Inklusion? Da geht noch mehr!

5. Mai 2021: „Tag der Inklusion“

Wien (OTS) – Seit 1992 wird der europaweite „Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen“ begangen. Dass hinsichtlich der Inklusion von Menschen mit Behinderungen in Österreich in vielen Bereichen nach wie vor Defizite bestehen, wurde in der Krise des vergangenen Jahres in besonderer Weise sichtbar.

Bei der Herstellung eines inklusiven Bildungszugangs von Menschen mit Behinderungen besteht in Österreich erheblicher Nachholbedarf. Dies ist von besonderer Bedeutung, zumal die Bildungsmöglichkeiten, die Menschen vorfinden, sich meist lebenslang erheblich auf deren Teilhabechancen auswirken. Segregation im Bildungsbereich befördert Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen.

In der Corona-Krise haben auch viele Menschen mit Behinderungen ihren Arbeitsplatz verloren. Bereits vor der Krise war zu beobachten, dass diese leichter ihre Arbeit verlieren und in der Folge länger arbeitslos bleiben, als die Gesamtbevölkerung. Es wird nach der Überwindung der gegenwärtigen Gesundheitskrise gezielter Maßnahmen und Anstrengungen bedürfen, um Menschen mit Behinderungen in Beschäftigung zu bringen. Eine Möglichkeit, um dafür einen starken Anreiz zu schaffen, wäre die zeitweilige Befreiung von Unternehmen von den Lohnnebenkosten für die von ihnen beschäftigten Menschen mit Behinderungen. Längerfristig ist eine inklusive Gestaltung des Arbeitsmarktes unabdingbar, um die umfassende Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, zu der sich Österreich durch die Ratifikation der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet hat, zu verwirklichen.

Ein seit langer Zeit bestehender Missstand ist die Einteilung in arbeitsfähige und arbeitsunfähige Menschen mit Behinderungen. Diese wird von der Pensionsversicherungsanstalt nach Zuweisung durch das Arbeitsmarktservice vorgenommen. Wurde die Arbeitsunfähigkeit eines Menschen einmal festgestellt, ist derzeit keine verpflichtende neuerliche Überprüfung mehr vorgesehen. Es besteht kaum die Möglichkeit, die Entscheidung über die vermeintliche Arbeitsunfähigkeit eines Menschen, die meist auf Basis eines rein medizinischen Leistungskalküls und ohne hinreichende Berücksichtigung vorhandener Unterstützungsmöglichkeiten vorgenommen wird, wirksam zu beeinspruchen. Meist wir die Überprüfung der Arbeitsfähigkeit bereits in jungen Jahren vorgenommen. Menschen, die als arbeitsunfähig gelten, erhalten meist keine Unterstützung mehr, um am Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können. Sie sind häufig auf Beschäftigungsangebote der Länder angewiesen, die nicht mit einem kollektivvertraglichen Entgelt und einer umfassenden arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Absicherung einhergehen und erhalten auch im Erwachsenenalter einen Status, der dem von Kindern entspricht.

„Ich halte es, angesichts der Tragweite der Entscheidung über die Arbeitsfähigkeit einer Person für einen Rechtsstaat wie Österreich für geradezu beschämend, welch niedriger Standard des Rechtsschutzes hier angelegt wird. Zumindest müsste es im Vorfeld eine verpflichtende mehrjährige Arbeitserprobung unter Zuhilfenahme aller verfügbaren Unterstützungsmöglichkeiten geben. Jeder Mensch hat Fähigkeiten und muss die Möglichkeit erhalten, diese einzusetzen, um im Gegenzug eine faire Entlohnung sowie arbeits- und sozialrechtliche Absicherung zu erhalten, auch wenn dazu mitunter Unterstützung notwendig sein sollte“, meint Behindertenanwalt Hansjörg Hofer.

Der Nationale Aktionsplan Behinderung (NAP) für den Zeitraum 2022 bis 2030, der der Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen dient, steht kurz vor seiner Fertigstellung. Der Behindertenanwalt fordert, basierend auf den Erkenntnissen aus der Evaluierung des vorhergehenden Aktionsplans, die Aufnahme von klaren Zeitlinien und Indikatoren, um die Umsetzung des neu erarbeiteten Aktionsplans sicherzustellen.

„Der Zug darf, trotz des derzeitigen und in absehbarer Zukunft noch zu erwartenden Krisengeschehens, nur in Richtung der umfassenden Gleichstellung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen fahren. Wesentliche Verzögerungen oder gar Rückschritte sind nicht akzeptabel“, so Hofer.

Büro des Anwalts für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen
Mag. (FH) Stephan Prislinger
+43 1 71100 862223
stephan.prislinger@sozialministerium.at
http://www.behindertenanwalt.gv.at

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