Das neue Psychotherapiegesetz hat gravierende Mängel

Das neue Psychotherapiegesetz ermöglicht die Ausbildung von Psychotherapeut:innen ohne Verpflichtung sich praktisches Wissen in psychiatrischen Facheinrichtungen anzueignen.

Am 17.4. 2024 wurde im österreichischen Nationalrat ein neues Psychotherapiegesetz beschlossen, welches die bereits 1990 implementierten gesetzlichen Grundlagen nunmehr ersetzt.

Dieses Gesetz sieht vor, dass Psychotherapeut:innen psychisch Erkrankte künftig eigenverantwortlich diagnostizieren und behandeln dürfen. Das betrifft beispielsweise Menschen, die an schweren Depressionen, bipolaren Störungen, schweren Angststörungen oder Schizophrenie leiden.

Die Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP) findet es daher besorgniserregend, dass Psychotherapeut:innen  im Gegensatz zu anderen Gesundheitsberufen zukünftig nicht verpflichtet sind, zumindest Teile der praktischen Ausbildung an psychiatrischen Facheinrichtungen bzw. in medizinischen Institutionen zu absolvieren. Unsererseits wurde angeregt, dass zumindest die Hälfte der praktischen Ausbildung im Rahmen des dritten Ausbildungsabschnitts in Einrichtungen der psychiatrischen Krankenbehandlung erfolgen soll. Leider fand diese Anregung keine Beachtung im nunmehr verabschiedeten Gesetz. Ebenso ist es nicht verpflichtend vorgesehen, dass bei Verdacht auf eine psychische oder körperliche Erkrankung vor Beginn der Psychotherapie eine ärztliche Abklärung durchgeführt werden muss.

Fachärzt:innen für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin absolvieren im Rahmen ihrer Ausbildung nach Ärztegesetz eine psychotherapeutische Ausbildung, die insgesamt um vieles umfangreicher ist als die postgraduale praktische Ausbildung nach dem Psychotherapiegesetz. Das neue Gesetz sieht allerdings vor, dass PsychiaterInnen erst nach Abschluss ihrer fachärztlichen Ausbildung die praktische Ausbildung nach Psychotherapiegesetz beginnen können. Es wird also von Fachärzt:innen für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin verlangt, dass große Teile der postgradualen praktischen Ausbildung zuerst einmal nach Ärztegesetz und dann nochmals nach Psychotherapiegesetz absolviert werden muss. Dies ist inhaltlich nicht nachvollziehbar und eine enorme Verschwendung finanzieller und personeller Ressourcen.

Im Fachgebiet der Psychiatrie ist der Nutzen einer vernetzten Zusammenarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen wissenschaftlich erwiesen und schon lange erfolgreich etablierte Praxis.  Dafür werden unter anderem auch psychiatrisch erfahrene und gut ausgebildete Psychotherapeut:innen benötigt.

Das neue Psychotherapiegesetz ermöglicht eine Ausbildung von Psychotherapeut:innen unter Umgehung praktischer Erfahrungen im medizinisch-psychiatrischen Kontext. Die ÖGPP ist besorgt, dass Psychotherapeut:innen künftig nur unzureichend auf die komplexen multiprofessionellen Behandlungserfordernisse erkrankter Menschen vorbereitet sein werden. Nachteile vor allem für schwer Erkrankte sind zu befürchten.

Büro der ÖGPP
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