13. Wiener Landtag (4)

Wien (OTS/RK) – LAbg. Mag.a Laura Sachslehner, BA (ÖVP) entgegnete ihren Vorredner*innen: Die ÖVP würde von der SPÖ dafür kritisiert, die Staatsbürgerschaft zum Thema zu machen; tatsächlich würde die SPÖ aber mit „populistischen Methoden“ die Staatsbürgerschaft immer weiter aufweichen wollen, deshalb müsse die ÖVP die Staatsbürgerschaft als höchstes Gut in der Demokratie „verteidigen“. Im letzten Jahr habe es mehr als 60.000 Einbürgerungen geben – mehr als in den Jahren zuvor, so Sachslehner. Es sei jetzt schon möglich die Staatsbürgerschaft früher zu erhalten. In acht anderen Bundesländern würden die Staatsbürgerschaftsverfahren rascher abgewickelt werden, nur bei der MA 35 in Wien gebe es Probleme. Schon jetzt könnten Kinder, die hier geboren wurden, die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten, sagte Sachslehner. Sie wolle auch keine Vergleiche mit anderen Staaten gelten lassen, weil Österreich in Sachen „Asyl und Sozialstaat ganz andere Voraussetzungen“ habe. Die ÖVP wolle, dass sich Menschen mit dem Staat Österreich und seinen Werten identifizieren, sich selbst erhalten können und die deutsche Sprache sprechen, forderte Sachslehner. Sie wolle auch keinen weiteren „Pull-Faktor“ bei der Migration. Das Modell der Arbeiterkammer bedeute „ein Bleiberecht durch die Hintertür“, weil Asylwerber, dessen Verfahren länger als fünf Jahre dauere, damit faktisch nicht mehr abgeschoben werden können.

LAbg. Dr.in Mireille Ngosso (SPÖ) kritisierte das Staatsbürgerschaftsgesetzt als „veraltet“, das Gesetz gehe an modernen Lebensrealitäten vorbei. Trotzdem scheinen die Bundesregierung und die ÖVP stolz darauf, Schlusslicht in Sachen modernes Staatsbürgerschaftsrecht zu sein, meinte Ngosso. Die ÖVP hätte ein elitäres Bild der Staatsbürgerschaft, die man sich erst verdienen müsse: „Was haben die Abgeordneten der ÖVP eigentlich dafür getan, um die Staatsbürgschaft zu verdienen?“, fragte Ngosso. Sie kritisierte außerdem die „rassistische Rethorik“, wonach die Staatsbürgerschaft „entwertet“ werde, wenn mehr Menschen – darunter vor allem „People of Color“ – einen leichteren Zugang zur Staatsbürgerschaft hätten. „Alle Menschen sind gleich an Würde und Recht geboren“, zitierte Ngosso aus der UN-Menschenrechtskonvention. Das beinhalte auch einen gleichen Zugang zu Rechten und Möglichkeiten – dazu zähle auch der Zugang zur Staatsbürgerschaft. Die Demokratie könne nur gewinnen, wenn sich mehr Menschen daran aktiv beteiligen könnten. Der strenge Zugang zur Staatsbürgerschaft hingegen verhinderte Teilhabe und fördere die von der ÖVP kritisierten „Parallel-Gesellschaften“. Sechs von zehn Arbeitnehmer*innen in Wien seien wegen der Staatsbürgerschaft nicht wahlberechtigt, insgesamt seien in Wien ein Drittel aller Menschen von der Wahl ausgeschlossen, zeigte Ngosso auf. Viele dieser Menschen ohne Möglichkeit der Teilnahme hätten die Gesellschaft durch ihre Jobs in der Pflege oder in systemkritischen Berufen durch die Krise getragen. Die Hürden beim Zugang zur Staatsbürgerschaft müssten im Bund abgebaut werden, forderte Ngosso. Es sei nicht richtig, so wie oft dargestellt, dass Menschen die Staatsbürgerschaft überhaupt nicht wollten, viele könnten sie sich schlichtweg wegen der hohen Einkommensgrenzen nicht leisten. Kinder und Jugendliche könnten sich eben nicht aussuchen, wo sie geboren werden und welche Staatsbürgerschaft ihre Eltern haben; ihnen werde vom Staatsbürgerschaftsgesetzt suggeriert, sie seien hier „nicht erwünscht oder nicht wert genug für die Staatsbürgerschaft“, sagte Ngosso. Es sei „höchste Zeit“ Kindern, die hier geboren sind, den Weg zur Staatsbürgerschaft zu erleichtern.

LAbg. Hannes Taborsky (ÖVP) meinte, Afghanen, Syrer und Iraker seien „führend bei der Kriminalitätsstatistik“. Demnach müsse sich auch die Polizei von Ngosso Rassismus vorwerfen lassen, wenn sie dagegen vorginge, argumentierte Taborsky. Er lehne eine „Instant-Staatsbürgerschaft“ ab, „die ohne Nachweis der Integration oder Sprachkenntnisse regelrecht verschleudert“ werde und möglichst schnell Zugang zu Sozialleistungen ermögliche. Die Staatsbürgerschaft solle jenen vorbehalten sein, „die den Karren ziehen“ – das könnten auch Menschen aus anderen Ländern sein: Dafür gebe es die Rot-Weiß-Rot-Karte und die Möglichkeit des Zugangs zur Staatsbürgerschaft über dieses Programm. SPÖ, Grüne und NEOS gehe es darum, ein „neues Wahlvolk zu schaffen“, mutmaßte Taborsky. Vor dem Hintergrund der Corona-Krise und einem drohenden „Asylstrom“ durch den Krieg in der Ukraine müsse die Stadt andere Prioritäten in ihrer Politik haben als die Staatsbürgerschaft, so Taborsky. Sozialbetrug sei in Wien „ein echtes Thema“ – und die Stadt zuständig, aber säumig. Die Bundesregierung hätte für Vollbeschäftigung gesorgt, nur Wien habe die höchsten Arbeitslosenzahlen und sei „Magnet für Menschen, die ihre Zukunft in der Sozialhilfe sehen“. Schlepper würden weltweit mit dem „Wiener Modell“ werben, behauptete Taborsky. In Richtung Stadtregierung: „Mit Ihren Aussagen zur Staatsbürgerschaft sind Sie der Star in der Werbung der Schleppermafia“ – das zeige sich auch an der steigenden Zahl an Asylanträgen aus sicheren Drittstaaten wie Indien oder Marokko. Im Innenministerium sei die Abteilung für Asyl mit jener für Menschenhandel und Schlepperei zusammengelegt, es gebe eine neu geschaffene Task-Force „Balkan“ und eine stringente Asylpolitik. Beim Thema Fremdenrecht bezeichnete Taborsky Großbritannien und Dänemark als Vorbilder, die Asylzentren im Ausland fordern würden.

LAbg. Christian Deutsch (SPÖ) kritisierte die ÖVP dafür, die Debatte um die Staatsbürgerschaft zu nutzen, um von der hohen Inflation und Teuerung abzulenken, gegen die die Bundesregierung nichts unternehme. Auch wolle die ÖVP mit der Migrations-Debatte von den Korruptionsproblemen der eigenen Partei ablenken. „Immer wenn die ÖVP das Thema Migration und Staatsbürgerschaft in den Mund nimmt, weiß man, dass ein neuer Korruptionsskandal im Anrollen ist“, sagte Deutsch. Weil in der Debatte „viel von Verdienen und Leistung die Rede war“, machte Deutsch auf einen weiteren Punkt aufmerksam: Es brauche auch Respekt und Anerkennung für jene, die das Land während der Corona-Krise am Laufen gehalten haben. Die Erlangung der Staatsbürgerschaft scheitere oft am Geld – deshalb müssten Menschen in systemkritischen Berufen mehr anerkannt werden. Die ÖVP habe kein Interesse an einem gelungenen Integrationsprozess und einem leichteren Zugang zur Staatsbürgerschaft; andernfalls würde sie nicht gut integrierte Kinder abschieben, sagte Deutsch. Er erinnerte an die Abschiebung der Wiener Schülerin Tina und ihrer Schwester nach Georgien. „Hier wurden gut integrierte Schülerinnen abgeschoben“, sagte Deutsch, „inzwischen haben Gerichte die Abschiebung als unrechtmäßig anerkannt“. Die ÖVP würde in Pressegesprächen argumentieren, eine Vereinfachung der Staatsbürgerschaft würde nur die Migrationswelle antreiben – „So etwas Dummes habe ich in meinem Leben noch nie gehört. Sie werden nicht annehmen, dass Menschen flüchten, eine gefährliche Reise in Kauf nehmen und ihr Leben am Mittelmeer riskieren, weil es ihnen um die österreichische Staatsbürgerschaft geht? Diese Menschen flüchten vor Krieg und sicherem Tod“, sagte Deutsch. Es sei unumstritten, dass die für Staatsbürgerschaften zuständige MA 35 reformiert werden müsse, um effizienter zu arbeiten; diesbezüglich hätte die Stadt schon Schritte gesetzt. Das österreichische Staatsbürgerschaftsgesetz würde täglich „Fremde im eigenen Land“ produzieren und Menschen mit niedrigen Einkommen benachteiligen. Es gelte Chancengleichheit zu schaffen, Hürden abzubauen und Demokratie zu stärken, schloss Deutsch.

LAbg. Ömer Öztas (GRÜNE) wollte die ÖVP und FPÖ „auf den Boden der Realität zurückholen“ und schilderte Lebensgeschichten von Wiener*innen: Er berichtete von David, der in Wien aufgewachsen sei, der hier die Matura gemacht und in Wien arbeiten würde. David sei einer von den zehntausenden Menschen, die in Wien geboren sind, aber nicht die Staatsbürgerschaft haben. Er berichtete vom 18-jährigen Enes, der wie David ebenfalls nicht die österreichische Staatsbürgerschaft hätte, weil sich sein Vater dagegen entschieden hat. „Kann Enes was dafür? Nein! Um die Staatsbürgerschaft zu erhalten, verlangt der Staat aber jetzt von ihm ein hohes Einkommen und Nachweise über die Sprache, die Enes ohnedies in der Schule gelernt hat.“ Öztas berichtete auch von seinem Opa, der als Fabrikarbeiter und Gastarbeiter nach Österreich gekommen war. „Er hat die Gesellschaft und die Stadt, die wir heute kennen, mit aufgebaut. Entwertet so jemand die Staatsbürgerschaft? Ist also eine Person aus der Gastarbeiter-Generation, die das Land mit aufgebaut hat, eine Belastung für die Republik?“, fragte Öztas. Er ortete eine „Neiddebatte“ bei der Staatsbürgerschaft: „Haben Sie Angst davor, dass, wenn andere die Staatsbürgerschaft erhalten, dann ihre eigene wegkommt?“

Abstimmungen: Keiner der Anträge, allesamt von der Opposition eingebracht, fand die notwendige Mehrheit.

Die 13. Sitzung des Wiener Landtages endete um 12.43 Uhr.

Service

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