Fünffachmord von Kitzbühel: Zahlreiche Verstöße gegen Opferschutz

Wien (OTS) – Der Senat 1 des Presserats beschäftigte sich mit verschiedenen Bildveröffentlichungen der Opfer des Fünffachmordes in Kitzbühel. Einige der Bilder waren unverpixelt, andere wiederum zu unterschiedlichen Graden verpixelt oder mit einem schwarzen Balken versehen. In manchen Fällen wurden Bilder der Opfer auch in Videos gezeigt, die in die Artikel eingebettet sind. Der Senat stellte zahlreiche Verstöße gegen den Opferschutz fest.

Nach Meinung des Senats sind Berichte über Mordfälle grundsätzlich von öffentlichem Interesse. Dies gilt insbesondere auch für den konkreten Fall, der in der Öffentlichkeit für großes Aufsehen und Bestürzung gesorgt hat. Aus dem öffentlichen Interesse an der Berichterstattung ergibt sich jedoch nicht, dass der Persönlichkeitsschutz der Opfer missachtet werden darf. Die Senate des Presserats haben bereits mehrfach festgehalten, dass die Persönlichkeitssphäre eines Menschen auch über dessen Tod hinaus zu wahren ist, und dass die Veröffentlichung von Fotos von Mordopfern grundsätzlich geeignet ist, in die Persönlichkeitssphäre dieser Personen einzugreifen.

Vier der Opfer – eine junge Frau, deren Eltern und ihr Bruder – standen nicht in der Öffentlichkeit. Als Verbrechensopfer ist gemäß Punkt 5.4. des Ehrenkodex auf ihre Anonymitätsinteressen besonders zu achten. Die Veröffentlichung unverpixelter Fotos verstößt daher gegen Punkt 5 des Ehrenkodex (Persönlichkeitsschutz). Der Senat betonte aber auch, dass selbst Bilder, die teilweise oder bloß feinkörnig verpixelt bzw. mit einem schwarzen Balken versehen sind, die berechtigten Anonymitätsinteressen der Opfer verletzen können. Dabei ist das ausschlaggebende Kriterium, ob das Opfer für sein (unmittelbares) Umfeld weiterhin erkennbar bleibt.

Bei den folgenden Medien stellte der Senat Ethikverstöße fest:
„Heute“, „heute.at“, „krone.at“, „Kronen Zeitung“, „Kurier“, „kurier.at“, „OE24“, „oe24.at“ sowie „vol.at“. Gegenüber der „Kronen Zeitung“ und „OE24“ erkannte der Senat darüber hinaus auf schwerwiegende medienethische Verstöße, weil die beiden Zeitungen unverpixelte Bilder der Opfer prominent auf der Titelseite platzierten.

Das fünfte Mordopfer war ein Eishockeyspieler, der bereits in der obersten österreichischen Eishockeyliga gespielt hatte und daher in gewissen Kreisen über einen entsprechenden Bekanntheitsgrad verfügte. In Anbetracht dessen war die Veröffentlichung seines Bildes kein Ethikverstoß.

Der Senat hebt positiv hervor, dass die Medieninhaberin von „vol.at“ die Entscheidung bereits freiwillig auf „vol.at“ bekannt gegeben hat. Die Entscheidung in der Langfassung finden sie unter www.presserat.at.

Selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung eines Lesers sowie aus eigener Wahrnehmung

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig. Im vorliegenden Fall führte der Senat 1 des Presserats sowohl aufgrund einer Mitteilung eines Lesers als auch auf eigene Initiative ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung sowie aus eigener Wahrnehmung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob ein Artikel oder ein journalistisches Verhalten den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberinnen der Tageszeitung „Heute“, der Tageszeitung „Kurier“, von „kurier.at“ sowie von „vol.at“ haben von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, Gebrauch gemacht. Die Medieninhaberinnen von „heute.at“, der „Kronen Zeitung“, von „krone.at“, der Tageszeitung „OE24“ und von „oe24.at“ haben von dieser Möglichkeit hingegen keinen Gebrauch gemacht. Die Medieninhaberinnen der Tageszeitung „Kurier“, der Tageszeitung „OE24“ und der „Vorarlberger Nachrichten“ haben die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats anerkannt; die Medieninhaberinnen der Tageszeitung „Heute“, der „Kronen Zeitung“ und von „oe24.at“ hingegen bisher nicht.

Tessa Prager, Sprecherin des Senats 1, Tel.: 01/2369984-11

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