Menschenunwürdiger Kommentar über Klima-Aktivisten

Der Senat 1 befasste sich mit dem Beitrag „Der Ural 375“, erschienen am 04.11.2022 in der Zeitschrift „KRONE.TV“. Nach Ansicht des Senats stellt der Beitrag einen schwerwiegenden Verstoß gegen Punkt 7 des Ehrenkodex für die österreichische Presse dar (Schutz vor Pauschalverunglimpfungen und Diskriminierung).

Im Beitrag befasst sich der Autor mit der Klima-Protestbewegung – seiner Meinung nach sei es „durchaus legitim, dass einem im Stau, verursacht durch jene Kakerlaken, die Sicherung schmort, und man den Verursachern einfach lustvoll in die Fresse hämmert.“ Aber sofern man sie eigenmächtig diszipliniere, würde die Exekutive „zum Schutze des Abschaums“ aktiv. Anschließend nennt der Autor eine Lösung, diese bringe eine sowjetische Erfindung: „Ein Fräs-Koloss, der mühelos, sanft und rückstandsfrei 60 Idioten pro Minute von der Straße lösen könnte. Der URAL 375. Das effektivste Mittel gegen hartnäckigen Müll auf unseren Straßen, ohne sich selbst die Hände zu beschmutzen.“

Ein Leser wandte sich an den Presserat und kritisierte den Beitrag als medienethisch unzulässig, u.a. weil darin explizite Gewaltaufrufe enthalten seien. Die Medieninhaberin nahm am Verfahren nicht teil.

Zunächst weist der Senat darauf hin, dass es sich im vorliegenden Fall um einen Kommentar handelt, bei dem die Meinungsfreiheit grundsätzlich großzügig auszulegen ist. Pauschalverunglimpfungen oder Eingriffe in die Menschenwürde können jedoch auch in einem Kommentar nicht mit der Presse- und Meinungsfreiheit gerechtfertigt werden. Nach der bisherigen Entscheidungspraxis der Senate sind Tiermetaphern, die zwangsläufig von Vernichtungsfantasien begleitet sind, auch in einem Kommentar medienethisch unzulässig: Tiermetaphern wie „Wanzen“, „Ungeziefer“ oder „Ratten“ wurden v.a. von den Nationalsozialisten bewusst eingesetzt, um Minderheiten, politische Gegner und Straftäter zu entmenschlichen.

Nach Auffassung des Senats fällt auch die im vorliegenden Kommentar verwendete Tiermetapher zwangsläufig in diese Kategorie; „Kakerlaken“ dürfen ausgerottet werden. Dieser menschenunwürdige Begriff verunglimpft die Gruppe der Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten als solche; dasselbe gilt für die im Beitrag verwendeten Bezeichnungen „Abschaum“ und (zumindest implizit) „hartnäckiger Müll“ für diese Personengruppe. Der Kommentar enthält also eine Reihe von menschenunwürdigen Diskriminierungen für Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten. Im vorliegenden Fall ist von einer Diskriminierung aus weltanschaulichen Gründen auszugehen (siehe Punkt 7.2 des Ehrenkodex).

Erschwerend kommt hinzu, dass im Kommentar auch körperliche Gewalt gegen die Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten vom Autor zumindest gutgeheißen wird – nämlich dadurch, dass es durchaus legitim sei, wenn man den Verursachern eines Verkehrsstaus „einfach lustvoll in die Fresse hämmert“ und dass das „effektivste Mittel“ gegen auf der Straße klebende Demonstrantinnen und Demonstranten der sowjetische Lastkraftwagen „Ural-375“ sei. Nach der Entscheidungspraxis des Presserats ist von einem schwerwiegenden Ethikverstoß auszugehen, wenn in einem Artikel unmittelbar oder mittelbar zu Gewalt gegen Personen aufgefordert wird.

In Anbetracht all dieser Umstände hält es der Senat für angemessen, im vorliegenden Fall einen schwerwiegenden Verstoß gegen Punkt 7 des Ehrenkodex für die österreichische Presse festzustellen (Schutz vor Pauschalverunglimpfung und Diskriminierung). Die Medieninhaberin von „KRONE.TV“ wird aufgefordert, freiwillig über den Ethikverstoß zu berichten. Außerdem wird der Medieninhaberin empfohlen, die Beiträge des Autors vor deren Veröffentlichung in Zukunft besonders sorgfältig zu prüfen.  

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS

_Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig._

_Im vorliegenden Fall führte der Senat 1 des Presserats aufgrund einer Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der Zeitschrift „KRONE.TV“ hat von der Möglichkeit, am Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht._

_Die Medieninhaberin der Zeitschrift „KRONE.TV“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt._

Tessa Prager, Sprecherin des Senats 1, Tel.: +43 – 1 – 23 699 84 – 11

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