Landeszeitung Lüneburg: Klimawandel vergiftet den ReisForscherin Dr. Eva Marie Muehe: Ernten können auch wegen steigender Arsenbelastung massiv sinken

Lüneburg (ots) – Von Joachim Zießler

Sie haben im Gewächshaus Reis mit den Bedingungen traktiert, die ihn im Klimawandel erwarten. Wie waren die Ergebnisse? Dr. Eva Marie Muehe: Wir konnten sehen, dass der Klimawandel die Produktivität der Reispflanzen vermindern wird – wie erwartet. Zusätzlich zu erhöhten Temperaturen und Kohlendioxidraten haben wir auch den Einfluss eines steigenden Arsengehalts im Boden untersucht. Im Ergebnis dürften die Erträge bei der Reisernte bis zum Jahr 2100 erheblich zurückgehen – um bis zu 40 Prozent für die Reissorte, die wir untersucht haben.

Wieso steigt die Arsenbelastung des Reis im Treibhaus Erde? Ursächlich ist ein Zusammenspiel der Geochemie des Bodens mit den dort lebenden Mikroorganismen. Arsen kommt natürlicherweise in den meisten Böden vor, liegt jedoch meist fest an Bodenpartikeln gebunden vor, so dass es nicht von Pflanzen aufgenommen wird. Bei erhöhten Temperaturen sorgen Bakterien und andere Mikroorganismen verstärkt dafür, dass sich das giftige Arsen von den Mineralien löst und in das Bodenwasser gelangt, wo es vom Reis aufgenommen wird. Zudem sorgen erhöhte Temperaturen dafür, dass sich das jetzt freigesetzte Arsen nicht schnell genug wieder an Bodenmineralien festsetzen kann.

Und in der Pflanze hemmt das Gift das Wachstum? Genau, und das auf ganz verschiedenen Ebenen. Bereits am Anfang treibt das Korn schwächer aus, die Nährstoffaufnahme wird gehemmt, es wird weniger grüne Biomasse gebildet, die wiederum weniger Körner trägt.

Klimawandelskeptiker setzen oft auf den Düngeeffekt des vermehrten CO₂ in der Atmosphäre. Für den Reis haben Sie dies wohl nachhaltig widerlegt? Wir haben untersucht, wie sich ein erhöhter Kohlendioxidgehalt allein auswirkt, ebenso eine erhöhte Temperatur allein und was bei der Kombination beider Phänomene passiert. Hätten wir lediglich mehr CO₂ in der Atmosphäre, würden die Ernten üppiger ausfallen. Aber die erhöhte Temperatur hemmt das Gedeihen von Pflanzen so stark, dass der Düngeeffekt des CO₂ überfahren wird. Und auch die bei höheren Temperaturen erhöhte Arsenaufnahme vermindert den Ertrag erheblich. Entscheidend ist natürlich, wie die Relation der drei Faktoren CO₂, Temperatur und Menge an Arsen im Boden zueinander ist.

Welches Szenario haben Sie zugrunde gelegt? Wir haben eine um fünf Grad erhöhte Durchschnittstemperatur und einen verdoppelten CO₂-Gehalt angenommen und die kalifornische Reisvariante M206 auf kalifornischem Reisfeldboden diesen Bedingungen ausgesetzt. Als wir die Studie vor fünf Jahren konzipiert haben, war dies das Alptraum-Klima-Szenario. Seit 2017 wird es als moderates, wahrscheinliches Szenario des Klimawandels angesehen. Bei Arsen haben wir nur für die Region, in der die Felder vorwiegend mit Grundwasser berieselt werden, sehr konservativ dreifach erhöhte Werte angenommen. Müssen zu diesen Risikofaktoren auch noch erhöhter Schädlingsbefall, Dürren und versalzene Böden in küstennahen Regionen gezählt werden? Richtig, das ist alles noch nicht eingerechnet, weshalb wir in der Studie den Minderertrag auch noch gar nicht global hochgerechnet haben. Wir haben nur nachgewiesen, dass die Wechselwirkung von erhöhter Temperatur plus Arsen relevante Auswirkungen haben wird. Da Reis für mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung das wichtigste Grundnahrungsmittel darstellt und global gesehen die meisten Kalorien pro Kopf und Tag liefert, sind um 40 Prozent verringerte Erträge und doppelt so hohe Arsenraten in der untersuchten Reisvariante schon erschreckend. Die ständige Aufnahme größerer Mengen Arsen kann zu Hautverletzungen, Krebs, verschlimmerten Lungenkrankheiten und sogar zum Tod führen. Zudem wird das allergenarme Lebensmittel Reis Säuglingen oft schon früh verabreicht. Sie nehmen im Verhältnis zum Körpergewicht ungleich mehr Arsen auf. Will man im nächsten Schritt errechnen, wie es mit der Reisernte global weitergehen wird, muss man die von Ihnen genannten, anderen Faktoren des Klimawandels noch mit einrechnen. Als Nächstes wollen wir nachvollziehen, wo auf der Welt Reisfelder mit Arsen belastet sind und wie stark diese Belastung zurzeit ist und in der Zukunft sein wird. Diese Informationen können dann in globale Reisertragsmodelle einbezogen werden und uns so hoffentlich genauere Ertragszahlen für die Zukunft geben.

Sind unsere Ernten gefährdeter, weil weltweit nur wenige Reisarten angebaut werden? In diesem Fall ist das nicht ausschlaggebend. Allerdings hat sich gezeigt, dass wir die zur Zeit vorwiegend genutzten Arten an die Kombination Klimawandel plus Arsen anpassen müssen.

Gibt es in den alten Reisarten oder in der Gentechnik Eigenschaften bzw. Instrumente, die Abhilfe versprechen? Vermutlich müssen wir mehrgleisig fahren, also sowohl alte Varianten daraufhin untersuchen als auch die Gentechnik nicht weiter ausschließen. Letztendlich ist Züchtung nichts anderes als langsame Gentechnik. Wenn wir schnellere Methoden haben, die die globale Ernährungssicherheit sicherstellen können, sollten wir diese nicht verteufeln.

Reis ist seit Tausenden Jahren einer der großen Sattmacher der Menschheit. Wie lange noch? Es gibt einige Studien zur Zukunft des Reis als Hauptnahrungsmittel. Danach bauen Asien, Afrika und Südamerika verstärkt Reis an, da in diesen Regionen der Bevölkerungsanstieg am stärksten ist. Allerdings könnte der steigende Lebensstandard in Asien den Schwenk zu anderen Lebensmitteln begünstigen. Bei weiter wachsender Weltbevölkerung bleibt Reis unverzichtbar, auf lange Sicht könnte der Reiskonsum dann aber doch langsam sinken.

Inwieweit hat der Reisanbau seine Probleme selbst mitgeschaffen? Beim Nassanbau-System wird das potente Treib-hausgas Methan freigesetzt. In der Tat sind Reisfelder ein Riesen-Zulieferer von Treibhausgasen. Allerdings denke ich, dass die grüne Revolution eher der Auslöser war. Seit den 70er-Jahren werden nicht nur mehr Flächen als Reisfelder bestellt, es wurde sehr viel mehr gedüngt und in einigen Landstrichen wird drei bis vier Mal pro Jahr Reis geerntet, wo früher nur ein bis zwei Mal üblich war. Verheerend wirkte sich also der Druck der entwickelten auf die sich entwickelnde Welt aus.

Nicht nur Reis, auch Weizen und Mais sind für das Treibhaus Erde kaum geeignet. Müssen Wissenschaftler den Alarmknopf drücken? Ja. Deshalb werde ich in Folgestudien Pflanzen unter die Lupe nehmen, die für Europa relevanter sind – wie etwa Weizen, Gerste, Kartoffeln und Tomaten. In diesen Fällen ist nicht Arsen das Problem, sondern das giftige Schwermetall Cadmium, welches durch die Düngung in die Böden gelangt. Auch hier werde ich untersuchen, wie sich die Kopplung von Klimawandel und Schwermetall auf Ertrag und Qualität auswirkt.

Zur Person

Dr. Eva Marie Muehe, studierte und forschte in Tübingen, Cape Town und Bochum. Sie promovierte in Geomikrobiologie an der Universität Tübingen. Als Postdoc ging sie ab 2015 mit einem zweijährigen DFG-Stipendium an die Stanford Universität, wo sie ein Team von Forschern aus Stanford, Tübingen und Bayreuth leitete, dass die Zukunft des Reis im Klimawandel erforschte. Derzeit ist sie in Elternzeit.

Pressekontakt:

Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de


Original-Content von: Landeszeitung Lüneburg, übermittelt durch news aktuell