TIROLER TAGESZEITUNG “Leitartikel” Ausgabe vom Dienstag, 18. Jänner 2022, von Florian Madl: “Ali packt keine Sense mehr aus”

Innsbruck (OTS) – Der FC Wacker Innsbruck verabschiedet sich von seinem russischen Investor und dem Großteil des Vorstandsteams. Ein längst fälliger Schritt, dem weitere folgen müssen. Es wird noch dauern, bis die verbrannte Erde wieder grünt.

Mit wem sich Fußball-Zweitligist FC Wacker Innsbruck ins Bett legt, kann der Verein längst nicht mehr selbst entscheiden. Zu sehr drückt die Last der Außenstände auf die Planungen, das Gemüt, die Außendarstellung. Aber um beim Bild zu bleiben: Wie man sich bettet, so liegt man. Deshalb stellt sich nach dem gestrigen Umsturz im Vorstand weniger die Frage, wer denn dieser neue Präsident Kevin Radi ist und über welches Portfolio er verfügt, dass ihn ein Privatkonkurs und allerhand unternehmerische Exkurse (Finanzwelt, Immobilien) begleiten. Nein – Kevin Radi trägt zu nichts weniger als dem wirtschaftlichen Überleben des Vereins bei, das internen Informationen zufolge höchstens noch wenige Wochen gesichert gewesen wäre. Die Außenstände bei Gläubigern pendelten sich im sechsstelligen Bereich ein, die anstehende Bundesliga-Lizenzierung (März) hing am seidenen Faden.
Es wurde Zeit, dass Sportvorstand Alfred Hörtnagl die Bühne verließ. Die Dauerreden von nachhaltigem Arbeiten, von den ach so tollen Transfererlösen und dem Verweis auf hochtrabende Ziele konnte keiner mehr hören, geglaubt hat man es dem Matreier ohnedies schon nicht mehr. Ali, der früher am Platz buchstäblich „die Sense auspackte“, tat das zuletzt umso akribischer im Tiroler Fußball-Umfeld: Kein Grashalm steht mittlerweile mehr, die Drähte zum Tiroler Fußballverband, zur WSG Tirol, zu potenziellen Sponsoren, zur Öffentlichkeit, ja selbst zum Vereinsumfeld und zur eigenen Mannschaft wurden systematisch gekappt. Und der heimischen Jugend fehlte die Vision: War Geld da, wurde ein vielversprechender Talente-Kader mit Top-Verdienern getauscht (siehe Ära Grumser/2020). Und war keines da, wurden Spieler wie zuletzt der vielversprechende Felix Köchl (not-)verscherbelt.
Der Heilsbringer entpuppte sich nach seinem ehrgeizigen Start, nach Europacup-Visionen und traumtänzerischen Projekten ohne Substanz als Phantast. An ihm macht man die Tiroler Fußball-Krise sinnbildlich fest, an seiner Person zerschellten Talente, mit Basisarbeit konnte der ehemalige Rapid-Meistermacher wenig anfangen. Das kann er wahrhaben wollen oder nicht, aber eine Schwalbe wie die Top-Transfers von Patrik Eler oder Albert Vallci machen noch lange keinen Tiroler Fußball-Sommer.
Ob es jetzt ein neuer Manager besser macht? Es reicht schon, wenn er den Verein nicht sehenden Auges an die Wand fährt und sich irgendwelcher Teilerfolge rühmt. Auf den Fußball umgemünzt heißt das:
Wer 7:1 verliert, kann sich den Jubel über das Tor in der Nachspielzeit sparen.

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