38 Jahre nach Tschernobyl: Ukrainische AKW „großes Sicherheitsrisiko“

Cities for Nuclear Free Europe – Vorsitzender Czernohorszky: „Atomkraftwerke sind nicht dafür ausgelegt, kriegerischen Handlungen zu widerstehen!“

Am 26. April 1986 kam es in Tschernobyl (UKR) zum bis dato schlimmsten Reaktorunfall in der Geschichte. Aufgrund eines Designfehlers des sowjetischen RBMK – Reaktors wurde im Zuge einer Testinstanz eine Kernschmelze ausgelöst. Wegen der resultierenden radioaktiven Kontamination mussten über 300 000 Personen umgesiedelt werden. Eine Fläche von 4 300 km² um den Reaktor herum ist heute noch Sperrgebiet und wird noch zehntausende Jahre für Menschen unbewohnbar sein.

38 Jahre nach der Katastrophe in Tschernobyl sind AKW immer noch eines der größten Sicherheitsrisiken der ukrainischen Bevölkerung. Im Zuge des russischen Angriffskrieges ist es zum ersten Mal in der Geschichte dazu gekommen, dass direkt an einem Kraftwerksstandort Kampfhandlungen ausgetragen wurden. Das Atomkraftwerk Saporischschja ist nach wie vor von Russland besetzt.

„Atomkraftwerke sind gerade im Umfeld von kriegerischen Auseinandersetzungen ein großes Sicherheitsrisiko,“ warnt der Vorsitzende des Städtenetzwerkes „Cities for Nuclear Free Europe“ (CNFE), Wiens Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky. 

BESETZTES AKW SAPORISCHSCHJA MUSS IMMER WIEDER NOTGEKÜHLT WERDEN

Aufgrund der Kampfhandlungen wurde die Stromversorgung des AKW Saporischschja bereits mehrere Male beschädigt. Jedes Mal musste die Notkühlung des Reaktors über Notstromdieselaggregate hergestellt werden. Diese Dieselaggregate stellen eine der letzten Sicherheitsmaßnahmen dar, um eine mögliche Kernschmelze zu verhindern. Die sechs Reaktoren befinden sich zum Glück im „Shutdown Modus“, müssen aber aufgrund der Nachzerfallswärme noch jahrelang gekühlt werden, um einen schweren Unfall zu vermeiden.

„Internationale Konventionen, die gewährleisten, dass AKW nicht zu Kriegsschauplätzen werden, müssen endlich eingehalten werden!“ so Jürgen Czernohorszky.

PERSONALMANGEL IN SAPORISCHSCHJA – UKRAINER*INNEN WERDEN AUSGESPERRT

Unter Normalbedingungen ist das AKW Saporischschja in der Lage, ein Fünftel des ukrainischen Strombedarfs zu decken. Dafür waren vor dem Krieg rund 12 000 Mitarbeiter*innen notwendig. Mittlerweile arbeiten aber nur noch ca. 3 000 Personen vor Ort. Russland erlaubt auch nicht mehr, dass ukrainische Staatsbürger*innen das Gelände betreten.

„Bereits ohne Krieg ist die Arbeit in einem Nuklearreaktor eine heikle Angelegenheit, die keinen Spielraum für Fehler erlaubt. Der Personalmangel und die permanente Überarbeitung erhöhen das Risikopotenzial signifikant!“ so Czernohorszky.

UKRAINE WILL VIER WEITERE AKW BAUEN

Dennoch hat die Ukraine nun angekündigt, neue AKW bauen zu wollen. Diese sollen am Standort Chmelnyzkyj entstehen. Laut Energieministerium soll mit dem Bau bereits 2024 gestartet werden.

Dies ist bedenklich, da die Ukraine seit 20 Jahren keinen neuen Reaktor fertiggestellt hat und alle bisherigen Reaktoren nur mit russischer Unterstützung errichtet werden konnten. Außerdem benötigt ein durchschnittlicher Neubau in Europa zwischen 15 und 20 Jahren. Die Ukraine hat angekündigt, das Verfahren beschleunigen zu wollen. Allerdings besteht hier die Gefahr, dass gängige Sicherheitsstandards nicht ordnungsgemäß eingehalten werden. Auch (für die EU) essenzielle Verfahren wie eine UVP sollen nicht durchgeführt werden.

„Es ist nachvollziehbar, dass die Ukraine die Stromproduktion von Saporischschja ersetzen will, aber es ist notwendig, den Ausbau erneuerbarer Energieträger zu forcieren, die inzwischen billiger und schneller umsetzbar sind und vor allem kein nennenswertes Sicherheitsrisiko darstellen,“ so Wiens Umweltanwältin Iris Tichelmann abschließend.

Michaela Zlamal
Mediensprecherin StR Jürgen Czernohorszky
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michaela.zlamal@wien.gv.at

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