, was da in Lipa passiert, haben wir bis heute keine Antwort der zuständigen Behörden gekriegt. Mit den staatlich organisierten Massenabschiebungen von Kroatien bis Lipa, die nun täglich unter dem Deckmantel eines Readmissionsabkommens passieren, werden täglich Gesetze gebrochen. Pushbacks sind illegal“, sagt kantonalen Premierminister Mustafa Ružnić, der für den nächste Wochende kommenden Besuch des österreichischen EU-Diplomaten Johann Sattler viele Fragen bereit hat.

“DISTANZIERUNG IST ABSURD“

„Die Geldflüsse und das Auftauchen des ÖVP-nahen Instituts ICMPD als Umsetzer eines Gefängnisses machen allen klar: Das nun illegal gebaute Gefängnis-Dorf innerhalb des Lipa-Camps wurde in Wien, nach neokolonialer Manier, geplant und auf Druck der österreichischen Bundesregierung umgesetzt. Darüber sprechen ja auch alle Treffen von Bundeskanzler Nehammer mit den bosnischen Sicherheitsministerium, die Eröffnung der ICMPD-Konferenz durch Innenminister Karner im Oktober 2022 so wie auch u.a. die Besichtigung der ÖVP-Menschenrechtssprecherin Gudrun Kugler in Lipa 2021. Immer sprachen sie von Rückführungen und Abschiebungen, die sie von Bosnien umgesetzt haben wollen und die sie nun offensichtlich mittels eines Gefängnisses realisieren wollen. Umso absurder, sich jetzt abzputzen und zu distanzieren. Alles ist glasklar“, sagt Petar Rosandić, Obmann der SOS Balkanroute.

Petar Rosandić, 06607390819, pero@sos-balkanroute.at

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