Graz: Die krankgeredete Stadt? – Editorial von Herausgeber Wolfgang Hasenhütl

Graz: pumperlg’sund und springlebendig

Graz (OTS) – Die letzten Wochen waren insbesondere für die Medien und für die Journalisten die aufregendsten, die wir uns in Österreich vorstellen können. Regierungsum- und -neubildung, Pandemie … – wir alle sind extrem gefordert. Und in dieser Zeit wurde in Graz eine epochale Wahl geschlagen: Die Verlierer lecken sich ihre Wunden und die neuen Akteure auf der Politbühne sind gefordert, sich mehr denn je zu profilieren. Umso mehr verwundert es, dass insbesondere ein Redakteur (nämlich Bernd Hecke in der Kleinen Zeitung) nicht müde wird, auf einen Bürgermeister hinzuschlagen, der schon längst nicht mehr dieses Amt bekleidet; mit „dem System Nagl“ in der Ausgabe vom 4.12. doppelseitig „abzurechnen“. Siegfried Nagl wird hier vor allem als Finanzstadtrat – wohlgemerkt diese Funktion hatte Selbiger vor 19(!) Jahren inne – angekreidet, städtische Immobilien gleichsam „ausverkauft“ zu haben. Nämlich an eine stadteigene und hundertprozentige Tochtergesellschaft. Na und? Worin liegt die Verfehlung? Der Vorwurf trifft ins Leere und sonst nirgendwohin. Nagl hat seine politische Karriere beendet – warum muss ihm immer und immer wieder nachgetreten werden? Das Motiv ist aus journalistisch-ethischer Hinsicht für mich unverständlich: Wenn jemand aus seinem politischen Amt ausgeschieden ist, warum wird der Rechnungshofbericht vom 3.12. zur nachträglichen Westenbeschmutzung herangezogen? Und wenn man einen solchen schon bemüht: Warum müssen dabei seitens des Redakteurs „untaugliche Budgettricks“ Nagl unterstellt werden?

Weit vernünftiger als ehemalige Bürgermeister zu besudeln wäre es, wenn man die neuen Regierenden kritisch unter die Lupe nähme. Wenn man sich bemüßigt fühlt, Spitzenpolitiker journalistisch schlecht zu behandeln, dann wenigstens alle gleich schlecht – und fair. Darin liegt die Verantwortung des Journalismus – nur leider fehlt diese bei der Reportage von Bernd Hecke.

Was nicht vergessen werden darf: Insgesamt ist Graz ein Erfolgsmodell. Die Zahlen sprechen für sich (siehe hierzu auch unsere Titelgeschichte ab Seite 8) – ob als Grünoase mit höchster Baumdichte unter den Top-drei oder als „chilligste Stadt“ auf Platz sieben der 150 vergleichbaren Städte. Graz hat in den letzten Jahren das höchste Kommunalsteueraufkommen aller Zeiten und durch den Zuzug den Finanzausgleich über die höchsten Ertragsanteile des Bundes erhalten. Dieses heimische Juwel ließe sich sicherlich noch weiter aufpolieren – dies unter Beweis zu stellen, obliegt nun insbesondere den regierenden Kommunisten und Grünen. Dass wir in der zweitgrößten Stadt Österreichs laut deren Bürgermeisterin Elke Kahr allerdings „keine Prestigeobjekte“ brauchen können, ist der Zukunft dieser Stadt nicht unbedingt zuträglich, denn genau dieser Leuchtturmprojekte bedarf es. Und auch die Aussage, „vieles ließe sich nicht durchbringen, da das kapitalistische System im Wege“ stünde, zeugt nicht gerade von politischem Weitblick.

Mit Fahrräderverteilen und Bäumepflanzen wird es nicht getan sein, auch wenn das Engagement seitens Vizebürgermeisterin Judith Schwentner verständlicherweise ökologisch motiviert ist. Aus dem Nichts heraus an 20.000 Kinder Fahrräder zu verschenken, ist Fantasterei und steht der momentan schon sehr strapazierten Radkonzeption der Stadt entgegen. Wo bleiben die wirklich innovativen Verkehrskonzepte? Wo die Ausgewogenheit zwischen öffentlichem und Individualverkehr? Ist Graz imstande, weitere Tiefgaragen und P&R zu bauen, wenn schon am Andeas-Hofer-Platz weit und breit keine veritable Neugestaltung in Sicht ist? Auch die Frage nach den Gemeindewohnungen harrt noch ihrer Beantwortung: Wenn man schon den Flächenfraß kritisiert, wie rechtfertigt man dann den Bau von zusätzlich 500 Gemeindewohnungen, die der Bürgermeisterin vorschweben?

Was Graz vor allem anderen braucht, ist ein positives Klima – das Wollen, hier zu leben, zu arbeiten und zu wohnen. Und zu studieren. Denn Graz ist gerade in den freundlicheren Jahreszeiten nahezu mediterran lebenswert. Der Zuzug der letzten Jahre hat auch neue Arbeitsplätze generiert – das dies zum extremen Pendelaufkommen führt, ist dem Umstand geschuldet, dass der Großraum Graz so stark gewachsen ist wie sonst keine Region in Österreich. Graz ist nicht mehr die „heimliche Liebe Österreichs“, wie ein Werbeslogan vor Jahren schwadronierte, sondern DIE Stadt mit ungeheuerlichem Potenzial. Graz verdient Anerkennung – bei aller wohlwollenden Kritik.

Wachstum und Entwicklung – trotz oder vielleicht gerade in Corona-Zeiten: Graz ist pumperlg’sund – daran wird hoffentlich auch die ganze Krankrederei und -schreiberei nichts ändern.

Gesund sein – wie Graz! Das wünscht sich, Ihnen und uns allen

Ihr Wolfgang Hasenhütl
Herausgeber

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