Schlagerstar fälschlich als „Stalker“ dargestellt

Wien (OTS) – Nach Ansicht des Senats 2 verstößt der Beitrag „Stalker erschießt zwei Frauen“, erschienen am 06.05.2021 auf „oe24.at“, gegen die Punkte 2.1 (Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten) und 5 (Persönlichkeitsschutz) des Ehrenkodex für die österreichische Presse.

Im Beitrag wird über einen Doppelmord in Salzburg an einer 50-Jährigen und ihrer Mutter (76) berichtet. Nachbarn hätten gegen 23.45 Uhr lauten Streit aus einem Einfamilienhaus in Wals-Siezenheim gehört. Dann seien mehrere Schüsse gefallen, fluchtartig sei ein Mann zu Fuß in der Dunkelheit verschwunden. Sofort hätten Anrainer die Polizei alarmiert, vor Ort hätten die Beamten ein Blutbad vorgefunden. Der restliche Inhalt des Beitrags ist nur für Abonnentinnen und Abonnenten zugänglich. Dem Beitrag sind ein Foto vom Tatort sowie ein Foto von Schlagerstar Stefan Mross beigefügt; im Begleittext wird festgehalten, dass es sich hierbei um eine Fotomontage handelt.

Mehrere Leser wandten sich an den Presserat und kritisierten die Bildveröffentlichung von Stefan Mross. Im öffentlich zugänglichen Teil des Beitrags finde sich kein Hinweis darauf, dass der Abgebildete nicht der Täter, sondern lediglich ein Angehöriger des Opfers sei, so einer der Leser. Die Medieninhaberin nahm nicht am Verfahren teil.

Der Senat hält zunächst fest, dass Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten oberste Verpflichtung von Journalistinnen und Journalisten sind (Punkt 2.1 des Ehrenkodex für die österreichische Presse). Diese Vorgabe schließt auch mit ein, Bilder im erforderlichen Kontext zu veröffentlichen. Nach Auffassung des Senats ist die vorliegende Bildveröffentlichung dazu geeignet, eine falsche Vorstellung vom Sachverhalt zu vermitteln: In Verbindung mit der Schlagzeile „Stalker erschießt zwei Frauen“ entsteht der Eindruck, dass es sich bei dem genannten „Stalker“ um den abgebildeten Schlagerstar handelt. In Wahrheit ist der Abgebildete jedoch lediglich mit den Opfern verwandt. Der vollständige Artikel befindet sich hinter einer Paywall; aus dem öffentlich zugänglichen Text geht an keiner Stelle hervor, dass es sich bei Schlagerstar Stefan Mross bloß um einen Verwandten der Opfer handelt. Die Leser werden daher getäuscht.

Im Ergebnis wurde das Bild in einem irreführenden Kontext veröffentlicht und verstößt damit gegen die Vorgaben des Punkt 2.1 des Ehrenkodex. Der Senat erkennt zudem eine Herabwürdigung des Abgebildeten, da dieser zu Unrecht als Tatverdächtiger dargestellt wird. Folglich ist auch von einer Persönlichkeitsverletzung auszugehen (Punkt 5 des Ehrenkodex). Die Medieninhaberin von „oe24.at“ wird aufgefordert, freiwillig über den Ethikverstoß zu berichten.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND VON MITTEILUNGEN MEHRERER LESERINNEN UND LESER

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der drei Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 2 des Presserats aufgrund von Mitteilungen mehrerer Leserinnen und Leser ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund von Mitteilungen). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin von „oe24.at“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.

Die Medieninhaberin von „oe24.at“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats anerkannt.

Andreas Koller, Sprecher des Senats 2, Tel.: 01-53153-830

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender